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Weltabgewandt im Hier und Jetzt?

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Musiker und Realitäten im Berufsverband
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Immer wieder stößt man bei Fortbildungen auf geringe Gruppengrößen, immer wieder hört man von Kolleginnen und Kollegen, dass eine bestimmte Veranstaltung, eine bestimmte Fortbildung als ausgesprochen sinnvoll angesehen wird, aber leider habe man genau an dem Tag wichtige Probentermine.

Immer wieder stolpert man über Personen aus der Branche, die sich in romantizistischer Zurückgezogenheit eingerichtet haben und entweder erstaunt sind, dass man nach so banalen Dingen wie Mietzahlungen oder Altersvorsorge überhaupt zu fragen wagt, weil derlei schnöde Alltagsdinge doch nicht vereinbar seien mit den hehren Zielen der Kunst, oder es gar brüsk ablehnen, sich damit zu beschäftigen. Denn ihre künstlerische Mission duldet keinen Aufschub, störende Aspekte aus den Niederungen platter Menschennormalität werden ignoriert, lebt man doch schließlich für ein höheres Ziel.

Nun ist Idealismus eine schöne Sache, sie bewahrt einen vor dem Abgleiten in Zynismen und einem basalen Werterelativismus. Wenn aber gerade das Alltagsfundament von Sicherung des Lebensunterhaltes, langfristiger Organisation der Altersvorsorge und vieles andere mehr nicht funktioniert, kann man sich froh und glücklich schätzen, wenn man an seiner Seite eine/n Partner/in hat, der/die einem den Rücken freihält. Aber nicht immer ist dies gegeben. Und so gibt es (zu?) viele, die nach dem Studium unangenehm erwachen, wenn sie sich diesen Alltagsrealitäten stellen müssen. Und oft dabei verzagen, um sich letztlich wieder in die Geborgenheit vermittelnder Räume der eigenen Fachlichkeitsträume zurückzuziehen. Diese Form der Realitätsabgewandheit ist jedoch fatal nicht nur für den Betreffenden selber, sondern für die gesamte Branche. Die so genannten Kulturorchester sind noch halbwegs gut organisiert, die größer werdende Anzahl freier Musikervereinigungen aber nicht. Musikschullehrer werden, sofern überhaupt noch fest angestellt, über ver.di vertreten, bilden dort aber eine vergleichsweise kleine und unbedeutende Gruppe. Der DTKV als Vertretung der Freien Musiker und Musikpädagogen – zu denen ja auch die vielen Honorarkräfte an Musikschulen zählen – ist bemüht, sich zu einer organisatorischen, inhaltlichen und vor allem auch politischen Plattform mit Wirkungsmacht zu entwickeln. Erste Erfolge im Rahmen der Bundestagspetition zum KSVG sind dabei hervorzuheben. Gleichwohl ist hier noch eine massive Aufbauarbeit zu leisten. Das braucht aber vor allem eines: engagierte Kolleginnen und Kollegen. Die, die in den Landesverbänden und auf Bundesebene Aufgaben übernehmen, sehen sich einer Vielzahl von Arbeitsfeldern gegenüber, denen sie kaum gerecht werden können, zumal sie es in aller Regel ehrenamtlich neben ihrer Hauptbeschäftigung tun. Nur stehen unsere Funktionsträger gerade im Vergleich mit hauptamtlichen Lobbyisten ein wenig wirkungslos da, wenn nicht Zustimmung und Unterstützung von den Mitgliedern kommen. Erst mit einer „politisierten“ Schar von Kolleginnen und Kollegen kann ein Verband wirklich Einfluss gewinnen, zumal in Zeiten, in denen er an Relevanz und Bedeutung gewinnt. Also: Nicht nur passiv Leistungen abfragen oder Angebote einfordern, um sie dann doch nicht zu nutzen, sondern sich auf vielfältige Weise vor Ort, im Bundesland und auf Bundesebene einmischen, sich interessieren und mitgestalten – das hält einen Verband lebendig, macht ihn attraktiv und steigert seine Bedeutung. Denn es geht um unseren Beruf, um unser Leben und dafür braucht man starke Interessensvertretungen. Und Sie selber können am besten Ihre Interessen vertreten! Und zwar diesseits einer mentalen Versenkung in Phrasierungsdifferenzierungen. Ihre Stimme wird gebraucht, Ihre Mitwirkung. Denn Sie sind der Verband!

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