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Der Dirigent Tung-Chieh Chuang. Foto: Tibor Pluto, HfM Weimar
Der Dirigent Tung-Chieh Chuang. Foto: Tibor Pluto, HfM Weimar
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Dirigent Tung-Chieh Chuang: Musik und Statistik haben viel gemeinsam

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Weimar - Von angewandter Statistik zum Dirigieren: Was im ersten Moment als kaum vereinbar erscheint, ist für Tung-Chieh Chuang absolut logisch. «Musik hat für mich auch viel mit Struktur und Logik zu tun», sagt der taiwanesische Nachwuchsdirigent aus der «Dirigentenschmiede» der Hochschule für Musik «Franz Liszt» Weimar.

Die Unterschiede seien nicht so groß, beides sei am Anfang «trocken und nüchtern». Erst wenn der Musiker sein Können und seine Emotionen dazu gebe, werde das Stück lebendig. Und auch Statistik, auf hohem wissenschaftlichen Niveau und mit Hingabe betrieben, werde lebendig und emotional, sagt Tung-Chieh Chuang.

Der 32-Jährige schloss nach seinem Studium für angewandte Statistik in den USA ein Diplom im Dirigieren bei dem aus Deutschland stammenden Otto-Werner Müller an - und sattelte dann in Weimar ein zweijähriges Konzertexamen drauf. Es ist der höchstmögliche Abschluss für einen Dirigenten. In seinem Prüfungskonzert zum Auftakt der Weimarer Meisterkurse begeisterte er jüngst mit jugendlichem Charme, einem Schuss Unbekümmertheit, gepaart mit klaren Anweisungen an die Musiker der Jenaer Philharmonie.

Er stammt aus einer Musikerfamilie und spielte vor seinem Abstecher in die Welt der Zahlen als Kind Horn und Klavier. An der Kunsthochschule Taipeh ist sein Vater Professor für Horn, die Mutter Professorin für Cello. «Sie rieten mir zum Studium in Weimar bei Professor Nicolás Pasquet.»

«Du berührst kein Instrument, aber trotzdem erzeugst du Klänge. Das ist Magie für mich», sagt Tung-Chieh Chuang. «Als Dirigent musst du es schaffen, die Musiker mit deinen Ideen zu fesseln und zu begeistern - ohne dass sie zu Marionetten des Dirigenten werden.» Sie müssten mit ihrer eigenen Seele ausfüllen, was der Dirigent höre. «In diesem Moment werden die Musiker zum «Instrument» des Dirigenten.»

Für Professor Pasquet hat Tung-Chieh Chuang «einen unglaublichen Klang in den Händen» und eine große charismatische und musikalische Ausstrahlung, gepaart mit der Begabung, Partituren exzellent zu durchdringen. Der junge Taiwanese ist unter den 17 Studenten im Fach Orchesterdirigieren der einzige Aufbaustudent. Die einst auf Anregung von Franz Liszt gegründete Hochschule hat den Ruf als «Dirigentenschmiede». In keiner anderen deutschen Hochschule stehen die Studenten so oft am Pult namhafter Orchester.

«Wir können uns inzwischen die Besten aussuchen», sagt Pasquet. Gewonnene Wettbewerbe und tolle Engagements ehemaliger Weimarer sprechen für sich: David Afkham, der vor Tung-Chieh Chuang als Nachwuchsdirigent begeisterte, ist inzwischen Chefdirigent des Spanischen Nationaltheaters in Madrid. Daniel Huppert ist Chefdirigent der Mecklenburgischen Staatskapelle Schwerin, Johannes Klumpp Chefdirigent am Folkwang Kammerorchester Essen.

Tung-Chieh Chuang schwärmt vom «langsamen Weimar»: Hier habe er ideale Bedingungen und die Ruhe gefunden, um sich zu 100 Prozent auf das Konzertexamen vorbereiten zu können. Drei Wettbewerbe gewann der 32-Jährige in diesem Jahr, darunter den Solti-Dirigierwettbewerb in Frankfurt/Main und den renommierten Malko-Wettbewerb in Kopenhagen. Neben hohen Preisgeldern bescherten sie ihm jede Menge Anschlusskonzerte mit namhaften europäischen Orchestern wie in Stockholm, Oslo, München oder Wien. «Ich mag eigentlich keine Wettbewerbe» gesteht er. «Sie sind aber ein Schlüssel zur Karriere.»

Die Tür steht weit offen, nachdem die Top-Konzertdirektion Schmid in Hannover den jungen Taiwanesen kürzlich unter Vertrag genommen hat. Tung-Chieh Chuang steht damit auf einer Liste mit gestandenen Dirigenten wie Sir Neville Marriner oder Jungstars wie Andris Nelson. Eines der ersten Dirigate wird ihn im Oktober zum Konzerthaus-Orchester Berlin führen, wo er auf seinen jüngeren Bruder trifft. Der spielt dort das tiefe Horn.

 

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