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Salzburger Bachchor Foto: © Matthias Creutziger
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„In die Herzen gespielt“ – Die Sächsische Staatskapelle bei den Osterfestspielen in Salzburg

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Dort arbeiten, wo andere Urlaub machen. Gut vierzig Jahre lang haben sich das die Berliner Philharmoniker regelmäßig zu Ostern geleistet, seit 1967 ihr damaliger Chef Herbert von Karajan die Osterfestspiele Salzburg ins Leben rief. Nun arbeiten sie dort, wo andere kuren und zocken. In Baden-Baden. Salzburg ist seit vorigem Jahr fest in Händen von Christian Thielemann und der Sächsischen Staatskapelle. Eine Bilanz.

Es ist ja immer ein Risiko, mit Ritualen zu brechen. So auch in Salzburg. In Salzburg besonders! Schließlich spielt Tradition hier eine übergeordnete Rolle. Nicht nur die Trachten künden davon. Als die Berliner Philharmoniker und Simon Rattle 2012 relativ kurzfristig beschlossen, ihre Ostertage fortan in Baden-Baden verbringen zu wollen, hielten sich Entsetzen und Aufatmen so ziemlich die Waage. Damit war einerseits das seit seiner Gründung 1967 durchgängig von den Berlinern bespielte Elitefestival zum ersten Mal in seiner Geschichte offen für einen anderen Klangkörper – natürlich schielten ganz rasch auch die Wiener darauf –, andererseits wünschte man viel Glück auf den Weg. Die Berliner ohne Karajan, ohne Abbado – sollen sie ziehen. Und überhaupt, wo oder was bittschön ist Baden-Baden?

Nun gut, ob man damals einen Ort namens Dresden wirklich besser gekannt haben mag, bleibt mindestens fraglich. Dass Salzburg und Sachsens Landeshauptstadt seit 1991 durch eine Partnerschaft verbunden sind, hat bei der Wahl der Orchesternachfolge gewiss keinerlei Rolle gespielt. Aber von dort kam sehr schnell die Bereitschaft, den Osterurlaub künftig zu streichen und die österliche Zeit vorerst in Österreich zu verbringen. Bis 2017 währt der gemeinsame Vertrag, dann werden die Osterfestspiele 50 Jahre bestehen.

Natürlich wird jetzt schon gemunkelt, ob Christian Thielemann auch danach noch zu Ostern in Salzburg den Ton angeben wird – und wenn ja, mit welchem Orchester. Rattle verlässt Berlin bekanntlich zu 2018.

Bilanzen

Doch heute ist erst einmal Gelegenheit zu handfesten Bilanzen, statt im Kaffeesatz von übermorgen zu lesen. Schließlich ist der Festspieljahrgang 2014 mit dem Ostermontag Geschichte. Dann setzt „Arabella“ von Richard Strauss den Schlussakkord und zugleich das Zeichen dafür, wer dieses Jahr im Mittelpunkt gestanden hatte. Die kompositorischen Zutaten bestanden ausschließlich aus dem Jubilar Richard Strauss, aus dem Salzburger Meister und musikalischen Lokalmatadoren Wolfgang Amadeus Mozart sowie aus Wolfgang Rihm, dem derzeitigen Capell-Compositeur der Sächsischen Staatskapelle. Die stellte die Mannschaft, Christian Thielemann den Chefkoch und Wolfgang Eschenbach als Gastdirigent sorgte für zusätzliche Geschmacksrichtungen.

Je zweimal die Oper „Arabella“, je zwei Orchesterkonzerte beider Dirigenten, zweimal ein Kammerkonzert sowie als Unikate ein Chorkonzert zum Gedenken an den 25. Todestag von Herbert von Karajan (am 16. Juli) und das „Konzert für Salzburg“ – das macht in nur neun Spieltagen eine Gesamtaufführungszeit von rund 24 Stunden aus. Osterurlaub sieht anders aus. Hinzu kam noch als Familienangebot die „Kapelle für Kids“, eine Novität der Dresdner, um auch die Jüngsten an klassische Musik heranzuführen. Diesmal bot man eine launige Präsentation von „Till Eulenspiegel“ und erntete wieder heftigen Zuspruch.

Die ebenfalls stets gut besuchten Konzerte im Großen Festspielhaus (die jährliche Auslastung liegt bei etwa 90 Prozent, mit einer, jawohl: Reduzierung der Kartenpreise soll die Quote im nächsten Jahr weiter erhöht werden) standen allesamt im Zeichen von Mozart, Strauss und Rihm, boten dem Auditorium (auf immerhin 2.300 Plätzen) dennoch ziemliche Vielfalt.

Tondichtungen wie „Don Quixote“, „Don Juan“ und „Zarathustra“ hätten ein unterschiedlicheres Spektrum kam ausmalen können, da das Herangehen von Eschenbach einerseits und Thielemann andererseits doch ganz verschiedene Klangbilder zeitigt. Eschenbach macht in Eile, was gerade bei Mozarts „Giovanni“-Ouvertüre die Opulenz der Themen etwas verdeckt, Thielemann bleibt kapellmeisterlich und kümmert sich um Instrumentalsolisten, als wären es Sänger. Von diesem Herangehen hat insbesondere Maurizio Pollini profitiert, der stürmisch juvenil durchs Klavierkonzert KV 467 in C-Dur galoppierte. Im selben Konzert sang Anja Harteros die „Letzten Lieder“ von Strauss – und das waren diesmal fünf an der Zahl. Das erst 1982 entdeckte Klavierlied „Malven“ hatte Wolfgang Rihm nachträglich orchestriert, dieses kurze Auftragswerk von Osterfestspielen und Staatskapelle wurde nun uraufgeführt und fügte sich harmonisch in den bisher nur als Quartett bekannten Reigen. Rihm gelangen damit gleichermaßen Reverenz und Kommentar zu Strauss. Und Anja Harteros? Blumen unter ihre Füße! So eingängig zart, so innig verbunden will man die Strauss-Lieder hören.

Ganz sanglich wurde auch das Karajan-Gedenken gestaltet – Rihms „Ernster Gesang für Orchester“ mit den Strauss-“Metamorphosen“ als kluge Brücke, über die zum richtig furiosen Mozart-Requiem geleitet worden ist. Man hörte, wie Thielemann auch in dieser Musik seinen eigenen Ton findet.

Das „Konzert für Salzburg“ teilte er sich mit Eschenbach. Beide boten wieder Mozart und Strauss, hätten wohl gern auch Thomas Hampson als angesagten Solisten begleitet, durften sich aber, weil dem ärztliche Schonung verordnet war, über die Entdeckung der diesjährigen Festspiele freuen. Hanna-Elisabeth Müller, schon als Zdenka in „Arabella“ über die Maßen gefeiert, sprang kurzentschlossen ein und sang sich mit zwei Orchesterliedern von Strauss sowie als Pamina („Ach, ich fühl's“) und „Figaro“-Gräfin („E Susanna …/ Dove sono …“) in die Herzen des Publikums.

Dirndl-Dichte

Dass hier die Dirndl-Dichte besonders hoch war, lag am besonderen Charakter dieses Konzerts, das sich mit Preisen bis maximal 70 Euro (sonst kosten Orchesterkonzerte mehr als das Dreifache) vor allem an die Einwohner der Festspielstadt richtet. Kein Wunder, dass da noch zusätzliches Gestühl in den Saal getragen werden musste.

Das Kammerkonzert fand traditionsgemäß im Mozarteum statt und zeugte von der Brillanz der Kapellmusiker auch in der kleinen Form. In unterschiedlichen Besetzungen wurden wieder Werke der drei diesjährigen Festspielkomponisten geboten, ein Wiedersehen mit Christoph Eschenbach am Klavier – und eine so kontrastreiche von in sich schlüssige Form des intimen Musizierens präsentiert.

Wer bei diesem hochwertigen Angebot noch immer kulturelle Vakanzen in sich verspürte, konnte die wenige freie Zeit im Landestheater Salzburg verbringen und dort etwa der Premiere von Peter Handkes „Die schönen Tage von Aranjuez“ sowie einer Repertoirevorstellung von Tschaikowskys „Eugen Onegin“ beiwohnen. Er hätte das Sprechstück in der Regie von Michael Bleiziffer als etwas zu herbstlich lauen „Sommerdialog“ erlebt und sich in der Oper über eine wunderbare Zhala Ismailova als Tatjana gefreut. Freilich wären ihm dort die überkommenen Festspielrituale nicht begegnet. Also keine Geschäftstermine und -essen während der Pausen und nach den Vorstellungen, kein Warten im vorgefahrenen Automobil, dessen Fond manche Persönlichkeiten erst dann verlassen, wenn sich genügend Fotografen vorm Wagenschlag versammelt haben.

Verjüngung

Dennoch tut den Osterfestspielen Salzburg die im Vorjahr gestartete Verjüngung recht gut. Das Risiko des Neubeginns ist vollends aufgegangen. „Thielemann und die Staatskapelle Dresden haben sich sofort in die Herzen der Menschen gespielt“, brachte es Festspiel-Intendant Peter Alward auf den Punkt. Der sollte es wissen, schließlich war er als langjähriger künstlerischer Leiter des Plattenlabels EMI bereits eng mit Karajan vertraut, hat Thielemann beizeiten als dessen Assistenten kennengelernt, und begleitet seit 2010 die Geschicke dieses immer noch als Elitefestival verrufenen Musikfestes. Dessen Eigenart rührt aus völlig anderer Zeit, Karajan konnte auf Gagen verzichten und lockte derart viele Gönner nach Salzburg, dass noch heute deren Engagement im Förderverein nebst erheblichen Einnahmen aus Kartenverkäufen einen Gutteil der Kosten bestreitet. Die Subventionsquote der Osterfestspiele liege bei nur zwölf Prozent, die der Salzburger Sommerfestspiele sei doppelt so hoch, hieß es von den Veranstaltern.

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