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Kulturaustausch im Rundfunkstudio

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Der Chorwettbewerb „Let the Peoples Sing“ war beim Bayerischen Rundfunk zu Gast
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Den Jetlag merkt man ihnen nicht an. Die Mädchen des Young Peoples Chorus of New York City mit den bunten Schals um den Hals geben eine energiegeladene Performance auf der Bühne des Studio 1 im BR-Funkhaus München. Sie schicken Windgeräusche durch den Saal, bewegen sich im Rhythmus ihres Gesangs und klopfen energisch mit Bambusstöcken auf den Boden. Über ihren Köpfen baumeln zahlreiche Mikrofone, Fernsehkameras verfolgen jede Bewegung.

Der Young Peoples Chorus ist unter den neun Finalisten bei „Let the Peoples Sing“, dem Internationalen Laienchorwettbewerb der Europäischen Rundfunkunion (EBU). Das Finale am 11. Oktober wurde in zahlreichen Rundfunksendern und im Internet-Videostream live übertragen. „Es fühlt sich so unwirklich an, jetzt auf dieser Bühne zu stehen und zu wissen, dass man on air ist“, erzählt die 17-jährige Jordan im Anschluss an ihren Auftritt. „Im Januar haben wir den Bescheid bekommen, dass wir es ins Finale geschafft haben, und seitdem haben wir so hart gearbeitet. Jetzt bin ich erst mal total erleichtert.“

Zum 44. Mal findet der Chorwettbewerb der EBU bereits statt. Gegründet als nationaler Wettbewerb der BBC, wird er inzwischen als Biennale in verschiedenen Rundfunksendern der EBU ausgetragen. Dazu gehören 73 Rundfunkanstalten in Europa, Nordafrika, Asien und assoziierte Sender weltweit. Gastgeber in diesem Jahr waren der Bayerische Rundfunk und BR-Klassik. Eine Herausforderung, denn die EBU stellt seit 2001 keinen Wettbewerbs­etat mehr zur Verfügung, die Teilnehmer müssen auf eigene Kosten anreisen. Vielleicht auch ein Grund, weswegen sich in diesem Jahr nur 19 Laienchöre zum Wettbewerb angemeldet haben. „Ohne Sponsor wäre der Flug von New York nach München für uns nicht möglich gewesen“, bestätigt Jordan vom Young Peoples Chorus. „In München sind wir zum Glück in Gastfamilien untergebracht. Das ist eine tolle Erfahrung.“

Überhaupt wird während der Finalrunde deutlich, dass es den angereisten Chören vor allem um die interkulturelle Erfahrung und das gegenseitige Kennenlernen geht. Der Hauptpreis, die „Silver Rose Bowl“, wird zur Nebensache. Vor dem Finale trafen sich die Chöre zu einem gemeinsamen Chorfest in der Musikhochschule München, wo sie ohne Wettbewerbsdruck miteinander singen konnten. Als dann die Endrunde läuft, sitzen die Chöre, die bereits aufgetreten sind, nebenan im Studio 2 und hören den anderen Finalisten per Bildschirm zu. „Ich freue mich sehr für meine Chorkinder, weil sie hier die Möglichkeit haben, so unterschiedliche Chortraditionen und Musikstile zu erleben“, schwärmt Voicu Popescu, Chorleiter des Rumänischen Radiokinderchors. Denn wann könne man schon mal Chöre aus Dänemark, England, Bulgarien, Rumänien, den USA, Schweden, Deutschland, Lettland und Österreich in einem Konzert hören?

Die Finalisten treten in drei Kategorien an: Kinder- und Jugendchor, Erwachsenenchor und Offene Kategorie, eine Sparte für Chöre, die sich auf ein bestimmtes Repertoire festgelegt haben. In diesem Jahr könnte der Kontrast in der Offenen Kategorie nicht größer sein: Ein lässiger Barbershop-Boychoir trifft auf einen bulgarischen Folklorechor in bunter Tracht. „Das ist so, wie Äpfel mit Birnen zu vergleichen“, kommentiert der Juryvorsitzende Bent Gronholdt. Schwer fällt der Jury auch die Entscheidung in der Erwachsenenkategorie. Da das Sofia Ensemble aus Schweden nicht selbst angereist ist, wird dessen Auftritt aus einer Stockholmer Kirche live zugeschaltet. Kirchenhall versus trockene Studioakustik.

Rund zehn Minuten haben alle Teilnehmer Zeit, um sich zu präsentieren. Auffällig sei die gute Performance aller Chöre, bemerkt Gronholdt. „Vor fünf oder zehn Jahren stand ein Chor einfach mit den Noten auf der Bühne und hat gesungen. Heutzutage ist den Chören die Kommunikation sehr wichtig. Oft haben sie eine Choreografie, sie bewegen sich, singen auswendig und wollen das Publikum unterhalten. Das ist ein klarer Trend.“

Dreieinhalb Stunden dauert der Finalabend. Am Ende teilen sich der dänische Mädchenchor aus Aarhus und der Young Peoples Chorus of New York City den ersten Preis in der Kategorie Kinder- und Jugendchor. In der Offenen Kategorie überzeugt der bulgarische Cosmic Voices Choir mit seinem originellen Folklore-Sound. Als bester Erwachsenenchor wird der Madrigalchor der Hochschule für Musik und Theater München ausgezeichnet. „Der volle, ausbalancierte Klang und die kräftigen Männerstimmen waren einfach herrlich anzuhören“, so die Begründung der Jury.

Nun warten alle Chöre gespannt vor dem Bildschirm im Studio 2. Der Gewinner des Hauptpreises steht noch aus. „Wir haben einen Chor gewählt, der zusätzlich zu Kriterien wie sauberer Intonation, Klangqualität und Stimmklang das gewisse Extra hatte und uns magische Momente beschert hat. Dieser Chor ist der Aarhus Pigekor.“ Die Mädchen aus Dänemark jubeln, fallen sich um den Hals, schwenken dänische Flaggen. Als bester Chor des Abends dürfen sie die Silver Rose Bowl mit nach Hause nehmen. Für den Young Peoples Chorus aus New York City heißt es hingegen schnell Koffer packen. Am nächsten Morgen um 5.30 Uhr geht der Flieger zurück in die USA.

In zwei Jahren wird „Let the Peoples Sing“ in Helsinki stattfinden. Wie lange sich der Chorwettbewerb in dieser Form ohne finanzielle Rückendeckung der EBU noch behaupten kann, bleibt abzuwarten. Blickt man auf die feiernden, Freundschaften knüpfenden Chorsänger im Foyer nach dem Finale, dann hoffentlich noch eine Weile.

Die komplette Finalrunde ist als Video in der ARD-Mediathek unter www.br.de zu finden. Infos zum Wettbewerb und den Teilnahmebedingungen auf der Seite der Europäischen Rundfunkunion EBU: www3.ebu.ch

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