Hauptbild
Wagner für Kinder. Foto: © BF Medien GmbH, Jörg Schulze
Wagner für Kinder. Foto: © BF Medien GmbH, Jörg Schulze
Hauptrubrik
Banner Full-Size

Der unbekannte Held im blinkenden Tretmobil – „Lohengrin“ als Oper für Kinder bei den Bayreuther Festspielen

Publikationsdatum
Body

Bei den Bayreuther Festspielen gibt es heuer keine Neuinszenierung. Die einzige Novität erlebte ihre Premiere vier Stunden vor Beginn der offiziellen Festspieleröffnung als bereits sechste Produktion der ausschließlich durch Sponsoren finanzierten Reihe „Wagner für Kinder“, unter der Künstlerischen Gesamtleitung von Katharina Wagner.

„Lohengrin“ auf der Probebühne IV des Festspielhauses richtet sich, wie bereits im Vorjahr „Tristan und Isolde“, thematisch an nicht an das ganz junge Publikum, das auch nur einmal ins Spiel integriert wird, als alle Besucher vor dem Königsgebet aufgefordert werden, sich zu erheben . Diesmal sind es dreizehn Kinder des Bayreuther Kinder- und Spatzenchors an der Hochschule für evangelische Kirchenmusik, die mit den namhaften Solisten auf der Bühne agieren, für die Umbauten sorgen und an wenigen Stellen – beispielsweise die erste Strophe des Brautchores – auch selbst Chorpassagen unisono singen.

Die Kostüme wurden im Rahmen eines Wettbewerbs von zwei Klassen des Friedrich-Schiller-Gymnasiums Ludwigsburg entworfen: Lohengrin zur Hochzeit in schwarzem Anzug mit Zylinder und weißen Turnschuhen, Ortrud im Schlangenleder-Imitat-Kleid und mit einer Krone aus Schlangenköpfen, Telramund mit hohem Turban.

Wie bereits in den beiden vorangegangenen Jahren zeichnet der Studiengang Maskenbild-Theater der Bayerischen Theaterakademie August Everding verantwortlich für die Maske, wobei als besonders gelungen der Schwanenkopf des jungen Gottfried heraussticht.

Ebenfalls bereits in den Vorjahren hat sich Boris Schäfer als Dirigent des Brandenburgischen Staatsorchesters Frankfurt (Oder) bewährt, neuerlich in einer reduzierten Besetzung, die wieder Marco Zdralek eingerichtet hat. Diese Bearbeitung kommt mit einer Flöte bei sonst zweifachem Holz und Blech aus, sowie mit Pauke, Harfe und Streichern in der Besetzung 4-3-3-3-2. Das klingt zumeist beachtlich originalgetreu und ist dem kleineren Raum angemessen. Das Orchester, zunächst durch vier Wände verdeckt, ist – wie in Erl – hinter dem Spielpodest (Bühne: Alexander Schulz) auf Stufen in die Höhe gestaffelt.

Das Vorspiel springt rasch von den lichten Höhen der Gralswelt zu den martialischen Klängen, mit denen Telramund (Jukka Rasilainen) und seine heidnische Gemahlin Ortrud (Alexandra Petersamer) auftreten. Elsa (Christiane Kohl) findet ein altes Märchenbuch, dem sie die Geschichte vom Ritter als Helfer in der Not entnimmt. Textbearbeiter Daniel Weber hat neben Strichen immer wieder kurze Dialoge eingebaut, um die Handlung rascher voran zu treiben. So unterbricht der König (Raimund Nolte) die Fanfaren mit den Worten, „Was ist denn hier los?“ Und Telramund kontert weinerlich: „Der kleine Gottfried ist weg!“ Die schwarz gewandete Kindergruppe unterstreicht gestisch das Wort „Brudermord“.

Der für die angeklagte Elsa als hilfreicher Streiter herbeigerufene Lohengrin fährt auf blinkenden Tretmobil herein und bringt den mit Schwanenkopf und Halskrause kostümierten Gottfried (Oskar Leo Szathmáry) auf dem Rücksitz mit. Der Schwan wird dann zwar im Text zurückgeschickt, geistert aber weiterhin in Brabant herum. Auch ohne Heerrufer ordnet der König ordentlich das Gottesgericht. Die Kinder und Telramund legen Wellpapp-Helme und bemalte Pappe Brustpanzer an. Den Zweikampf, vor dem Elsa ihren Geliebten massiert, hat Regisseurin Maria-Magdalena Kwaschik ungewöhnlich gelöst: Lohengrin baut Telramund eine Falle, indem er Bretter aus dem Spielpodest reißt – und der Kampfesgegner fällt prompt hinein. Vor der Liebeserklärung Lohengrins gibt es einen Einschnitt verliebter Blicke zwischen ihm und Elsa, bis Dirigent Schäfer soufflierend zum Weitersingen drängt.

Sofort laufen die Kinder zum Sieger über und ziehen sich rote T-Shirts, mit Buchstaben auf dem Rücken, über. Beim Vorspiel zum dritten Akt lädt Lohengrin die Angetraute zu einer Spitztour in seinem Tretauto ein. Das Brautgemach läuft als Schattenriss ab, klug verkürzt, aber offenbar für die jungen Besucher immer noch etwas zu lang.

Aus dem Buch, das – im Inneren mit einer Lampe bestückt – das Gesicht der Lesenden erhellt, erfährt Elsa, dass der fremde Ritter sie aufgrund ihrer Frage nach seinem Namen verlassen wird. Verkürzt erklingt auch die Gralserzählung, von Norbert Ernst mit schön gefüllten Piani und mit Schmelz interpretiert. Danach ordnen sich die Kinder so neben einander an, dass der Namen der Titelfigur auf ihren Rücken lesbar erscheint. Lohengrin zieht Gottfried aus einer Bodenklappe und streichelt ihm bei „Mein lieber Schwan“ den Kopf. Im Gegensatz zu Wagners Original ist Lohengrin völlig unwissend. Als Ortrud verrät, wer in jenem Schwan steckt, will er dies partout nicht glauben und versucht mit Kinderzaubersprüchen ungeschickt die Rückverwandlung. Die gelingt ihm erst, als er Gottfried die Halskrause abnimmt, die Ortrud – anstelle des bei Wagner besungenen Kettleins – zur Verzauberung um ihn gewunden hatte. Der fast nackte Knabe bekommt dann einen Bademantel angezogen. Lohengrin fährt weg, und ohne darüber an Gram zu sterben, klappt Elsa das Buch zu und freut sich der Rückkehr ihres Bruders.

Nach 5 Viertelstunden ist die Handlung vorbei und erntet dankbaren, nicht überschwänglichen Applaus.

Weitere Aufführungen:  26., 29., 30., 31. Juli, 2., 3., 4., 6. und 7. August 2013.

Weiterlesen mit nmz+

Sie haben bereits ein Online Abo? Hier einloggen.

 

Testen Sie das Digital Abo drei Monate lang für nur € 4,50

oder upgraden Sie Ihr bestehendes Print-Abo für nur € 10,00.

Ihr Account wird sofort freigeschaltet!