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Dadaistisches Panoptikum - «Don Juan» bei den Salzburger Festspielen

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Hallein/Salzburg - Mit Don Juan, dem mythischen Frauenverführer und Frauenverächter, haben die Salzburger Festspiele in diesem Jahr kein rechtes Glück. In Sven-Eric Bechtolfs umstrittener Inszenierung von Mozarts «Don Giovanni» war er wenig mehr als ein besserer Schwerenöter. Und am Sonntagabend in Andreas Kriegenburgs Deutung des Horváth-Dramas «Don Juan kommt aus dem Krieg» schlurfte der Titelheld als seines Eros vollends beraubter Seelenkrüppel über die Bühne.

 
 
 
Kriegenburg inszenierte das Antikriegsdrama des noch im alten Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn geborenen Schriftstellers Ödön von Horvath in der ehemaligen Salzfabrik auf der Perner-Insel in Hallein als dadaistisches Panoptikum der 20er Jahre. Aus Giftgasschwaden und Schlachtenlärm fällt Don Juan in eine Welt von im Einsatz an der Heimatfront emanzipierten Frauen: Intellektuellen-bebrillte Revolutionärinnen, studierte Dentistinnen, Hausmeisterinnen, Lesben, Huren und Witwen. Sie verachten die Männer, die ihnen den Schlamassel eingebrockt haben.
 
Eigentlich meinte er ja, an der Front ein anderer, vielleicht sogar besserer Mensch geworden zu sein. Doch zu Hause fällt Don Juan in die alten Rollenbilder zurück, vergewaltigt ein junges Mädchen, lässt sich von den Weibern, die selbst noch nicht wirklich zu sich gefunden haben, anschmachten wie einst. Am Ende erfriert er an der eigenen Gefühlskälte und der Kälte einer ganzen Gesellschaft. Die Frauen verscharren ihn unter einem Berg von Crunchy-Eis, das sie aus großen Eiswürfeln herausgepickelt haben.
 
Soweit die Geschichte, die auch eine Schützengraben-Fieberei sein kann. Kriegenburg erzählt sie reichlich forciert und durchgedreht. Horváths Sätze lässt der Regisseur meist im Staccato-Stil wie Maschinengewehrsalven rezitieren. Das enge Korsett lässt den Schauspielerinnen und Schauspielen wenig Freiraum, sie erstarren zu Theatermaschinenmenschen.
 
Eigentlich verfügt Max Simonischek in der Titelrolle über eine beachtliche Präsenz. Er ist ein echtes Mannsbild, wie sein im Publikum sitzender Vater Peter Simonischek, der in Christian Stückls erst vergangenes Jahr abgelöster «Jedermann»-Inszenierung die Rolle des reichen Mannes so oft gespielt hatte wie keiner vor ihm. Leider hatte der Sohn keine Chance, dem Don Juan wirklich eine Seele zu geben, wenn auch eine verkrüppelte. Sein Gegenüber sind neun Frauen, allesamt gestandene Schauspielerinnen deutschsprachiger Bühnen.
 
Untermalt war das Ganze von einem auf Dauer nervenden, durchgehenden Klangteppich inklusive einer witzigen Parodie einer Passage aus Mozarts «Don Giovanni» und Khachaturians «Säbeltanz», zu dem ein ziemlich schweres «leichtes Mädchen» ulkige Verrenkungen machte und sich erfolglos an Don Juan ranschmiss. Jubel für die Schauspieler, dazu ein paar Buhs für Kriegenburg.
 
Georg Etscheit
 
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