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Leos Janacek. Foto: The International Festival Janáček Brno
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Verführungsspiele und Unterwasservereinigung – Leoš Janáčeks „Das schlaue Füchslein“, kombiniert mit Claudio Monteverdis „Tancredi e Clorinda”

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Immer häufiger sind klassische Partituren des Musiktheaters in neuem instrumentalen Gewand zu erleben. Zurückzuführen ist dies offenbar einerseits auf die Möglichkeit seitens der Verlage, bald ablaufende Schutzfristen zu verlängern andererseits auf solche Aufführungsstätten, an denen das komplette Orchester keinen Platz fände. Ein weiterer Ansatz erfolgte beim Jungen Forum Musik + Theater in Hamburg, wo – erarbeitet von einem Komponistenkollektiv – „Das schlaue Füchslein“ von Leos Janácek, in der orchestralen Reduzierung auf zwei Flügel, Marimba- und Vibraphon, Pauken und Flöte, seine Uraufführung erlebte.

Die Klasse von Professor Frederik Schwenk an der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg ermöglichte das Teamwork für ein des neues Janácek- Arrangement, das von Anna Mikolajková, Matti Pakkanen, Antonis Adamopoulos und Fredrik Schwenk gemeinsam geschaffen wurde. Die gut 60-minütige Neufassung, unter Aussparung von Chor und Ballett, verfremdet die Klangmischungen der Partitur zur Kenntlichkeit und lässt bei aller rhythmischen Dominanz die Klangpracht aufleuchten. Neu hinzu komponiert ist die Rolle einer Flötistin auf der Szene (Anna Mikolajkova), mit gestoßenen Tönen, erotisch pulsierendem Tremolieren und minimalistischen Motiven, aber auch einer Vogelstimmenkantilene. Dramaturgisch entspricht die schwangere, nicht singende Musikdarstellerin der vielfältig begehrten jungen Terynka.

Verherrlichte der siebzigjährige Janácek mit seiner 1924 vollendeten Partitur auf ein eigenes Libretto seine Liebe zu einer 38 Jahre jüngeren Frau, so enthüllt auch die Inszenierung von Vendula Novákovà die Fabel als ein Spiel um menschliche Leidenschaften. Auf den auf beiden Seiten des Spielgevierts auf einem eingezäunten Rasengevierts um einen zentralen Apfelbaum ist das Publikum positioniert (Bühne: Nora Husmann). Die Füchsin (Pia Salome Bohnert), die sich am Baumstamm räkelt, wird vom Förster (Miroslav Stricevic) domestiziert, indem er ihr orangefarbene Stöckelschuhe anzieht. Er küsst sie wild und macht sie zu einer Geliebten, was heftige Ausbrüche seiner Gattin, die diesen verflohten Neuzugang beschimpft, evoziert. Die Försterin (Irene Benedict), eine heutige Frau im kurzen schwarzen Abendkleid, führt den gemeinsamen Hund (Dackelin: Agnes Kovács) am langen Halsband aus und damit in die Handlung ein.

Das kaum animalisch verfremdete Ensemble wandelt sich in die Schar der Hennen, die von der Füchsin feministisch gegen den Hahn aufgestachelt werden. Schulmeister (Daniel Schliewa), Pfarrer (Damian Delvaux de Fenffe) und Förster stehen jedoch primär in der Macht der Flötenspielerin, auch wenn sie diese als „eiskaltes Luder“ beschimpfen. Der Wilddieb Harašta ist hier – ganz ohne komische Momente – ein junger Bursche, der mit seinen eigenen Begehrlichkeiten nicht ins Reine kommt und daher die Füchsin mit einem Pistolenschuss in deren Stirn abknallt.

In übertitelter Originalsprache gelingt den zweimal sechs Sängerdarstellern und fünf Instrumentalisten unter der musikalischen Leitung von Gabriel Rovnák eine rundum überzeugende Leistung.

Dem vorausgegangen war die kurze dramatische Handlung von Claudia Monteverdis“ Il Combattimento di Tancredi e Clorinda“, nach Torquato Tassos „La Gerusalemme liberata“. Der Testo (vielversprechend der Tenor Trevor Pichanick) ist in der Inszenierung von Rahel Thiel nicht im herkömmlichen Sinne der Erzähler, sondern ein Künstler, der als Drahtzieher seiner eigenen Geschichte an deren Verlauf scheitert. Seinen Figuren gibt er Texte vor, provoziert den Kampf der Geschlechter und die Tötung von Clorinda (Karola Schmid). Die unbewusst sich Liebenden sind heutige Fechter (Kostüme: Imke Ludwig), deren finale Erkenntnis, emanzipiert von Testo, als Vereinigung unter Wasser erfolgt, wie in Sebastian Baumgartens „Werther“-Inszenierung an der Deutschen Oper Berlin schwimmen die Darsteller, von einer Unterwasserkamera im Schwimmbad gefilmt. Auch diese Handlung ist auf dem Rasen angesiedelt, überthront von einem Projektionstrapez mit wandernden Wolken (Bühne: Patricia Ulbricht). Durchaus himmlisch musiziert das zu beiden Seiten des Rasens positionierte Ensemble I Madrigali (Cembalo, Theorbe, Positiv und Streichquartett) unter der musikalischen Leitung von Daniel Zimmermann.

Die rundum gelungene Musiktheater-Produktion der alternativen Hamburger Musiktheater Formation angehender Sängerdarsteller und Regisseure wurde vom Publikum auch in der zweiten Aufführung enthusiastisch beklatscht.

Weitere Aufführung: 20. Oktober 2013.

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