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Soon-Wook Ka. Foto: Ludwig Koerfer
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Der Nachwuchs lässt die Muskeln spielen – Komische Oper im Doppelpack am Theater Aachen

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Die Stimmen wie die Gesichter. Auf der Bühne, im Graben, sogar im Parkett die Welt zwischen Zwanzig und Dreißig. So gewollt, so praktiziert am Theater Aachen seit 20 Jahren. Seitdem kooperiert man mit der Hochschule für Musik und Tanz Köln, Standort Aachen. Die letzte Opernpremiere der Spielzeit, dies der Deal, gehört den Gesangsstudenten und dem Hochschulorchester.

In diesem Fall, man war so frei, waren es gleich zwei Premieren, die da im Doppelpack gereicht wurden. Nichts Schweres sollte es sein, sauerkrautlos gewissermaßen. Weswegen man sich, naheliegend in einer frankophilen Grenzstadt, gleich zwei Mal im Großspeicher der französischen Opéra-Comique bediente.

Auf Siedetemperatur gebracht: Charles Adolphe Adam, Le Toréador

Mit „Le Toréador“ des Charles Adolphe Adam lieferte man eine jüngst noch in Bielefeld, Luzern und Wuppertal vorgestellte Ausgrabung aus dem größtenteils vergessenen Repertoire des vor-offenbach'schen Plapperstils. Wie bei Adams Meisterstück, dem „Postillion von Longjumeau“, setzte der Komponist auch hier auf die Karte Goldkehlchen. Braucht es im „Postillion“ den Tenor mit der Superhöhe, so im „Toréador“ die Sopranistin mit der geläufigen Koloratur. Eine Partie, die der jungen russischen Sängerin Larisa Vasyukhina wie auf den Leib geschrieben schien. Mühelos wurde da abgefeuert, aber auch mit den Herren Tobias Glagau und Agris Hartmanis herzerweichend im Terzett „Ah, vous dirai-je Mamam“ gesungen. Dass es drei sind, dient der Vorwärtsbewegung, dezent angedeutet im Untertitel „L'accord parfait“, der „vollkommene Dreiklang“, eine Anspielung auf die 1849 noch nicht nach Verfall, sondern Lustgewinn ausgelegte Dreiecksgeschichte ziviler Geschlechterdisposition: Junger Liebhaber bringt frischen Schwung in alte Ehe. Auch wenn Letztere ihren Kredit mittlerweile etwas aufgezehrt hat (hat neulich noch Papst Franziskus festgestellt) – in Aachen kam die augenzwinkernde Ehebruchskomödie auch deshalb so munter daher, weil Adam die ganze Anlage seiner Pièce von der Zensur befreit wusste. So konnte manches Deftige mittransportiert werden, womit allerdings der Charme dieses Nichts-drin-aber-alles-dran-Stücks kaum erklärt ist.

Dass das Immer-am-Schwank-lang Inszenieren so gut funktionierte, dies hatte der Debutant Christian Raschke (Regiedebut!) ganz dem alten Theater-Profi Adam zu danken. Ganz modern ist dessen „Toréador“ als Kontaktspiel mit dem Zuschauer angelegt. Wofür Adams Librettist Thomas Sauvage Maß ausgiebig genommen hatte an der Commedia del Arte. Die Figuren spielen und sie kommentieren, was sie spielen. Und – drücken auf die Tube. Immerhin: Wo musikalisch Konventionston herrscht, sind Entertainer gefragt. Besonders gut verstanden hat dies der lettische Bariton Agris Hartmanis. Sein Torero-Balztanz mit der in die Jahre gekommenen Ballerina brachte die Stimmung im Haus kurzfristig auf Siedetemperatur.   

Im Slapstick-Netz gefangen: Maurice Ravel, L'heure Espagnole

Nicht ganz so furios ging es zu in der Opern-Miniatur nach der Pause. Mit „L’heure espagnole“ hatte Maurice Ravels Librettist Franc-Nohain zwar ebenfalls das leichte Genre der Comédie musicale angepeilt, ohne doch die Fäden so konsequent wie Adam nicht nur ab-, sondern auch wieder aufzuwickeln. Zunächst geht es in der „Spanischen Stunde“ spiegelverkehrt zu. Es ist SIE, Concepción, die Frau des Uhrmachers Torquemada, die IHM die Hörner zeigt. Immer wenn Torquemada die öffentlichen Uhren in Toledo kontrolliert, hält Concepción ihre Schäferstündchen ab. Christian Raschke hat in einem „Modern Times“-Bühnenbild (Detlev Beaujan) Standuhren aufgestellt, in denen er abwechselnd den fülligen Bankier Don Inigo und den schwülstige Verse absondernden Dichter Gonzalve versteckt während der für die Postzustellung verantwortliche Maultiertreiber Ramiro die Galans im Uhrenversteck hin- und hertransportiert, schließlich den steckengebliebenen Don Inigo aus der Uhr befreit.

Das wirkte über Strecken nun doch zu klamottig als dass diese spanische Stunde die nötige Kurzweiligkeit entwickln konnte. Was es stattdessen gab, war viel von der Sorte unfreiwillige Komik etwa wenn der verliebte Poet Gonzalve in Gestalt des knuffigen koreanischen Sängers Soo-Wook Ka die Reime purzeln ließ. Das Anti-Symbolistische, das Ravels Librettist hier im Sinn hatte, ist uns als Hintergrund verloren gegangen, weshalb dann auch die Parodie nicht mehr funktionieren konnte und im Slapstick-Netz hängen blieb. Ungeachtet dessen überzeugte das Ensemble sängerisch, vor allem im schönen Schlussquintett, in das der betrogene Ehemann Torquemada ungerührt miteinstimmte. Wäre eine Darstellerleistung hervorheben, dann die der jungen griechischen Sopranistin Panagiota Sfroniadou als magnetisierend-männerverbrauchende Concepción. Nicht zu vergessen das Aachener Hochschulorchester. Herbert Görtz und Raimund Laufen, das dirigentische Doppelpack an diesem vollgepackten Opernabend, haben es sinnenfroh musizieren lassen.

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