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Nach Kritik der Türkei - Konzertprojekt «Aghet» in Dresden gefeiert
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Nach Kritik der Türkei - Konzertprojekt «Aghet» in Dresden gefeiert

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Dresden - Erstmals seit der Intervention der Türkei gegen das Musikprojekt «Aghet» ist das Werk wieder aufgeführt worden. Das Projekt war zum 100. Jahrestag des Massakers an den Armeniern initiiert worden. Die Dresdner Sinfoniker und Gastmusiker bekamen am Samstagabend im ausverkauften Festspielhaus Hellerau in Dresden stehende Ovationen.

Die um Musiker aus der Türkei, Armenien und Mitglieder des No Borders Orchestra aus Staaten des früheren Jugoslawien verstärkten Sinfoniker hatten «Aghet» Ende November 2015 in Berlin uraufgeführt. Sie wollen damit ein Zeichen der Versöhnung setzen. Die Idee dazu stammt von dem deutsch-türkischen Gitarristen Marc Sinan. «Aghet» ist dessen Großmutter gewidmet, die die Gräueltaten als Kind überlebte. Das Hauptstück ist geschrieben für Orchester, Frauenchor und Sprechstimme.

Jüngst war bekannt geworden, dass türkische Vertreter auf EU-Ebene wegen «Aghet» interveniert hatte. Bei den Massakern an den Armeniern im Jahr 1915 kamen Schätzungen zufolge zwischen 800 000 und 1,5 Millionen Angehörige der christlichen Minderheit im Osmanischen Reich - dem Vorläuferstaat der heutigen Türkei - ums Leben. Die Türkei sieht im Begriff «Völkermord» eine ungerechtfertigte Anschuldigung der damaligen Taten.

Im aktuellen Fall verwies die Türkei darauf, dass sie das EU-Kulturprogramm mitfinanziert habe. Daher habe sie auch das Recht, die aus ihrer Sicht «einseitigen Interpretationen und Vorwürfe gegen die Türkei» auf der betreffenden Homepage zu beanstanden. Die Kritik hatte vielfach Empörung ausgelöst.

Die sächsische Kunstministerin Eva-Maria Stange (SPD) stellte sich demonstrativ hinter das Projekt. «Es hat mich überhaupt nicht gewundert, dass die Türkei gegen das Musikprojekt protestiert, nachdem was wir in den letzten Monaten an Intervenierungen von türkischer Seite gegen satirische Äußerungen und freie Berichterstattung erlebt haben», hatte sie am Samstag erklärt. «Ich empfinde es als Unverschämtheit und als erschreckend, mit welcher Beharrlichkeit die türkische Regierung versucht, sich in die Kunst- und Meinungsfreiheit der Bundesrepublik einzumischen. Wir werden dem nicht nachgeben.»

Festspielhaus-Intendant Dieter Jaenicke sagte bei der Vorführung am Samstagabend: «Eigentlich müssten wir Erdogan dankbar sein.» Er betonte: «Durch die türkische Intervention bei der EU-Kommission ist der Genozid an den Armeniern ja eigentlich erst so recht wieder ins Bewusstsein der Deutschen gerückt». Der Intendant der Dresdner Sinfoniker, Markus Rindt, gab sich zuversichtlich, dass das «Aghet«-Projekt wie geplant im November 2016 nicht nur in der armenischen Hauptstadt Jerewan, sondern anschließend auch in Istanbul zur Aufführung kommen wird.

s. auch Kunst als Zankapfel der Diplomatie

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