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Eine ausführliche Beschäftigung mit der 150jährigen Geschichte der Dresdner Philharmonie gestattet die soeben erschienene Festschrift zum „Jubel-Jahr“. Faktenreich, unterhaltsam, empfehlenswert.
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150 Jahre Dresdner Philharmonie: So exklusiv war nie ein Festkonzert

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Warum ein Bürgerorchester just in Dresden, der Stadt der Sächsischen Strauss-Kapelle, ausgerechnet zum Festkonzert an seinem 150. Gründungstag ein Werk von Richard Strauss aufs Programm setzt, erschließt sich sofort beim Blick auf den Titel: „Der Bürger als Edelmann“ prangt da und geht auf Molière sowie vor allem auf Hugo von Hofmannsthal zurück.

Denn es ist ein Bürgerorchester, das sich hier ganz edel feiert, ein bürgerschaftliches Ensemble, das am 29. November 1870 ein klingendes Pendant setzen wollte zur traditionslastigen Hofkapelle, die bereits seit 1548 vor allem dem sächsischen Adel zu Diensten war. Erst nach 1918 ist das Orchester vom höfischen zum staatlichen Klangkörper geadelt worden.

Da stand die mit der Reichsgründung entstandene Philharmonie schon drei Jahrzehnte lang im Dienste der Bürgerschaft dieser heute noch so vergangenheitshörigen Stadt. Den jetzigen Namen gab sich das mit der Eröffnung des sogenannten Gewerbehaussaales gegründete Orchester im Jahr 1923. Seitdem verband sich der Klangkörper mit bedeutenden Dirigenten- und Komponistenpersönlichkeiten. Johannes Brahms, Antonín Dvorák und Peter Tschaikowski führten hier eigene Kompositionen auf, Hermann Abendroth, Fritz Busch, Eugen Jochum, Joseph Keilberth, Erich Kleiber, Hans Knappertsbusch und Franz Konwitschny standen am Pult, in Nachkriegszeiten gefolgt von Heinz Bongartz, Kurt Masur und Herbert Kegel, nach Rafael Frühbeck de Burgos und Michael Sanderling nun wieder Marek Janowski.

Der war bereits von 2001 bis 2003 Chefdirigent der Dresdner Philharmonie, ging dann im Zwist mit der Stadt, die ihr Versprechen für den Umbau des Konzertsaals nicht eingehalten, also gebrochen hat. Vor eineinhalb Jahren ist er nach Dresden zurückgekehrt, als nun endlich ein auch international konkurrenzfähiger Saal im 1969 eröffneten Kulturpalast eingeweiht werden konnte.

„Dieses Orchester hat das Recht auf eine Leitungsfigur, die große künstlerische Kompetenz besitzt.“

Kurz vor dem seit Jahren vorbereiteten Jubiläum der Dresdner Philharmonie hat Marek Janowski seinen bis 2022 laufenden Vertrag um ein Jahr verlängert. Das ist in doppelter Weise verantwortungsvoll, denn einerseits gibt es dem Orchester gerade in diesen schwierigen Zeiten ein Stück Kontinuität und Verlässlichkeit, andererseits ist der Weg frei, in geordneten Bahnen eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger zu suchen. „Dieses Orchester hat das Recht auf eine Leitungsfigur, die große künstlerische Kompetenz besitzt,“ unterstreicht Janowski, der das Jubiläumskonzert selbstredend auch musikalisch geleitet hat.

Es ist ein außerordentlich exklusives Konzert geworden, wie ich es wohl noch erlebt habe: Lediglich ein ehemaliger Politiker, ein paar Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hauses sowie eine kleine Handvoll Musikjournalisten durften diesem Festkonzert beiwohnen. Dank MDR Kultur, MDR Klassik, Deutschlandfunk Kultur sowie Arte concert dürften es aber Zehntausende gewesen sein, die das Jubiläum der Dresdner Philharmonie per Direktübertragung im Radio, Video-Livestreams und eigenen Kanälen der Philharmonie in aller Welt verfolgen durften.

Dass mit Richard Strauss ausgerechnet der Favorit des Konkurrenz-Orchesters Sächsische Staatskapelle auf dem Programm stand, hat natürlich nicht nur mit dem geradezu bildhaften Titel „Der Bürger als Edelmann“ zu tun, sondern auch mit Besetzungsfragen. Die Orchestersuite erklang mit kammermusikalischer Raffinesse, die Streicher zelebrierten samtenen Glanz und einen Hauch Wiener Schmäh, gewürzt von wahrhaft pfiffigem Einsatz der Bläser. Wahrhaft edel.

Als zweiter Programmpunkt in diesem kurzen, aber einzigartigen Festkonzert vor leeren Reihen stand Franz Schuberts „Große“ C-Dur-Sinfonie an, die Nummer 8. Janowski und die Philharmonie gestalteten sie zu einer Feierstunde zu diesem Jubiläum, überzeugten mit ausgewogener Balance der Dynamik, überwältigender Stringenz in durchweg höchster Präzision und Prägnanz – da hätte jedes Publikum gejubelt.

Aber nein, dieser besondere Abend musste in stummem Besinnen ausklingen, war weniger ein Rückblick auf Vergangenes denn ein hoffnungsvoller Aufbruch in wieder bessere Zeiten.

Japan-Tour und Wagner-„Ring“ - einen Plan B gibt es nicht

In die Stille zurückziehen wird sich der Klangkörper aber auch jetzt nicht. Trotz für die Öffentlichkeit geschlossener Häuser sind Orchester und Chef höchst aktiv: „Für das Publikum ist Dreiviertel einer Saison weggeblieben,“ sagt Marek Janowski, „vielleicht sogar ein ganzes Jahr. Für meine Arbeit mit dem Orchester nicht, weil wir die Möglichkeit hatten und haben, Rundfunksendungen sowie CDs zu produzieren.“

Für seine zusätzliche Dresdner Saison plant der heute 81jährige Dirigent Großes, aus heutiger Sicht Undenkbares: eine Asien-Tournee. „Ich bin kein großer Freund von Orchestertourneen, das weiß das Orchester auch. Denn ich habe mit meinem Pariser Orchester ebenso wie mit meinem Berliner Orchester jede Menge Tourneen unternommen. Aber ich habe der Dresdner Philharmonie versprochen, wir machen das, wir haben die Japan-Reise jetzt fest für den Spätherbst 2022 geplant.“

Und auch ein konzertanter „Ring des Nibelungen“ von Richard Wagner steht auf den Vorhaben für Janowskis Zusatz-Saison. Einen Plan B gibt es erst einmal nicht.

  • Eine ausführliche Beschäftigung mit der 150jährigen Geschichte der Dresdner Philharmonie gestattet die soeben erschienene Festschrift zum „Jubel-Jahr“. Faktenreich, unterhaltsam, empfehlenswert.

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