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Lucas und Arthur Jussen zusammen mit den Münchner Philharmonikern unter John Storgårds in der Isarphilharmonie. Foto: Tobias Hase
Lucas und Arthur Jussen zusammen mit den Münchner Philharmonikern unter John Storgårds in der Isarphilharmonie. Foto: Tobias Hase
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Wie Phönix aus der Pandemie-Asche? Die Münchner Philharmoniker starten mit einer Fazil-Say-Uraufführung ins neue Jahr

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Den Januar haben die Münchner Philharmoniker zum Festivalmonat „NEO“ erkoren, mit jeweils einer Uraufführung in drei Veranstaltungen. Den Auftakt machte Fazils Says neues Konzert für Klavier vierhändig. Juan Martin Koch berichtet vom Wiederholungskonzert.

Mit „Anka Kuşu“, dem türkischen Wort für den mythischen Phönix hat der Pianist und Komponist Fazil Say sein neues Werk überschrieben. Mit unbekümmerter Musikalität also raus aus der pandemischen Asche? So in etwa könnte man den Gestus des kurzweiligen 20-Minüters beschreiben, in dem Say dem Klavier zu vier Händen einen mittleren Streicherapparat, vier Bläser (Piccolo, Flöte, Trompete, Kontrafagott) und drei Schlagwerker gegenüberstellt.

Eine im Unisono glissandierende, aus einer orientalischen Skala abgeleitete Melodie bildet den Ausgangspunkt des dreisätzige Konzert, um aber bald in bartókschen Martellati rhythmisch Fahrt aufzunehmen. Ins Jazzige gewendet geht das dann schnell in die Richtung von Bernsteins Westside-Mambo. Lucas und Arthur Jussen dürfen die Klaviersaiten in Says bewährter Manier auch mal innen abdämpfen, weitere Farbtupfer steuern springende Streicherbögen bei.

Ein kurzes Scherzo reizt effektvoll die Spannung ungerader Metren aus, Einwürfe von Piccolo und Kontrafagott zelebrieren ebenso wie der Klaviersatz die Kontraste von hoher und tiefer Lage. Im Schlusssatz lässt eine harmonisch schön querstehende Bläserpassage aufhorchen, ansonsten kehren Tonfälle des ersten Satzes einschließlich der eröffnenden Glissandomelodie wieder. Die auswendig agierenden Klavierbrüder scheint das alles vor keine größeren Probleme zu stellen. Sie zelebrieren den dankbaren Solopart mit Verve und lassen dem unterhaltsamen, aber nicht sonderlich tief schürfenden Opus eine nachdenklich verhangene Bach-Zugabe folgen.

Die Münchner Philharmoniker präsentieren sich bei dieser sonntäglichen Matinee in bestechender Form. Mit dem Blechglanz aus Carl Nielsens „Helios“-Ouvertüre korrespondieren nach der Pause die quellklaren Streicher in Jean Sibelius’ 6. Symphonie. Dass nicht weniger als 30 erste und zweite Geigen aufgeboten sind, stört mitunter die Balance mit den Holzbläsern, doch ihr Spiel transzendiert in den vielen exponierten Passagen die formalen Probleme dieses in seinem suchenden Charakter gleichwohl faszinierenden Werks.

Dirigent John Storgårds arbeitet diese Ambivalenz mit klugen Temporelationen überzeugend heraus und lässt – der programmatische Clou des Konzerts – Sibelius’ siebte Symphonie folgen. Wie hier nun in der kompakten, einsätzigen Anlage die untereinander in Spannung stehenden Tonfälle der Sechsten aufgehoben werden und zu einer neuen Einheit zusammenfinden, macht Storgårds mit den fabelhaft aufspielenden, am Ende hymnisch über sich hinauswachsenden Philharmonikern hörbar. Großer Jubel in der auflagenbedingt nur zu einem Viertel gefüllten Isarphilharmonie. Was für ein Jammer.


  • Die nächsten Konzerte der Reihe „NEO“ bringen Uraufführungen von Julian Andersons Symphonie Nr. 2 „Prague Panoramas“ (19./20. Januar) und von Lera Auerbachs „Diary of a Madman“ (Aufzeichnungen eines Wahnsinnigen), Konzert für Violoncello und Orchester (27./28. Januar).

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