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Kolumne

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Paternoster
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Ich komme heute leider nicht umhin, auch mal einen sarkastischen Ton anzuschlagen. Sie mögen es mir verzeihen.

Seit wenigen Tagen sind Deutschlands Paternoster nicht mehr nutzbar. Das sind die lustigen Aufzüge, bei denen man auf der einen Seite in die Kabine springt und im übernächsten Stockwerk wieder raus. Sie fahren hinauf und hinunter, quasi im Kreis herum. Als Kind und Knabensopran im Alter von 8 bis14 Jahren dilettierte ich mich im Stuttgarter Rathaus regelmäßig daran. Ist nie was passiert. Auch nach über 50 Jahren gab es nie einen Unfall, Hunderttausende nutzen diesen Umlaufaufzug. Das Ministerium von Frau Nahles hat nun die Nutzung verboten. Zu gefährlich. Aha.

Ich schlage darum dem Bundesarbeitsministerium vor, auch das Fahrradfahren zu verbieten (man kann stürzen), das Kochen (man kann sich verbrennen oder schneiden), ganz zu schweigen von den Gefahren, die von Autos, Flugzeugen, Roll- und Schlittschuhen und frisch gebohnerten Holztreppen ausgehen. Auch die Bienenzucht ist höchstgefährlich und zwischengeschlechtliche Begegnungen sowieso. Es starben schon Menschen im Bett. Gehört alles verboten!

Aber, liebe Frau Nahles, das Allergefährlichste überhaupt ist das Ausüben von Musik! Haben Sie eine Ahnung, welche Schäden Musiker nehmen können? Geiger und die anderen Streicher können Gehör-, Nerven-, Gelenk- und Haltungsschäden davontragen, desgleichen alle Holz- und Blechbläser; Sänger stürzten auf der Bühne schon von Leitern oder in den Orchestergraben. Eine Soprankollegin lief neulich gegen eine Glasscheibe auf der Bühne und sah danach aus, als sei sie in eine Schlägerei geraten. Vor wenigen Monaten verstarb auf der Bühne während eines Konzerts im Festspielhaus Luzern der 59-jährige Dirigent mitten in Strauss` Alpensinfonie. Und dann diese ganze Überei! Und die ewigen Versagensängs­te! Geht alles gar nicht! Viel zu gefährlich. Schlimmer als Paternoster.

Und wissen Sie, verehrte Arbeitsminis­terin, dass durch Musik auch die Zuhörer Schaden nehmen können? Da können schlechte Musik und falsche Töne irritieren, das zu laute Blech, das Nicht-Zusammenspiel der Cellogruppe oder das Wahnsinnstremolo eines drittklassigen Tenors. Da stand so mancher Zuhörer schon kurz vorm Herzinfarkt oder vor suizidalen Erwägungen. Dagegen könnte Ihre Pippi-Langstrumpf-Gesangseinlage im Deutschen Bundestag 2013 ja noch als Elfengesang durchgehen. Ich wünsche Ihnen jedenfalls weiterhin viel Erfolg mit Ihren Verbotslisten und ermuntere alle meine Musikerkolleg/-innen, die Gefahren zu meistern und weiterhin fröhlich Musik zu machen, solange auch dies noch nicht vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales verboten ist.

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