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Walter Sutcliffe. Foto: Wolfgang Runkel
Walter Sutcliffe. Foto: Wolfgang Runkel
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Walter Sutcliffe auf der Couch – Der designierte Opernintendant stellt sich in Halle zunächst mal fast privat vor

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So war es nicht geplant. Aber dieser Termin hätte nicht besser platziert sein können: Im Hof des „neuen theaters“ in Halle lud Ines Brock den designierten Nachfolger von Opernintendant Florian Lutz, den Briten Walter Sutcliffe, als Gast ihres „Promitalks“ aufs Interview-Sofa. Die Plätze, die die Coronaregeln in dieser kleinen Freiluftbühne (wo auch wieder häppchenweise Theater gespielt wird) waren allesamt von Zuschauern und Opernfreunden besetzt, die die Gelegenheit nutzen wollten, um ihren künftigen Opern-Intendanten kennenzulernen.

Die Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin, die für die Grünen im Stadtrat und im Aufsichtsrat der Theater-, Opern- und Orchester GmbH (TOOH) sitzt, hat dieses Format vor neun Jahren installiert. Der Hallenser Schauspielchef Matthias Brenner war damals der erste Gast. Auch der noch amtierende Intendant Florian Lutz und Geschäftsführer Stefan Rosinski haben sich in der Vergangenheit schon den Fragen von Interviewerin und Publikum gestellt. Der aktuelle Termin, war aber nicht nur den Hygieneregeln abgetrotzt, sondern wurde mit einer aktuellen Meldung gewürzt, die wenige Stunde vorher in Halle die Runde machte. 

Ein Vorspiel: Stefan Rosinski

Danach hatte der Aufsichtsrat der TOOH mit einer Mehrheit von fünf zu drei Stimmen einen Schlussstrich unter den Dauerclinch mit und um den Geschäftsführer Stefan Rosinski gezogen. Die Nichtverlängerung seines regulär im nächsten Sommer auslaufenden Vertrages war schon im Februar beschlossen worden. Aber selbst für die Restlaufzeit wäre es der Oper und der gesamten TOOH nicht gut bekommen. Florian Lutz und seine Mitstreiter waren von Anfang an darangegangen, aus der Halleschen Oper ein republikweit beachtetes Labor für eine Opernästhetik des 21. Jahrhunderts zu machen. Das wurde u.a. mit dem FAUST-Preis für die erste Raumbühne von Sebastian Hannak und einem Sonderheft der Deutschen Bühne auch mit dem Blick von außen anerkannt. Auf der anderen Seite sorgten auch der Aufsichtsrat und der von ihm bestellte Geschäftsführer auf ihre Weise immer wieder in der Rubrik Ärgernisse für Schlagzeilen. Alle Schlichtungsversuche, bei denen sich sogar der Deutsche Bühnenverein und sein Vorsitzender Ulrich Khuon engagierten, waren vergebens. Im Kern stützte eine politisch seltsame Koalition von Helfern Rosinskis latenten Versuch, als Geschäftsführer faktisch Generalintendant zu spielen. 

Jetzt ist Rosinskis kulturpolitisches Intermezzo an der Saale zu Ende. Er ist dreimal gescheitert. Als Geschäftsführer, mit der vom Stadtrat abgelehnte Kulturhauptstadtbewerbung und vor kurzem mit seiner ebenfalls gescheiterten Kandidatur als Kulturbeigeordneter der Stadt. Dass die sofortige Freistellung mit einem goldenen Handschlag verbunden ist – das Gehalt gibts bis Ende der Vertragslaufzeit Sommer 21 – ist für seine „Fans“  eine bittere Pille. Die Kosten fürs Unternehmen werden sich gleichwohl in Grenzen halten. Zum einen, weil die inzwischen bestellte zweite Geschäftsführerin Uta van den Broeck auf den größten Teil ihres Salärs verzichten will. Und zum anderen, weil es als Folge der Personalpolitik des Geschäftsführers gleich mehrere Vakanzen in Schlüsselpositionen gibt.

Damit bieten sich für Walter Sutcliffe und die TOOH, aber auch für die Stadt und ihre Opernfreunde die Chance für einen Neubeginn. Die Positionen des Geschäftsführers, des GMDs und des Ballettchefs sind ausgeschrieben. Das Problem bleibt aber die Satzung der GmbH mit ihrer Kompetenzverteilung. …

Ein Brite kommt aus Belfast an die Saale

Doch jetzt geht der Blick nach vorn. Am Rande der Talkrunde wurde schon mal klar, dass der amtierende und der künftige Intendant einen so guten Draht zueinander haben, dass aus dem Übergang selbst kein neuerliches Knirschen im Getriebe zu erwarten ist. Außer ihrer Leidenschaft fürs Musiktheater haben die beiden noch eine andere biographische Gemeinsamkeit: ihre Väter sind in ihren Ländern ziemlich bekannte Musikkritiker. 

Um seinen Weg zur Bühne, sein Verhältnis zu Großbritannien, inklusive Brexit und natürlich zu Deutschland und Halle ging es dann hauptsächlich. Hier, wo die letzte Spielzeit unter Florian Lutz noch nicht vorgestellt wurde, ist die dann folgende natürlich noch nicht spruchreif. Sondern eher das, was Sutcliffe bisher gemacht hat und denkt. Der Brite (der auch einen australischen Pass hat, wie er erzählte), wurde 1976 in London geboren, studierte dort Fagott und dann drei Jahre in Cambridge. Ab 2003 ist er freischaffender Regisseur für Oper und Schauspiel und seit 2016 Intendant der Northern Ireland Opera in Belfast. 

Dass im vorigen Jahr bei den Händelfestspielen in Göttingen ein ebenso opulenter wie augenzwinkernd doppelbödiger „Rodrigo“ von ihm zu bejubeln war, ist für seine Berufung an das Opernhaus in Händels Geburtsstadt kein schlechtes Omen. Sprach- also Verständigungsprobleme werden die Mitarbeiter mit ihm nicht haben. Er hat gute Chancen, sie mit seinem sympathischen Akzent in die neue Realität zu dirigieren. Verwirrend sei für ihn nur die Unterscheidung zwischen dem im Deutschen üblichen Sie und Du in der Anrede. Mit seiner Partnerin in diesem Talk auf dem Sofa hat er das nicht. Ines Brock hatte dem Briten Hilfe beim Kennenlernen der Stadt angeboten und das bei einem ausführlichen Distanz-Spaziergang durch die Saalestadt umgesetzt.

Die Frage, wie man als Intendant in Belfast auf die Idee kommt, sich in Halle zu bewerben, lag natürlich auf der Hand. Er sei als Regisseur in Deutschland groß geworden. In Sachsen-Anhalt hat er schon in Halberstadt und Magdeburg gearbeitet, aber auch in Chemnitz und Dresden in Sachsen. Hinzu kommt, dass er jahrelang in Berlin gelebt hat. Auch sei die Oper Halle, nach der phantastischen Zeit unter Florian Lutz unter Theaterleuten überall im Gespräch. Auch die Händelfestspiele hat der Regisseur natürlich im Blick.

„Ich habe mich nicht gefragt, warum bewerbe ich mich, sondern ich habe gehofft, hoffentlich nehmen sie mich.“  [Walter Sutcliffe]

Er habe den Eindruck, dass Halle eine Stadt sei, in der man absolut zu Hause sein kann. Mit Blick auf die Auswirkungen der Corona-Pandemie finde er die Hallenser im Vergleich zu England und Schottland, trotz der herrschenden Einschränkungen, freundlich und pragmatisch. Ein Satz, den der normale Hallenser übrigens zwar nicht oft, aber gerne hört.  

Kurzum: „Ich habe mich nicht gefragt, warum bewerbe ich mich, sondern ich habe gehofft, hoffentlich nehmen sie mich.“ 

Nachdem die Würfel im Auswahlverfahren gefallen waren, kam er dann am 12. März nach Halle gleich mitten in eine Krisensitzung in der Oper. So schnell hatte er das nicht erwartet, meinte Sutcliffe mit einer Prise britischem Humor. 

Den brauchte er auch in Belfast – man bekam einen kleinen Eindruck, wie kompliziert dort Identitätsfragen und Empfindlichkeiten sind. An sein Publikum sei er dort durch eine große Bandbreite von Stücken herangekommen. Wahrscheinlich mit freundlicher Übertreibung, meinte er dann, dass die Hälfte der Titel, mit denen er in Halle starten wollte schon bei Florian Lutz auf dem Spielplan standen. Im Falle von „Sweeney Todd“ dürfte das tatsächlich zutreffen.  

Bei seiner Arbeit als Regisseur lässt er sich weniger von der jeweils speziellen Mentalität und den Erwartungshaltungen des Publikums leiten. Für ihn stehen die Arbeit mit den Menschen auf der Bühne und der Umgang mit dem Text im Mittelpunkt. „Meistens ging das gut.“ meinte er. Was Aufführungen in der Originalsprache betrifft, verwies er auf den kongenialen Zusammenklang bei Mozart und seinem Librettisten DaPonte. „Die Fledermaus“ hat er aber auch schon in einer englischen Übersetzung inszeniert. „Komödie muss direkt wirken können. Wagners Tristan auf Englisch klingt aber komisch.“ Insgesamt ist aber die Lust auf neue Sprachen ein besonderer Reiz der Oper, so der Regisseur. 

Ein Urteil darüber, was sein Stil sei, überlasse er anderen. Ihm komme es immer drauf an, das Einfache gut zu machen.   

Dass er auf die Frage, unter welchen coronabedingten Voraussetzungen er seine erste Spielzeit planen würde, mit Brechts Satz von den Plänen, die beide nicht gehen, antwortet, zeigt, wie weit er auf seinem Weg nach Deutschland und speziell nach Halle auch mental schon vorangekommen ist….

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