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Der Mann mit den goldenen Ohren

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Zum Tod des genialen Beatles-Produzenten George Martin
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Er war der berühmteste Pop-Produzent, noch vor Quincy „Thriller“ Jones: George Martin. Als die deutsche Polydor Anfang der sechziger Jahre die Band aus Liverpool ganz schnell fallen ließ und lieber auf Tony Sheridan setzte, schlug George Martin für die damalige EMI-Tochter Parlophone Records zu.

Schon in den fünfziger Jahren hatte Martin, der an der Guildhall School of Music and Drama Komposition und klassische Musikorchestrierung studiert hatte, am laufenden Band Hits produziert, darunter auch Comedy-Alben von Peter Sellers. Und so hätte das ewig in den Abbey Road Studios weitergehen können. Aber dann erschienen diese talentierten, hungrigen Burschen, denen er als Songwriter „keine Zukunft“ beschied, auf der Bildfläche und änderten sein Leben. „Produced by George Martin“ wurde weltweit zur Marke. Während ein Musikproduzent bis dahin eher ein kluger „Organisator“ von Musikaufnahmen gewesen war, wurde George Martin zum „Mastermind“ der Fab Four, zu ihrem musikalischen Mädchen für alles am Mischpult. JohnPaulGeorge&Ringo lieferten die Songs und ihre manchmal bizarren musikalischen Ideen und Martin goss sie im Studio in eine mustergültige Form. Vergleicht man die von Martin abgesegneten Versionen mit all den alternativen Fassungen, die herumspuken, erkennt man das Genie von Martin sofort. Intuitiv scheint er sich immer für das richtige Tempo und die „definitive“ Orchestrierung entschieden zu haben.

All die musikalischen „Gimmicks“ der Beatles, gewissermaßen die Wasserzeichen, sind fast immer ihm zuzuschreiben, wie wir inzwischen wissen. Wie „tight“ der Beatles-Sound war, kann man übrigens in ganzem Umfang nur in den Mono-Mixen heraushören, die den damals üblichen Ping-Pong-Stereo-Mischungen überlegen sind. Alle Langspielplatten bis zum „White Album“ wurden bis 1968 von George Martin in Mono gemixt. „All You Need Is Ears“ heißt Martins Autobiografie und ganz geschulte Ohren braucht man auch um dieses sonische Erlebnis ganz genießen zu können.

Obwohl das überambitionierte „Konzept-Album“ „Sgt. Pepper“ von vielen oberflächlichen Kritikern immer wieder als das „Meisterwerk“ der Beatles bezeichnet wird, schwören die „wahren Fans“ auf die vorausgegangen LPs, „Rubber Soul“ und „Revolver“. Um „Rubber Soul“ kreist im übrigen der deutsche „Kult-Roman“ der letzten Saison: Frank Witzels grandioser Provinz-Roman „Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969“. Es war George Martin, der als „fünfter Beatle“ den Soundtrack nicht nur dieses „Teenagers“ entscheidend mitgeprägt hat. Am 8. März ist George Martin im Alter von 90 Jahren gestorben.

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