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Shavleg Armasi (Méphistophélès), Richard Samek (Faust) Foto: © Andreas Lander
Shavleg Armasi (Méphistophélès), Richard Samek (Faust) Foto: © Andreas Lander
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Die Oper Magdeburg beginnt die neue Spielzeit mit Charles Gounods „Faust“

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Der Plot von Charles Gounods (1818-1893) „Faust“-Oper ist eine Kurzfassung von Goethes Faust. Der Gelehrte in der Krise ist auf den Gealterten, der wieder jung werden will, vereinfacht. Auch der französische Méphistophélès bringt es als Chef der Hölle nicht auf die dialektische Brillanz seines deutschen Tragödien-Vorbildes. Dafür steht Gretchens Schicksal im Zentrum.

Die Verführte, Verstoßene und dann Hingerichtete. Schon klar, dass diese Oper auch unter dem Titel „Margarethe“ Karriere gemacht hat. Alles steuert auf die Lovestory zwischen Faust und Marguerite zu, schwelgt ausführlich darin, lässt aber auf dem Weg dahin keine Gelegenheit für ein effektvolles, großes Chortableau aus. 

Gounods Musik von 1859 wirkt gut vernetzt mit allem, was in Frankreich und darüber hinaus um ihn herum entstand, schöpft aus dem Vollen, hatte den Erfolg beim damals entscheidenden Pariser Publikum fest im Blick. Der Text von Jules Barbier und Michel Carré kann allerdings - zumindest für deutsche Ohren - nicht mit Goethes Wortmusik mithalten. Manchmal schimmert die gleichwohl durch. Faustens berühmte Anmache etwa, sein „Schönes Fräulein darf ich‘s wagen…“, hat es auf französisch unbeschadet von Goethes „Faust“ (1806) ins Libretto geschafft. …

Die britische Regisseurin Olivia Fuchs, deren Magdeburger „Rosenkavalier“ neugierig machte, sucht offenbar eine Rückkopplung zum literarischen Vorbild. Ganz direkt auf dem Gazevorhang, wenn dort zwischen einem naturwissenschaftlichen Querbeet-Schmierzettel fürs Abitur, Kernsätze wie „Dass ich erkenne, was die Welt im Innersten zusammenhält“, „Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust“ oder „Ich bin der Geist, der stets verneint“ auftauchen. Doch die bleiben ebenso eine Behauptung wie die Regalwände für eingelegte biologische Raritäten, mit denen Niki Turner die Spielfläche auf allen drei Seiten begrenzt.

Diese Bühne lässt sich zwar effektvoll ausleuchten und bietet einen mehr (als Studierstube) oder weniger (als Gasse auf der Valentin ermordet wird) passenden Raum für die jeweilige Szene. Doch im Grunde setzt das Team vor allem mit den knallbunten Kostümen für einen Käfig voller Narren von Falk Bauer auf die große Show, samt Tanz ums Goldne Kalb und viel echtem Bein und falscher Brust …

Der musikalische Aufwand Gounods bleibt nur knapp hinter der auch so genannten Grand Opera zurück, obwohl das Ensemble, neben dem Chor, mit drei Haupt- und vier Nebenrollen auskommt. In dieser Hinsicht ist diese Saisoneröffnung ausgesprochen hörenswert. Unter ihrem neuen 1. Kapellmeister Svetoslav Borisov läuft die Magdeburgische Philharmonie zur Hochform auf, lässt es düster dräuen, schmettert die Märsche, wirft sich in die Walzer und lässt die Sänger mit französischer Eloquent scheinbar endlos schwelgen. Mit tadellos souveräner Bosheit ist Shavleg Armasi als Méphistophélès ein eleganter Spielführer in Frack und Zylinder, der mit sichtlichem Vergnügen seine teuflischen Fähigkeiten ausspielt. Richard Samek ist mit standhafter Höhe und Verwandlungsfähigkeit jener Doktor Faust, der sich im Handumdrehen vom alten Griesgram mit Gehhilfe zum Hallodri und Verführer wandelt. Dass Noa Danon die attkraktiv verführerische und verführte Marguerite glaubwürdig verkörpern würde, war klar. Doch auch Lucia Cervoni als ihr schüchterner Verehrer Siébel, Undine Dreißig als reif zupackende Frau Marthe und der markant kämpferische Johannes Wollrab als Valentin profilieren ihre Rollen in einem überzeugenden Ensemble. 

Wenn am Ende, nach Mephistos „Gerichtet“ und der himmlischen Antwort „Gerettet“, Gretchen zwischen lauter Laborkitteln verschwindet, kann man sich aussuchen, ob die Wissenschaft als Ersatzhimmel oder Teufelszeug triumphiert. Dass Faust angesichts von Gretchen Desasters im Rollstuhl landet, wirkt da wie ein Akt ausgleichender Gerechtigkeit.

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