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«Ich bin in erster Linie Selbstdarsteller» - Entertainer Harald Schmidt ließ sic

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Lieblingsfarbe, Leibgericht, Parteipräferenz – all das behielt Harald Schmidt auch weiterhin für sich. 90 Minuten lang stellte sich der Entertainer am Sonntag live den Fragen der «Zeit»-Chefredakteure Josef Joffe und Michael Naumann. Politik, Kult und Peinlichkeiten waren Themen der auf nt-v übertragenen Gesprächsrunde, die der sonst so Interview-scheue Schmidt im gewohnten Plauderton absolvierte.

Privates konnten auch die beiden Chefredakteure dem Talkmaster nicht entlocken. Viel wurde über Politik geredet - konkret aber wollte Schmidt nicht werden. «Als Late Night-Moderator darf man sich nie politisch festlegen», sagte er. Zwar hatte der Wahlomat im Internet, den Schmidt einmal während seiner Sendung getestet hatte, ihn als Grünen geoutet: «Aber nur, weil ich gelogen habe.» Er glaube an einen erneuten Sieg von Rot-Grün - weil Gerhard Schröder der bessere Kanzler-Darsteller sei - doch ginge es nach ihm, dürfte es in der Hauptstadt am besten drunter und drüber gehen. «Für meine Show brauche ich Highlife in Berlin, eine Koalition, die von Anfang an unter schwierigsten Bedingungen wurschtelt und eine Opposition, die noch chaotischer ist als das, was gewinnt.»

Den Leuten auf die Finger schauen, ihre Grenzen austesten – das war wohl schon immer die Mission von Harald Schmidt. «Ihre Karriere beginnt als Schulclown in Nürtingen», hatte Joffe recherchiert, und Schmidt räumte ein, unter dem permanenten Zwang zu leiden, «testen zu müssen, wie man ankommt». In der Schule habe das durchaus zur Einsamkeit geführt - im Fernsehen allerdings erlangte Schmidt damit nach Ansicht seiner Interviewer Kultstatus.

Eine Einschätzung, die Schmidt selbst übrigens gar nicht gern hört. «Kult ist sehr gefährlich», gab er zu bedenken. «Wenn etwas gar nicht gut läuft, aber ein paar Leute irgendwie doch interessiert, dann ist es Kult.» Auch die «Zeit» habe durchaus Kultstatus. «Ich glaube, das kommt noch aus der Schulzeit, wo man die \'Zeit\' gern mal unter dem Arm getragen hat und heute aus einer sentimentalen Treue heraus immer noch abonniert.»

Die Chefredakteure nahmen es gelassen - obwohl sie gegenüber dem gänzlich entspannt wirkenden Schmidt kaum den gleichen Plauderton anzuschlagen vermochten. Dafür warteten sie mit fundiert recherchierten Zitaten auf und scheuten auch vor spitzfindigen Fragen nicht zurück. Mehrmals auf sein Gehalt angesprochen, lenkte Schmidt allerdings geschickt in eine andere Richtung. Nach seinem peinlichsten Witz gefragt, erklärte der Entertainer: «Peinlichkeit gab es für mich keine einzige, sonst hätte ich es nicht gemacht.» Eine bewusste Grenze ziehe er nur da, wo es juristisch heikel werde -die «Harald Schmidt Show» erreichten durchschnittlich zwei Unterlassungsklagen pro Woche.

An die eine Million Zuschauer sehen Schmidt jeden Abend dabei zu, wie er sich frech und tabulos durch das Tagesgeschehen talkt. «Zieht es Sie eigentlich zurück, raus aus dem Rampenlicht?», so die Frage von Joffe. «Manchmal habe ich schon die Vorstellung, wie es wäre, wieder ein ganz normales Leben zu führen», antwortete Schmidt. «Aber ich leide nicht unter dem Ruhm. Ich habe alles daran gesetzt, dass es so wird wie heute. Ich wollte dahin.»

Und so ist Schmidt trotz seines Abstechers ans Bochumer Schauspielhaus, wo er in «Warten auf Godot» wieder einmal eine Theaterrolle übernommen hatte, nicht traurig, auf der Bühne keine große Karriere gemacht zu haben: «Rückblickend bin ich beim Fernsehen besser aufgehoben, weil ich in erster Linie ein Selbstdarsteller bin.»
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