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Heiße Orgel, cooler Gesang

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Neue Musik auf neuen CDs, vorgestellt von Max Nyffeler
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Neue Musik mit und von: Christian Ofenbauer, Gerhard Stäbler, Sophie Tassignon, Kuniko Kato und Iannis Xenakis.

Wenn es um virtuoses Schlagzeug geht, muss es nicht immer Martin Grubinger sein. Die Japanerin Kuniko Kato, kurz Kuniko, kann das genau so gut. Den vierteiligen Zyklus „Pléiades“ von Iannis Xenakis für sechs Schlagzeuger hat sie im exzellent realisierten Playbackverfahren aufgenommen, flexibel in der Gestaltung, das Fließende der Musik betonend. Die Aufnahme geht auf ein Multimediaprojekt mit dem Choreografen Luca Veggetti und dem Tänzer Megumi Nakamura zurück. Ausschnitte aus der komplexen Videoinstallation, in der sie auch visuell sechsfach auftritt, sind im Internet zu sehen. Ebenso viel Sinn für klangfarbliche Abstufungen zeigt sie im Solostück „Rebonds“ für Fellinstrumente und einige Woodblocks, dem zweiten Stück auf dieser technisch hochwertig produzierten SACD. (Linn Records CKD 495)

Zwischen der Coolness einer Astrud Gilberto, den vokalen Eskapaden einer Cathy Berberian und den Bizarrerien des Bebop bewegt sich die Stimme von Sophie Tassignon in den Eigenkompositionen, die sie mit ihren Kollegen von „House of Mirrors“ an Klarinette/Saxophon, Klavier und Kontrabass für ihr Album „Act One“ aufgenommen hat. In den perfekt einstudierten Arrangements – eigentlich sind es ausgewachsene Kompositionen – überrascht die Kombination von Vokal- und Instrumentalklang immer wieder aufs Neue. Nahtlos geführte Unisoni stehen neben improvisatorischen Lautexplosionen, polyphones Liniengeflecht mündet in orgiastisches Durcheinander, rhythmisch gebrochene Walzerrhythmen bilden die Basis für extravagante Melodiebögen in dissonanten Intervallen. So sexy kann Atonalität klingen. Vor allem wenn man über den intonationssicheren, mit klarinettenhafter Geschmeidigkeit geführten Mezzosopran einer Sophie Tassignon verfügt. (Vertrieb Amazon)

Das Orgelspiel lernte Gerhard Stäbler schon früh, aber den experimentellen Zugang zum Instrument fand er erst über seinen Lehrer Gerd Zacher. In den klanglichen Gratwanderungen, die er mit seinen Orgelwerken aus drei Jahrzehnten unternimmt, hallt noch etwas von Zachers Radikalität nach. Der „Musikalische Essay über die Grenzen des Möglichen“ balanciert 20 Minuten lang an den Rändern zum Geräusch, und im Pedalsolo „Tap“ werden diese Geräuschklänge zum Düster-Abgründigen verdichtet. In den fünf Sätzen von „Windows“ öffnen sich Fenster in fremdartige musikalische Außenwelten, während die Orgelfantasie „Aber …“ mystische Klangfiguren durch den Raum schweben lässt und die Zeit mit instabilen Dauertönen ausmisst. Und dann kommt noch „Heiss!“. In diesem grafisch notierten Stück arbeitet sich Dominik Susteck mit großem Vergnügen durch alle Klangfarbenregister inklusive Schlagwerk hindurch, die die reich bestückte Orgel in der Kölner Kunststation Sankt Peter zur Verfügung stellt. (Wergo 7315 2)

Die Streichquartettkompositionen von Christian Ofenbauer, die zwei volle CDs füllen, bewegen sich meist an der Hörgrenze. Es sind entwicklungslose Variationen des Schweigens, angefüllt mit leisem Schaben, Kratzen und Fingertippen. Am radikalsten wird dieses Prinzip in „Zerstörung des Zimmers/der Zeit“ realisiert, einem dreiviertelstündigen, durch allerlei Schlieren bewegten klanglichen Grauschleier. Wegen der akustischen Anfälligkeit ist das mit Vorteil weit weg von unserer geräuschreichen Zivilisation zu hören. Eine Musik für Freunde der zart gefärbten Luft, bei der das Arditti Quartett demonstriert, dass sich auch aus einem Beinahe-Nichts noch viel herausholen lässt. (Neos 11513-14) 

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