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Der billige Triumph des Formalismus

Untertitel
Nachschlag 2015/07
Publikationsdatum
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Einzigartig war es in jedem Fall. Wo und wann kommt es schon vor, dass ein Orchester Gegenstand ist in der Plenarsitzung eines Landtages? In der 87. Sitzung des Landtags von Nordrhein-Westfalen war es soweit. Drucksache 16/9015: Mündliche Anfrage der FDP-Abgeordneten Ingola Schmitz an das zuständige Ministeri­um für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport. Thema: „Orchester­förderung in Nordrhein-Westfalen – Weshalb wird der Kammerphilharmonie Amadé eine ihrem Rang angemessene institutionelle sowie projektbezogene Förderung verweigert und der mögliche Konkurs eines Spitzenorchesters damit billigend in Kauf genommen?“

Eine Frage, die nun allerdings schon lang im Raum steht. Groß und unbeantwortet und drohend wie die senkrecht aufragende Wand eines Berges der höchsten Kategorie. Und genauso unbestiegen und unbezwungen stand sie auch am Ende wieder da als ein jovialer Parlamentspräsident die Fragestunde nach einem gefühlten Viertelstündchen beendete. Da waren zwar noch mehr als die Hälfte der eigentlich vorgesehenen „14 Nachfragen“ ungestellt, aber der eigentlich so tapfer ausgezogene kleine Expeditionstrupp der nicht eben großen FDP-Fraktion hatte auf einmal der Mut verlassen. Da wurde noch gefragt, weshalb die Landesregierung das erfolgreiche Wirtschaften der Kammerphilharmonie „ignoriert“, um stattdessen mit dem Verweis auf angeblich mangelnde „Nachfrage nach Konzerten der KPA“ „öffentlich Rufschädigung zu verbreiten“ – doch dann war zur allgemeinen Überraschung Schluss. Zur Verlesung, geschweige denn zur Diskussion all der anderen aufgelisteten Ungeheuerlichkeiten kam es nicht mehr.

Gar zu gerne hätte man erfahren, wie das Ministerium den im Raum und in „Nachfrage 4“ formulierten Verdacht bewusster Orchester-Schädigung aus der Welt geschafft hätte? Hintergrund: Ein Konzert mit dem Weltstar Vesselina Kasarowa im Sommer 2011. Den Förderantrag dazu hatte man gemeinsam mit der Kölner Bezirksregierung erarbeitet. Das Düsseldorfer Ministerium signalisierte Zustimmung vorbehaltlich „Klärung letzter Details“. Dann eine Volte, die dem Orchester den finanziellen Teppich unter den Füßen wegzog. Jeder Kenner der Materie weiß, dass Konzerte zumal solcher Dimension der intensiven Vorbereitung bedürfen. Verträge, Verabredungen, Proben – es geht um Kunst. Doch worum geht es dem Ministeri­um für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport? Buchstäblich in letzter Minute wurde das Orchester nicht mit der Zusage der Förderung, sondern mit Ablehnung des Förderantrages konfrontiert. Was in etwa – um beim Bild der Bergbesteigung zu bleiben – dem Kappen eines Halteseiles gleichkommt. „Kann das Ministerium diesen Verdacht widerlegen?“ Eine Frage, die der Antwort noch immer harrt. Im Papier der Abgeordneten Schmitz stand sie drin. Nur gestellt wurde sie nicht. Weshalb der Verdacht auch bleibt – groß, unbeantwortet, drohend.

Es ist schon erstaunlich, wie brüsk ein doch im Prinzip auf Kommunikation verpflichtetes Ministerium in diesem Fall die kalte Schulter zeigt. Petitionen zu Gunsten der KPA mit den Unterschriften der europäischen Musikprominenz, persönliche Briefe eines Alfred Brendel – verpufft im Nichts. Kritische Nachfragen der Öffentlichkeit – ohne Widerhall, ohne Folgen. Was das Epizentrum dieses Kältestroms angeht, so war es in der 87. Plenarsitzung des Lantags NRW zu besichtigen.

Schon vor dem Aufruf von TOP 11 hatte Ministerin Ute Schäfer auf der Regierungsbank Platz genommen. Und wer ihre Körpersprache studierte, konnte förmlich ahnen, was sich wenige Minuten später ereignen sollte. Was die Ministerin in ihrer schriftlich verlesenen Erwiderung auf die eingangs gestellte Frage vortrug, kann man als Meisterstück politischer Rhetorik bewundern. Schätzen kann man es nicht. Der kommunikative Appell und der Vermittlungswille, der in der Anfrage der Abgeordneten Schmitz steckte, wurde überrollt von einer formal­juristischen Walze mit einer Geisterfahrerin am Steuer, die so lange auf einem Urteil des Kölner Verwaltungsgerichts hin- und herfuhr bis den lieben Kollegen von der FDP der Allerwerteste buchstäblich auf Grundeis ging.

Doch der so ertrotzte triumphale Abgang hinterlässt ein ungutes Echo. Was ist daran Kultur, wenn ein Kultur-Ministerium glaubt, sich mit Formalismus-Spielchen aus der Affäre ziehen zu können? Übrigens: Die Kunstfreundin in der Ministerin weiß es womöglich besser. Nach erfolgtem Scharmützel bestätigte sie der Abgeordneten Schmitz bereitwillig die Qualität einer Kammerphilharmonie Amadé. Doch da waren die Mikrofone schon abgeschaltet.

Dokument

Mündliche Anfrage 16/9015

Orchesterförderung in Nordrhein-Westfalen – Weshalb wird der Kammerphilharmonie Amadé eine ihrem Rang angemessene insti-tutionelle sowie projektbezogene Förderung verweigert und der mögliche Konkurs eines Spitzenorchesters damit billigend in Kauf genommen?
5 Seiten (PDF)
Urheber: Ingola Stefanie Schmitz (FDP) 

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