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Foto: Zlatko Mićić
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„Neben Shakespeare etwas Breakdance“ – 35 Jahre Basel Sinfonietta

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Auch wenn die literarische Welt in diesen Tagen den 400. Todestag des englischen Dichters feiert, stammt die Schlagzeile aus dem Juni 1992, als Basel Sinfonietta noch mit ein wenig Radau auf sich aufmerksam machen musste. Doch diese Zeiten sind vorbei. Und aus der Idee des jungen Trompeters Ruedi Lindner und seinem Studienkollegen, dem Bassisten und Dirigenten, Joel Jenny, ein basisdemokratisches Orchester zu gründen, ist nach 35 Jahren ein in der Schweiz und dem europäischen Ausland anerkanntes Spezialensemble mit Schwerpunkt auf das Zeitgenössische geworden.

Das Programm der Jubiläumssaison steht unter dem Motto „Epicycle“ und will zeitgenössische Musik jenseits des klassischen Konzertsaals und Repertoires präsentieren. Dazu wurde erstmals vom Orchester mit Baldur Bönnimann ein Principal Conductor berufen, der mit dem Klangkörper neue Wege gehen möchte. Dieser Neuaufbruch fällt in eine Zeit, in der Basel Sinfonietta sich wieder einmal um die finanzielle Zukunft sorgen muss. Der bescheidene Etat von 1,5 Mio Schweizer Franken kommt vor allem von der Stadt und den Umlandgemeinden Basels und muss erneut für weitere drei Jahre bewilligt werden.

Von diesen Sorgenwolken ist den Orchestermusikern und Musikerinnen bei ihrem Konzert „Epicycles 5 Wohnzimmer Griechenland – Kuchenkäschtli trifft Tzatziki“ jedoch nichts anzumerken. Unter der Leitung des Kaliforniers Jonathan Stockhammer präsentieren sie Neues und Unbekanntes neben drei Uraufführungen von István Zelenka, Antoine Beuger und dem jungen Basler Komponisten Lukas Huber.

István Zelenka: „raumdeutung zwei – eine einladung“

Der 1936 in Budapest geborene István Zelenka lebt seit den 60er Jahren in der Schweiz und betätigt sich, neben dem Komponieren von Musik, auch als Performer und verfertigt Bilder mit Hilfe von Computern. Seine Musikperformances, die ein wenig an den großen Mauricio Kagel erinnern, nehmen oft Bezug auf den Raum, so auch sein uraufgeführtes Werk „raumdeutung zwei – eine einladung“. Das Stück beginnt lange vor dem eigentlichen Konzert im Wohnzimmer der Musikerinnen und Musiker, das man sich in den Fluren des Basler Stadtcasinos vorzustellen hat. Während das Publikum Platz nimmt zücken drei Musiker ihre Handys, um die Geräuschkulisse ins Innere zu übertragen. Vorausgegangen ist dem 12-minütigen Werk eine einstündige Klangfolge, die durch längere Stillen dreimal unterbrochen wird.

Im Entree liegen Bleistift, Bindfaden und Kerze. Eine Geige knarzt und das Ganze beginnt mit Stampfen, Klatschen und Murmelspiel. Gedichtfragmente und Kochrezepte bilden die darüber liegende Geräuschkulisse – und wie aus dem Nichts setzt das Orchester mit einer Klangentfaltung ein: das Publikum ist eingeladen zum nächsten Konzert. Dabei gelingt es Zelenka das Nebeneinander alltäglicher Klangwelten mit der konzertmäßigen Aufführung fünf und 11, höchsten 15 Sekunden langer Fragmente so zu verbinden, dass ein spannungsvolles Ganzes entsteht.

Antoine Beuger: „On Conituity“

Die Kompositionen des Niederländers Antoine Beuger beschäftigen sich in vielfältiger Weise mit dem Phänomen der Stille, deren Beginn und Verschwinden. In „On Conituity“ für Orchester, der zweiten Uraufführung des Abends arbeitet er mit langen, leise ausgehaltenen Tönen, die das Ohr des Zuhörers schärfen sollen und den „Beginn“ der Musik zum Ereignis machen. In der Stille verwoben auch seine 2007/2008 entstandenen Lieder, aus denen für Basel eine Auswahl erklang, und bei denen die mit der zeitgenössischen Musik bestens vertraute Marianne Schuppe das Verschmelzen von Stimm- und Orchesterklang in stupender Weise vermitteln konnte

Lukas Huber: „Tzaudanne“

Mit „Tzaudanne“ für Orchester des jungen Schweizer Komponisten Lukas Huber wagte sich Basel Sinfonietta an eine Uraufführung, die sich mit prozesshaftem Erleben beschäftigt. Das circa 10-minütige Werk stellt die Klangfarben der Holzbläser als Innen denen als Außenwelt empfundenen der Streicher, Blechbläser und Schlagzeuggruppen gegenüber. Als Blick zurück präsentierte der Abend zwei Werke des früh verstorbenen griechischen Komponisten Jani Christou (1926–1970), die sich mit den Klangwirkungen des Klaviers (Stefan Wirth) auf je eigene Weise auseinandersetzen.

Wie beim Rundgang durch den soeben eröffneten Neubau des Kunstmuseum Basel stellen sich an diesem gelungenen Konzertabend parallele Eindrücke des Zeitgenössischen in der bildenden Kunst, der Malerei und der Musik ein: auch das Zeitgenössische altert und verstaubt. Was einst Tabubruch war, ist heute gewöhnlich und hat eine falsche Patina angesetzt. Es ist nicht das geringste Verdienst von Basel Sinfonietta diese musikalische Bandbreite zu hegen und zu pflegen.

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