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Ruslana & Co: Ukraine-Proteste bringen Künstler auf Barrikaden

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Die ukrainische Popdiva Ruslana ist bei den proeuropäischen Protesten in Kiew nicht die einzige Künstlerin, die das Land nach Westen bringen will. Aber auch in der Kulturelite zeigt sich, dass das Land zwischen der EU und Russland hin- und hergerissen ist.

Kiew (dpa) - Wie ein Maskottchen der proeuropäischen Protestbewegung in der Ukraine spielt die Popdiva Ruslana, Siegerin des Eurovision Song Contest von 2004, ihre Rolle. «Die Ukraine gehört zu Europa!», ruft sie bei ihren vielen Auftritten auf dem Maidan, dem Platz der Unabhängigkeit in Kiew. Die 40-Jährige singt mit Studenten die Nationalhymne des Landes. Aber sie ist beileibe nicht die einzige Künstlerin, die der prowestlichen Opposition um den Boxweltmeister Vitali Klitschko Beistand gibt - und sich auch mutig gegen die Uniformierten der Polizei stellt.

Seit Wochen sind Ruslana und andere Künstler unter denen, die sich nach einem Leben mit westlichen Regeln und Werten sehnen. Mit anderen Protestierenden verbarrikadierte sie sich einmal zum Schutz vor der Sondereinheit «Berkut» (Steinadler) im Michaelskloster. Und es war wohl ein Ausbruch ihres feurigen Temperaments, dass die aus dem westlichen Lwiw (Lemberg) Stammende sogar mit Selbstverbrennung drohte: «Ich sage Euch ehrlich, ich verbrenne mich selbst auf dem Maidan, wenn es keine Änderungen gibt.»

Inzwischen flauen die Proteste etwas ab - und damit auch die Schärfe der Aussagen. Das Land bleibt weiter im Einflussbereich Russlands - vorerst zumindest. Die EU scheiterte mit ihrem Angebot einer Partnerschaft - nicht nur für Ruslana ein Rückschlag. Mit ihr stand schon bei der friedlichen Orangenen Revolution von 2004 der Sänger Swjatoslaw Wakartschuk mit auf dem Maidan, um für einen Westkurs des Landes einzutreten.

Der Kopf der im postsowjetischen Raum populären Rockband Okean Elsy verhält sich allerdings vorsichtiger. Die Band des 38-Jährigen, der als Nationalheld gilt, lockte mit ihrem Auftritt auf dem Maidan Mitte Dezember Zehntausende Menschen an. Leuchtende Handys verwandelten die Menge in ein Lichtermeer. «Nur nicht schweigen, um Gotteswillen, nur nicht schweigen!», flehte der Westukrainer.

Auf harte Kritik am Nachbarn Russland, dem die Opposition Druck auf die Ukraine vorwirft, verzichtete er. Die Band will auch weiter im Riesenreich auf Tournee gehen, Konzerte organisieren - ohne Ärger mit den russischen Behörden zu bekommen. Den erlebte einst der ukrainische Star Andrej Danilko - besser bekannt als Werka Serdjutschka, Zweitplatzierter 2007 beim Eurovision Song Contest (ESC) mit dem Song «Dancing Lasha Tumbai», was viele in Russland als «Russia, goodbye!» verstanden und als Affront werteten.

Einzelne Konzertabsagen waren die Folge. Danilko verurteilte zwar bei den aktuellen Protesten die Polizeigewalt, hielt sich mit klaren politischen Positionen aber zurück. «Ein Star darf niemals seine Position aussprechen. Wir sind nicht im Westen», sagte der aus der Zentralukraine stammende 40-Jährige der russischen Internetseite heat.ru. Vorsichtig ist auch die 35 Jahre alte ESC-Teilnehmerin Ani Lorak: «Ich wünsche allen Geduld, Weisheit und Güte!»

Zu Wort melden sich in der aufgeheizten Lage auch die Literaten, der in Charkow lebende Sergej Schadan (Serhij Zhadan) etwa, der offen für einen Machtwechsel eintritt. Mit seiner Punkband «Hunde im Kosmos» trat der 39 Jahre alte Germanist in der ostukrainischen Millionenstadt bei den dortigen Protesten auf. In einem offenen Brief forderte er Reformen, die «Ablösung der Regierung» und sprach von der «Notwendigkeit einer Revolution».

Starautor Juri Andruchowytsch sieht in der europäischen Integration sogar eine Frage von «Leben und Tod» für sein Land. Der 53-Jährige aus Iwano-Frankiwsk hofft, dass die Demonstrationen ein Anfang für wirkliche Änderungen vor den Präsidentschaftswahlen im März 2015 sein könnten.

Andreas Stein, dpa

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