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Olaf Zimmermann, der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates. Foto: Hufner
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Die Freiheit der Kunst ist in höchster Gefahr

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Der Musikbereich muss auch politisch Farbe bekennen, schreibt Olaf Zimmermann, der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates in seinem Leitartikel in der aktuellen neuen musikzeitung 3/2016. „Die Allianz für Weltoffenheit sieht, dass gerade auch die Kulturfragen darüber entscheiden werden, ob Integration gelingt oder scheitert. Kulturelle Vielfalt heißt eben nicht Beliebigkeit, sondern Respekt vor anderen Kulturen und Neugier darauf und zugleich selbstbewusstes Eintreten für eigene kulturelle Traditionen und Werte.“

„Museen, Orchester und Theater sind in der Pflicht, einen positiven Bezug zur eigenen Heimat zu fördern.“ Im Wahlprogramm der Alternative für Deutschland (AfD) Sachsen-Anhalt zur Landtagswahl am 13. März steht, was wir zu erwarten haben, wenn sich diese politische Kraft in Deutschland etablieren sollte. Die Freiheit der Kunst wird sich immer mehr verflüchtigen. In Ungarn und Polen erleben wir in diesen Monaten, was das konkret für die Musiker, Schriftsteller und Bildenden Künstler, aber auch für die Intendanten der Theater und Orchester und besonders für die Mitarbeiter der Medien bedeutet. In Frankreich, unserem größten Nachbarn, befindet sich der rechtsextreme Front National (FN) auf dem Vormarsch. Die Freiheit der Kunst und der Meinung ist in Europa  in höchster Gefahr!

Rechtspopulistische und rechtsextreme Gruppierungen überall in Europa nehmen das Thema Flucht und Migration, um Feindseligkeit zu schüren und unsere freiheitlich-demokratische Ordnung und damit unsere Freiheitsrechte in Frage zu stellen. Um dieser Entwicklung etwas entgegensetzen zu können, hat sich im Februar die „Allianz für Weltoffenheit, Solidarität, Demokratie und Rechtsstaat – gegen Intoleranz, Menschenfeindlichkeit und Gewalt“ in Berlin gegründet. Mitglieder dieser Allianz sind die Kirchen und Religionsgemeinschaften, der Deutsche Gewerkschaftsbund, der Arbeitgeberverband und die jeweiligen Spitzenverbände des Sozial-, Umwelt-, Sport- und des Kulturbereiches. Der Musikbereich wird in der Allianz vom Deutschen Kulturrat vertreten. Die Allianz ist der bislang größte Zusammenschluss der organisierten Zivilgesellschaft in Deutschland.

Sie tritt ein für die Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts, einen Dialog über kulturelle, religiöse und soziale Unterschiede und die Schaffung von Räumen der Begegnung, eine solidarische und nachhaltige Politik, die allen in Deutschland lebenden Menschen gerechte Teilhabechancen eröffnet, den Schutz der Grundrechte, zu denen die Glaubens- und Gewissensfreiheit, die Kunst- und Meinungsfreiheit und das Recht auf körperliche Unversehrtheit ebenso zählen wie die Gleichberechtigung von Mann und Frau und das Diskriminierungsverbot, den Schutz aller Menschen vor Gewalt, Menschenfeindlichkeit und Fremdenhass, eine ausreichende finanzielle Vorsorge, damit die bestehenden und durch die Aufnahme von Flüchtlingen zusätzlichen Aufgaben von Bund, Ländern und Kommunen im Sinne einer nachhaltigen Integration erfüllt werden können.

Die Allianz für Weltoffenheit sieht, dass gerade auch die Kulturfragen darüber entscheiden werden, ob Integration gelingt oder scheitert. Kulturelle Vielfalt heißt eben nicht Beliebigkeit, sondern Respekt vor anderen Kulturen und Neugier darauf und zugleich selbstbewusstes Eintreten für eigene kulturelle Traditionen und Werte. Da Integration zuallererst eine kulturelle Herausforderung für die, die kommen und die, die schon da sind, ist, werden wir die Diskussion beherzter als bislang führen müssen. Über kulturelle Werte darf man sich auch heftig streiten!

Damit die Integration von hunderttausenden Geflüchteten gelingen kann, brauchen wir, so fordert es die Allianz, aber auch erheblich mehr Investitionen. Wir benötigen Investitionen in Milliardenbeträgen in die allgemeine und die kulturelle Bildung, in Ausbildung und Beschäftigung, in ausreichenden bezahlbaren Wohnraum, eine funktionierende öffentliche Infrastruktur. Es rächt sich zurzeit bitter, dass über viele Jahre die öffentliche Infrastruktur bewusst kaputtgespart wurde. Mir klingt der Wahlspruch „Privat vor Staat“ von vielen Politikern, die auch heute noch in Amt und Würden sind, im Ohr bedrohlich nach.

Auf den Musikbereich – mit seinen vielen Orchestern, Chören, seinen umfangreichen Bildungsangeboten in den Musikschulen, den Vereinen vor Ort und natürlich in den Schulen und Kitas – kommt hierbei eine besondere Verantwortung zu. Jetzt wird sich zeigen, ob das einmalige Vereinsleben im Musikbereich gerade jetzt, in Krisenzeiten, seine Stärke ausspielen kann. Kein anderer kultureller Bereich in Deutschland hat ein solch umfangreiches Netz ehrenamtlich geführter Vereine und Initiativen. Und gerade die Musik ist prädestiniert, Integrationsbrücken zu schlagen, da ihr die Sprachbarriere fehlt. Hier gibt es schon viele hervorragende Beispiele, jede weitere Initiative ist wichtig.

Doch alleine gute musisch-kulturelle Bildungsarbeit ist nicht ausreichend. Der Musikbereich muss auch politisch Farbe bekennen. Am 13. März werden die Landtage, in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt gewählt. Am 6. März ist außerdem Kommunalwahl in Hessen. Diese Wahlen werden die Richtung vorgeben, in die unser Land in den nächsten Jahren gehen wird. Die „Allianz für Weltoffenheit, Solidarität, Demokratie und Rechtsstaat – gegen Intoleranz, Menschenfeindlichkeit und Gewalt“ hat in ihrem Apell geschrieben: „Deutschland ist ein demokratisches und weltoffenes Land, eingebettet in die Europäische Union als Werte- und Wirtschaftsgemeinschaft, den universellen Menschenrechten verpflichtet.“ Wählen Sie am 6. und 13. März nur Parteien, die das nicht ändern wollen!

Der Autor ist Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates

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