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Walter Braunfels. Foto: DSO
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Walter Braunfels’ Berlioz-Variationen in der Fassung von Manfred Honeck als deutsche Erstaufführung

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Mit den „Phantastischen Erscheinungen eines Themas von Hector Berlioz für großes Orchester“ versuchte Walter Braunfels, Richard Strauss in der Kunstform der Symphonischen Dichtung zu überbieten, was ihm mit seinem Opus 25 auch auf Anhieb gelungen ist. Zugleich aber leistete er damit seinen umfangreichsten Beitrag zur Form der symphonischen Gattung. Als 5-sätzige Symphonie deutete bereits R. Zimmermann diese Komposition am 1. Juni 1923 in der Neuen Musik-Zeitung.

Berühmte Dirigenten pflegten Braunfels’ originelles symphonisches Unikum international in ihren Programmen – so etwa Bruno Walter in New York und Wilhelm Furtwängler in Wien – bis das Dritte Reich Braunfels’ Kompositionen verstummen ließ.

In seinem parallel zu seiner Oper „Die Vögel“ entstandenen Orchesterwerk mischt Braunfels Max Regers Praxis, etwa in dessen „Hiller-Variationen“, mit Strauss’ Vorgehensweise in den „Phantastische(n) Variationen über ein Thema ritterlichen Charakters“ seines „Don Quixote“: Mit dem Floh-Lied aus Berlioz’ „La damnation de Faust“ wählte Braunfels eine in sich bereits überaus skurrile, in der Begleitung ihrer drei Strophen stark variierende Komposition, die er in 12 variativen „Erscheinungen“ nach allen Regeln der Kompositionskunst bis in ihren Mikrokosmos hinein auslotet und zu einem gut 40-minütigen nachromantischen Klanggebilde ausbaut.

Manfred Honeck, der sich Kompositionen von Walter Braunfels wiederholt mit Erfolg angenommen hat – so den „Szenen aus dem Leben der heiligen Johanna“ als konzertante Uraufführung, oder dem „Te Deum“ – hat das Opus 25 auch schon mit dem Pittsburgh Symphony Orchestra in London zur Aufführung gebracht, dort allerdings extrem verkürzt auf Einleitung, die vierte Erscheinung des Themas und das Finale. Auch in der Aufführung des Deutschen Symphonie Orchesters in der Berliner Philharmonie steht das Werk nicht am Programmschluss, wo es – anstelle der auch variatonsreichen Vierten von Brahms und nach dem mit Jazzelementen und Indianergesangs-Themen aufwartenden Violoncellokonzert von Arthur Honegger – ideal platziert wäre. Statt dessen kommt die in Berlin aufgeführte Version einer Bearbeitung gleich, denn sie reiht an die erste Erscheinung des Themas in der Introduktion, das die drei Strophen von Berlioz quasi in einander schiebt, die dritte, fünfte und siebte, rückt aber die gewaltige vierte Erscheinung an die vorletzte Stelle; so macht Honeck aus dieser breiten Variation ein „feierliches Portal zum Finale“ (Habakuk Traber im Programmheft). Diese Entscheidung jedoch, die Bruckners Praxis des langsamen Satzes vor dem Finale folgt, domestiziert Braunfels’ spannungsreiche Komposition und macht sie konventioneller als sie im Original ist.  

Hörbar hätte dem DSO ein Mehr an Proben für dieses äußerst diffizile Stück gut getan. Von Manfred Honeck mit starken dynamischen Rückungen interpretiert, erweist sich diese Komposition in ihrer leuchtenden Farbigkeit jedoch als geradezu unverwüstlich: sie löste emphatische Bravorufe beim Publikum aus. 

Auch Günter Wand, der Braunfels’ Berlioz-Variationen zum 70. Geburtstag des Komponisten im Jahre 1952 in einem Festkonzert des NWDR interpretiert hat, war offenbar mit den Leistungen des Kölner Rundfunk-Sinfonieorchesters bei seiner Live-Darbietung nicht zufrieden, so dass er diese Komposition wenige Tage später im Studio nachproduziert hat. Das digital klanglich aufbereitete Rundfunkband ist soeben in der Günter-Wand-Edition bei Günter Haenssler auf CD erschienen (PH06004). Wand arbeitet in Braunfels’ erweiterter Tonalität das Mephistophelische genussvoll heraus. 

Die „Phantastischen Erscheinungen eines Themas von Hector Berlioz für großes Orchester“, eine in ihrer Dichte, Skurrilität und Klangpracht faszinierende, para-musiktheatrale Symphonie, sollten durchaus häufiger live – und dann nicht nur als konzertantes Amuse geule – erklingen.

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