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Matthias Hornschuh von der SoundTrack Cologne und Preisträger Michael Kadelbach. Foto: SoundTrack Cologne
Matthias Hornschuh von der SoundTrack Cologne und Preisträger Michael Kadelbach. Foto: SoundTrack Cologne
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Zwei Preise – zwei Welten: Fernsehmusikpreise bei der SoundTrack_Cologne 7.0

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Mit dem Medienmusikforum SoundTrack_Cologne hat die deutsche und europäische Film-, Fernseh-, Games- und Hörspielmusikszene einen jährlichen Treffpunkt, der sich in den letzten Jahren im Medienzentrum Köln als eigenständige Mischung aus Festival und Kongress etablieren konnte. Jeden Herbst vor Beginn der Adventszeit kommen Medienkomponisten in der Domstadt zusammen, um sich und ihre Arbeit zu präsentieren, aber auch um drängende Themen, wie die Urheberrechtssituation oder die Arbeitsbedingungen für Komponisten in der Film- und Fernsehbranche zu diskutieren.

In dieser Hinsicht hatten die Veranstalter in diesem Jahr mit der Aufsehen erregenden Reformierung des Deutschen Fernsehpreises zulasten der Kreativen – die Einzelkategorien insbesondere in den schöpferischen Bereichen Musik, Regie, Drehbuch, Kamera, etc. wurden gestrichen – ein Reizthema zur Verfügung, das bereits im Vorfeld der Veranstaltung die Gemüter erhitzt hatte. Die Veranstalter von SoundTrack_Cologne hatten als Reaktion auf die Abschaffung der Musikkategorie beim Deutschen Fernsehpreis zusammen mit den Komponistenverbänden CC Composers Club, DKV und mediamusic e.V. einen alternativen „Deutschen Fernsehmusikpreis“ ausgelobt. Nominiert wurden kurzerhand die Komponisten der Filme, die auch beim Deutschen Fernsehpreis in den verschiedenen Kategorien im Rennen waren. Mit der am 27. November einmalig verliehenen, undotierten Trophäe sollte „ein Zeichen gegen die als Geringschätzung empfundene Abschaffung der Musik- und Kreativkategorien beim Deutschen Fernsehpreis“ gesetzt werden. Unterstützt wurden die Komponistenverbände dabei vom Verband Deutscher Drehbuchautoren (VDD) und vom Bundesverband der Fernseh- und Filmregisseure in Deutschland (BVR), die jeweils ein Jurymitglied nach Köln schickten.

Ausgezeichnet wurden bei der Verleihung im Kölner Gloria-Theater schließlich Sven Rossenbach & Florian van Volxem („Im Angesicht des Verbrechens“) in der Kategorie Mehrteiler/Serie, für die beste Musik im Bereich Doku: Michael Kadelbach (Henners Traum – Das größte Tourismusprojekt Europas) und in der Kategorie Fernsehfilm bekam Fabian Römer („Tatort: Weil sie böse sind“) eine Auszeichnung. Der bedankte sich – und zumindest hier lag die Verleihung des Deutschen Fernsehmusikpreises ganz auf Linie mit den großen TV-Glamour-Partys – per Videobotschaft bei der Jury und gab sich dabei für einen Schweizer ungewohnt kämpferisch. Er erinnerte daran, dass die Kreativen kaum der ständig sinkenden Honorare wegen produktive Höchstleistungen erbringen würden, sondern sich der Qualität des Films verpflichtet fühlten und es deshalb nicht hinnehmbar sei, auf die notwendige Anerkennung dieser Leistung zu verzichten. Dieser Appell fand wohl seinen berechtigten Applaus im Saal, zu den Intendanten der verantwortlichen Sender wird er freilich kaum vordringen.

Ein Anerkennungsproblem scheint der diesjährige Ehrenpreisträger der SoundTrack_Cologne Christian Bruhn nicht zu kennen. Seine legendären Titelmusiken zu den ZDF-Weihnachtsserien (Silas, Jack Holborn, Timm Thaler, Patrick Pacard, Oliver Maas, etc.) und die von der Kindergeneration der 70er- und 80er-Jahre kultisch verehrten Soundtracks der Zeichentrickserien Heidi, Sindbad, Wickie und vor allem Captain Future, dessen Soundtrack um die Jahrtausendwende mit Phil Fuldners Dancefloor-Remix ein Revival feierte, stehen für eine Ära der Fernsehgeschichte. Gleichzeitig gehören die Schlager, die der mittlerweile 75-jährige Bruhn für Sänger wie Drafi Deutscher (Marmor, Stein ...), Roberto Blanco (Ein bisschen Spaß ...) Mireille Mathieu (Santa Maria) oder Katja Ebstein (Wunder gibt es immer wieder) schrieb, zum Kernrepertoire des Deutschen Schlagers und nicht nur Fans von Unterhaltungsmusik wären überrascht, wie viele Lieder, deren Melodie jeder bedenkenlos mitsummen kann, aus der Feder von Christian Bruhn stammen.

Der Unterhaltungswert der Preisverleihung wurde dann auch wesentlich durch Christian Bruhns TV-Gassenhauer aus der guten alten Zeit bestimmt, gespielt von einer eigens zusammengestellten „Christian Bruhn Tribute Band“, bevor sich der Altmeister gewohnt ironisch, sarkastisch für seinen Ehrenpreis bedanken durfte. Hier schoss er dann allerdings ein wenig über das Ziel hinaus, als er auf seine Zusammenarbeit mit dem Regisseur Sigi Rothemund zu sprechen kam, für den er die erfolgreichen ZDF-Weihnachtsserien der 80er-Jahre vertonte. In Anspielung auf Rothemunds ZDF-Verfilmung der Krimis über Donna Leons venezianischen Commissario Brunetti – für die nicht Bruhn, sondern André Rieu die Titelmusik liefern durfte – skandierte der Preisträger abschätzig die ersten Takte von Rieus Melodie. Bruhn der von sich sagt, er würde nichts Schlechtes über Kollegen sagen, sieht André Rieu offenbar nicht als einen solchen an und hätte besser auf diese Kinderei verzichtet, die er nicht nötig hat.

Die sphärische Vokalise des Captain-Future-Themas, die zur anschließenden Party überleitete, machte diese Episode aber schnell vergessen und für einen kurzen Moment hatte man im Gloria-Theater in der Kölner Apostelnstraße das Gefühl, die unbeschwerten Zeiten wären wiedergekommen, als Filmkomponisten noch Preise bekamen und es im ZDF noch Weihnachtsserien gab, deren Titelmelodie ein jeder spielend nachpfeifen konnte.

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