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Daniel Moon als Macbeth in der Oldenburger Verdi-Produktion. Foto: Stephan Walzl
Daniel Moon als Macbeth in der Oldenburger Verdi-Produktion. Foto: Stephan Walzl
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Puppen, überall Puppen: Verdis „Macbeth“ am Oldenburgischen Staatstheater

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Nadja Loschky stellt in ihrer Oldenburger Inszenierung von Giuseppe Verdis „Macbeth“ die Kinderlosigkeit des Mörderpaares in den Mittelpunkt. Ute Schalz-Laurenze berichtet von der Premiere.

„Die Schlafwandlerszene allein kostete mich drei Monate Einstudierungszeit: (…) morgens und abends versuchte ich jene zu imitieren, die im Schlaf sprechen, Worte stammeln (wie Verdi es mir vorschrieb), fast ohne die Lippen zu bewegen, den Rest des Gesichts unbeweglich zu lassen, einschließlich der Augen. Es war zum Verrücktwerden! Das Duett mit dem Bariton (…) wurde ohne Übertreibung mehr als einhundertfünfzigmal geprobt, damit es mehr gesprochen als gesungen ist, wie der Maestro sagte“. Das schrieb Marianna Barbieri-Nini anläßlich der Uraufführung von „Macbeth“ von Giuseppe Verdi (1847). Wären solche Proben jetzt auch am Staatstheater Oldenburg möglich gewesen, vielleicht wäre dann das Ergebnis überzeugender geworden.  

In Oldenburg, dem kleinsten Staatstheater Deutschlands, hatte jetzt die zweite Fassung von Verdis „Macbeth“ (1865) Premiere, wobei Neufassung eher irreführend ist: die Einfügung eines Ballettes, eines Duettes zwischen der Lady und Macbeth und anderes ändert die Konzeption nicht wirklich und ist außerdem in heutigen Aufführungen Standard. Es gibt zunächst einmal an dieser Inszenierung von Nadja Loschky zu loben, dass sie vollkommen verständlich ist, dass sie keinerlei Ecken und Kanten bietet, bei denen man sich fragt: „Was heißt das denn jetzt?“. 2015 mit dem Götz Friedrich-Preis ausgezeichnet, bietet sie fein ausgedachte, unaufdringliche Zeichen einer weiblichen Handschrift (obschon sich das natürlich auch Männer ausdenken könnten): die Lady strickt viel und weit reichen die vielen Fäden, die sie zieht.

Loschky betont die Kinderlosigkeit des Mörderpaares, indem die Lady am Anfang hochschwanger ist und angesichts des Mordes an Duncan eine Fehlgeburt erleidet. Überall liegen gestrickte Puppen herum, die das Thema der Kinderlosigkeit immer präsent halten. Und sie stirbt nicht von allein wie bei Verdi, sondern Macbeth bringt sie um. Die Hexen kleben und leben am Symbol eines übergroßen Eies, das später zerbricht und aus dem die zukünftigen Könige kriechen. Die Hexen in Unterwäsche oder Nachthemden sind diesselben wie die Gäste der Festtafel anlässlich der Krönung und betonen so unterschwellige und übersinnliche weibliche Macht. Zusammen mit den Männern sind sie auch der Klagechor der schottischen Flüchtlinge: dies wird in archaischer Größe an der Rampe gesungen. Überhaupt dieser Frauenchor: alles individuelle Persönlichkeiten, die ihre Charaktere in unterschiedlichen wunderbar durchgehaltenen Körperhaltungen zeigen – eine große Leistung, die der Tasache gerecht wird, dass Verdi bis dahin nie so groß für Chor geschrieben hat.

Was in der Inszenierung – die mit Ovationen bedacht wurde – leider fehlt, ist eine präzisere Durcharbeitung der kaputten Psychen. Immer wieder verfallen die Lady und auch Macbeth bei guten Ansätzen in eine nichtssagende „Alltagshaltung“, die körperliche Spannung ihrer tödlichen gegenseitigen Abhängigkeit verläuft oft in Beliebigkeit. Die Szenenwechsel sind manchmal unrhythmisch und zäh, die in den mit nur wenigen Requisiten ausgestatteten Bildern anfängliche Spannung verliert sich oft schnell (Bühne Daniela Kerck). Vielleicht haben Proben gefehlt, denn auch im diffizilen Gesang wird die neue, so realistische Musiksprache – Verdi: „ich wünsche, dass die Lady überhaput nicht singt, (…) ich möchte eine rauhe, erstickte, hohle Stimme, (…) sie soll etwas Teuflisches haben...!“  – nur andeutungsweise erreicht. Der Gast Raffaella Angeletti als Lady singt schön, eben zu schön. Daniel Moon als Macbeth singt gut, mächtig und auch schön, lässt aber ebenfalls seelische Differenzierungen und Klangnuancierungen weitgehend vermissen. Überzeugend besetzt waren Banquo, Macduff und Malcolm (Ill-Hoon Choung, Emmanuel Mendes und Philipp Kapeller).

Das Orchester des Oldenburgischen Staatstheaters klang unter dem neuen Generalmusikdirektor, dem Esten Hendrik Vestmann, ausgesprochen vielversprechend. Verdi verlangt eine Wucht und Grellheit der Orchesterfarben, die das Drama selbst sind und die auf ein völlig neues Opernverständnis verweisen als die mehr oder weniger gemütliche Begleitung von Belcanto-Gesang. Einige heftige Wackligkeiten mit dem Chor werden sich noch ausgleichen lassen. Bei aller Problematik: eine tolle Leistung!

Weitere Aufführungen: 21. und 29.9., 2., 16., 21. und 28. 10.

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