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Veronika Winter (Witwe/Engel); Rheinische Kantorei, das Kleine Konzert, Hermann Max. Foto: Martin Roos
Veronika Winter (Witwe/Engel); Rheinische Kantorei, das Kleine Konzert, Hermann Max. Foto: Martin Roos
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„Elias“-Experimente – Knechtsteden Festival Alte Musik macht von sich reden

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Kein Festivalbetrieb ohne diese Frage: Wie (immer wieder) neue Aufmerksamkeit herstellen für die alten Schlachtrösser der Konzertliteratur? Dabei hatte Hermann Max sein Ziel am Ende erreicht, konnte er doch sein Publikum „mit dem Gefühl nach Hause“ entlassen, ihm den „Elias-Mythos glaubhaft, natürlich und spannend“ erzählt zu haben. Nur eben trotz, nicht wegen dieses Regieeinfalls, um den man in Knechtsteden so viel Wind gemacht hatte: Maskierte Solisten.

Wie so oft in jüngerer Zeit in unserem um Publikumsgunst und Fördergelder buhlenden Theaterwesen landauf, landab – das „Konzept“ stets sehr ausgeprägt, beredsam, theaterphilosophisch gesehen up to date. Kommt es dann zum Praxistest, ist die Luft schnell raus. Wie in diesem Fall. Die Alt-Männermasken, die sich Cora Sachs für die Solisten dieses „Elias“ hatte einfallen lassen, schienen die Betreffenden denn auch mehr zu irritieren als zu motivieren. Matthias Vieweg, Ursula Eittinger, Veronika Winter, Markus Schäfer – sie alle hatten ihre liebe Not, wussten kaum etwas anzufangen mit der bemalten Pappmaché, in deren „Schutz“, so Hermann Max, „die Protagonisten enorm an Ausdruckskraft gewinnen“ würden.

Die Wahrheit war: Letztere brauchten solcherart Versteckspiel gar nicht. Ausdruckskraft hatten sie (dank eines historisch bestens informierten Dirigenten) ohnedies und sowieso. Umgekehrt: So sehr seine Sänger-Darsteller lebendige Vorstellungen davon hatten, was ein zorniger Prophet im Spannungsfeld von Freunden, Widersachern und einem eifernden Gott empfindet und wie all dies zu vermitteln sei (als gelebtes, nicht als zitiertes Gefühl) – die verordneten Requisiten schienen sie dabei eher zu behindern. Mal sah man sie mit Maske das Podium betreten, dann wieder ohne. Mal hatten sie die vermeintlichen Ausdruckskraft-Verstärker unterm Arm, mal zogen sie sie während des Vortrags gar nicht über, dann wieder ab – und jedes Mal fragte man sich: Warum jetzt dies? Bis zum Schluss wurde man nicht schlau, nach welchem Muster und nach welcher Idee maskiert und demaskiert wurde in Knechtstedens ehrwürdiger Klosterbasilika. Das Wahrscheinlichste war: Die Vier wussten es selber nicht. So erschien diese Aufführung zwar durchaus dramaturgisch inspiriert, ohne doch dramaturgisch konzipiert, geführt zu sein. Selbst recht klare Hinweise, die Mendelssohn in sein Libretto hineingeschrieben hatte, blieben unbeachtet.

Sagt etwa Elias vor seiner großen „Es ist genug“-Arie zu Obadiah: „Bleibe hier, du Knabe“ (Zweiter Teil, Nr. 25) – schon machte sich Markus Schäfer (in diesem Fall mit Maske – Vorsicht Stufe!) von dannen, nur um für Nr. 27 doch wieder nach oben zu kommen, um uns den Schlaf des Propheten „unter dem Wacholder in der Wüste“ mit bevorstehendem Engel-Terzett anzusagen.

Zeichen, Gesten, Bewegungsformen –

auch die Dramaturgie des szenisch ausgedeuteten Oratoriums, geht von innen nach außen, entwickelt sich aus musikalischer Handlung und Handeln. Sollte sie zumindest. Wieviel in dieser Hinsicht noch geleistet werden kann, offenbarte eigentümlicherweise eine musikalisch so hochstehende Aufführung wie die des Eröffnungsabends beim diesjährigen Knechtsteden-Festival. Vom Gänsehaut-Crescendo der Ouvertüre, für die Hermann Max den romantischen Unnmerklichkeits-Schweller seines Orchesters so genial niederdrückte bis zum Moment, wo er des Propheten „feurigen Wagen“ samt „feurigen Rossen“ anrollen ließ – alles, was Klang war, stand im Dienst jener verlebendigenden Anschauung, die dem Komponisten für dieses opus summum vorschwebte und einer Max-AG aus „Kleinem Konzert“, „Rheinischer Kantorei“ und einer bis in den Chor exzellent besetzten Sängerriege Herzensanliegen war: Die federnd-fordernde Zeichensprache ihres Gründungsdirigenten übersetzt ins Dramatisch-Lyrische mit Folgen für die Körpersprache, für die Mimik vor allem. Weswegen es kontraproduktiv war, ausgerechnet den auf den Gesichtern sich spiegelnden Ausdruck wieder hinter Masken verschwinden machen zu wollen.

Andererseits aber war es doch so, dass dieser „Elias“ seine Überzeugungskraft aus einem Oratorien-Musizieren bezog, das aus dem Geist des Liederabends und der Oper geschöpft war. Was bewegt, muss erscheinen im Klangbild. Dass Hermann Max dafür im Kleingedruckten der Packungsbeilage auf Mendelssohns Berufungsinstanz verwies, auf Carl Philip Emanuel Bach, war fast unnötig. Man hörte es.

Ebenso allerdings die Bruchkante nach erfolgter Himmelfahrt, dem eigentlichen Finale dieses bis heute so beliebten Oratoriums. Von dort ab nämlich entfaltete der Schwung dieser Aufführung seine ganz eigene Dialektik. Verstärkt ward auf einmal nicht die Dramatik, sondern die Predigt und damit das Statuarische. Wobei es keine Rolle spielt, ob es nun Mendelssohns Hilfs-Librettist, ob es der Dessauer Pfarrer Schubring gewesen war, der die ja nur leicht camouflierten christologischen Visionen gefordert hatte oder ob Mendelssohn selber dafür verantwortlich zeichnete – das Problem des „Elias“ ist eben dieser Schluss nach dem Schema: „Verheißung“ im Alten, „Erfüllung“ im Neuen Testament. Womit der dramaturgische Ehrgeiz in Knechtsteden schließlich doch noch gewürdigt wäre. Denn dafür wären sie schon nötig, die Lösungsangebote für etwas, wovon sich mittlerweile auch eine wissenschaftliche Theologie gelöst hat. Und, wer weiß, vielleicht steht den Masken dieser Festivalrunde dann doch noch ein ganz neuer Einsatz bevor?

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