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Viel Musik statt schöner Worte

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Der Münchner Tonkünstlerverband begeht sein 70. Jubiläum
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komponisten@münchen, so firmierte der Tonkünstlerverband München anlässlich seines 70. Jahrestages Mitte März. Die Botschaft ist klar: Auch wenn das biennal stattfindende Musikforum des Tonkünstlerverbands den eigentümlichen Charme einer Kunstverein-Jahresausstellung ausstrahlt, alte Zöpfe müssen bei dieser 70-jährigen Münchner Kulturinstitution nicht abgeschnitten werden, denn es gibt keine: Man komponiert und agiert in der Gegenwart.

Bemerkenswert auch, dass die Jubiläumsfeier im städtischen Kreativquartier Schwere Reiter auf alle preisenden Reden und Grußworte verzichten konnte. Im Mittelpunkt stand die Musik, insbesondere das Werk der Münchner Kreativen. 39 Stücke kamen zur Aufführung, von annähernd 100 Musikern gespielt. Beinahe in der Atmosphäre einer Arbeitstagung wurde Werk für Werk sorgfältig, durchaus auch mal enthusiastisch, von Kollegen für Kollegen dargeboten, denn man war größtenteils unter sich. Wobei „unter sich“ beim Münchner TKV kein Diminutiv ist. Mit 1.200 professionellen Münchner Musikerinnen und Musikern und rund 70 Veranstaltungen im Jahr prägt der TKV das Kulturleben Münchens maßgeblich.

Den Anfang der Musiknacht gestalteten die Schülerinnen und Schüler von Mitgliedern, Jugend-musiziert-Preisträger und Mitwirkende des erst im vergangenen Jahr ins Leben gerufenen Jugendensembles für Neue Musik „JU[MB]LE“. Die Bandbreite reichte von der Uraufführung „Animal Dreams“ von Stefan Schulzki, einem augenzwinkernden Stück Live-Elektronik, das ganz auf Samples von Tierlauten beruht, über Mark Andres „iv 9“ für Bassflöte, Englischhorn und Bassklarinette oder Helmut Lachenmanns „Dritte Stimme zu J.S. Bachs zweistimmiger Invention d-Moll“ bis zu den „Dance Preludes“ von Witold Lutoslawski.

Es spielte im Prinzip die Urenkelgeneration der Gründer des Tonkünstlerverbands: Nach dem Ende des 2. Weltkriegs schlossen sich Persönlichkeiten wie Richard Strauss, Carl Orff und Werner Egk zusammen, um das Münchner Musikleben wieder in Gang zu setzen. 1946 genehmigte die amerikanische Militärregierung die Wiedergründung des Vereins Tonkünstler e.V. – damals Münchner Tonkünstlerverband – unter dem Vorsitz des Dirigenten Hans Rosbaud.

Der Mitbegründer Richard Strauss wurde von dem Geiger Ingolf Turban und Tomoko Nishikawa am Klavier mit dessen „Sonate Es-Dur op. 18“ geehrt. Für die Gegenwart stand, als ein Antipode zum Großkomponisten Strauss und ehemaligen Präsidenten der Reichsmusikkammer, der sich selbst gern als „Bad Boy of Musick“ apostrophierende Münchner Komponist Moritz Eggert, mit Werken wie „Außer Atem“ – mit viel Atem und mitreißend gespielt von Iris Lichtinger – und, als Selbstaufführer, mit Stücken aus seinem Werkzyklus „Hämmerklavier“.

So viel zum Repräsentativen – es folgten „short cuts“ von Wolfgang Jacobi, Markus Schmitt, Bernd Redmann, Alexander Strauch, Johannes X. Schachtner, Leander Kaiser, Michael Emanuel Bauer und Gloria Coates. Dass sich Tonkünstler heute immer stärker dem Jazz verschreiben, demonstrierten in einer Late Night die Musiken von Enjott Schneider, Anton Zapf und vor allem von Franz-David Baumann, der mit seinem Jazzensemble und der extravaganten Jazz-Rock-Avantgarde-Sängerin Conny Kreitmeier vertreten war.

Auch Anekdotisches fand Platz: Gunther Joppig, ehemaliger Leiter des Musikinstrumentenmuseums im Münchner Stadtmuseum, hatte ein kurioses Instrument aus dem 19. Jahrhundert dabei und ließ es sich nicht nehmen, es auch vorzuzuführen. So kam das Publikum in den Genuss von Saint-Saëns’ „Elephant“ aus dem Karneval der Tiere, gespielt auf dem Kontrabass-Sarrusophon von Joppig und am Klavier ad hoc begleitet von dem Cellisten Graham Waterhouse. 

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