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Wagner-Ausstellung in München.
Wagner-Ausstellung in München.
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Sensationelle Funde zu Wagner: Entdeckungen in der Wagner-Ausstellung des Deutschen Theatermuseums München

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Den Titel „Wagner-Stadt“ hat in Konkurrenz zu Bayreuth immer auch München reklamiert: Seit der „Rettung“ des verschuldeten und erfolglosen Komponisten durch König Ludwig II. und vier Uraufführungen, seit der Erbauung des an Bayreuth angelehnten „Prinzregententheaters“ und Wagner-Festspielen seit 1901. Da musste sich das zwar räumlich beengte, aber über reiche Theaterschätze verfügende Deutsche Theatermuseum natürlich herausgefordert fühlen.

Bis Oktober wird nun auf drei Etagen eine medial fast überbordende, viel Zeit erfordernde Ausstellung gezeigt: „Von der Welt Anfang und Ende – Der Ring des Nibelungen in München“ – klingt enggefasst, ist aber weit gespannt: Hier wurden – nach „Tristan“ und „Meistersinger“ nämlich 1869-70 auch „Rheingold“ und „Walküre“ uraufgeführt -  gegen den Willen Wagners, der die ganze Tetralogie nur in Bayreuth zeigen wollte. Seither gibt es, das zeigt die Ausstellung, eine große und vielfältige Münchner Aufführungstradition.

In 14 fließend in einander übergehenden „Stationen“ spannt sich der Bogen von der Begegnung Wagner-Ludwig II. 1864 bis zur letzten „Ring“-Inszenierung durch Andreas Kriegenburg 2012-13: Fotos, bestechend aufbereitete alte und neue Tondokumente, Fotos, Kostümpuppen und über 50 Tablets und Monitore mit aussagekräftigen Ausschnitten aus vielen anderen Aufführungen. Bemerkenswert: So widerwärtig auch heute der „Protest der Richard-Wagner-Stadt München“ gegen Thomas Mann noch wirkt – die beiden „Ring“-Inszenierungen während der NS-Zeit betonen zwar den „Helden Siegfried“, tragen aber sonst keine „braunen Kultur-Stempel“.

Kuratorin Birgit Pargner war in Museen und Theaterarchiven zwischen Wien und Köln auf der Suche. Doch ausgerechnet der Beleuchtungsmeister der Münchner Staatsoper sagte „Da haben wir auch noch was Altes!“ – und Birgit Pargner hatte eine kleine theatergeschichtliche Sensation vor sich: 8 alte, handtellergroße Dia-Platten, holzgerahmt, mit Nutzungsspuren: „Das sind historische Projektionsplatten aus dem 19.Jahrhundert mit der Darstellung des „Walkürenritts“. Die sind offensichtlich technisch so umgesetzt worden wie damals in Bayreuth anhand der Entwürfe von Carl Emil Döppler und wurden eingesetzt.“ Das „Wer?-Wann?-Wie?“ müssen nun Theaterwissenschaftler klären. Diese bislang nur aus Bayreuth bekannte Innovation also auch in München - Birgit Pargner: „Diese statischen Darstellungen reitender Walküren wurden auf einen Wolkenhintergrund projiziert. Wir haben versucht dies nachzuempfinden mit einem Wolkenhintergrund aus einem Gemälde von Turner und von Caspar David Friedrich. Das sieht wirklich sehr überzeugend aus – und macht klar: Wagner dachte mehr an eine visionäre Umsetzung dieser Walküren-Erscheinung als an eine körperlich umgesetzte: König Ludwig hat damals seine als Walküren maskierten Stallburschen auf Pferde gesetzt, die über dicke Teppiche geritten sind – also so hatte sich das Wagner eigentlich nicht vorgestellt…“ So nahe München also dem Willen des Wagners bleiben wollte – und damit die auch in der Ausstellung gezeigten Bühnen-Innovationen eines Adolphe Appia oder Alfred Roller überging: technisch wollte man „up-to-date“ sein.

Mitkurator Robert Braunmüller belegt in seinem fundierten Aufsatz im zur Ausstellung erschienen Buch den grundsätzlichen personellen wie szenischen „Traditionalismus“ der Münchner Wagner-Aufführungen bis 1987, bis zur „Ring“-Inszenierung durch Nikolaus Lehnhoff. Doch Braunmüller verweist auf eine zweite Überraschung: 1971 - also vor dem innovativen „Melchinger-Ring“ in Kassel 1972, vor Joachim Herz in Leipzig 1984 und Chéreau in Bayreuth 1976 – inszeniert Ulrich Heising im Werkraum der Münchner Kammerspiele den „Ring“-Text als Sprechdrama: Voller Ironie und Sozialkritik auf den Industriekapitalismus des 19.Jahrhunderts – ein Durchbruch, auf dem viele spätere Regie-Konzepte aufbauen. All das ist nun in München zu bestaunen, zu hören, zu sehen und zu lesen: Der Theaterfreund muss wohl einen ganzen „Wagner-Tag“ einplanen – mitsamt Erholung im wunderschönen Hofgarten vor der Tür des Deutschen Theatermuseums in München.

(Die Ausstellung läuft von 17.05. bis 20.10.2013 jeweils Dienstag bis Sonntag, alles unter www.deutschestheatermuseum.de)

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