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Hanna-Elisabeth Müller. Foto: © Forster
Hanna-Elisabeth Müller. Foto: © Forster
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Zwei Schwestern Oder: Arabella und Zdenka – Strauss bei den Osterfestspielen Salzburg

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Der zweite Jahrgang der „Dresdner“ Osterfestspiele in Salzburg steht ganz im Zeichen von Richard Strauss. Zum Auftakt gab es dessen „Arabella“. Eine Besetzung mit großen Namen – und noch größeren Entdeckungen. „Arabella“ heißt sie, aber „Arabella und Zdenka“ müsste sie heißen, denn in dieser Oper geht es von A bis Z um beide Schwestern, um zwei Wesen aus einer Familie, die einander näher – und zugleich unterschiedlicher – kaum sein könnten.

Arabella, die Schöne, soll so dringend wie geldbringend verheiratet werden, da deren adliges Elternhaus hoffnungslos verarmt und dank der Spielsucht des Vaters obendrein verschuldet ist. Die jüngere Tochter Zdenka ist noch schlimmer dran, bei ihr wird nicht mal mehr auf einen vermögenden Galan gehofft, sie muss sich ganz verleugnen lassen und auf den maskulinen Namen Zdenko hören, wird als Arabellas kleiner Bruder ausgegeben. Welch große Stunde für Komplexe und Psychosen!

Just aus dieser Zeit, als die versteckte Sexualität allmählich aus der heuchlerischen Schmuddelecke kam und auch bei Tageslicht verhandelt worden ist, stammt auch das von Richard Strauss bei Hugo von Hofmannsthal erbetene Libretto. Wenn irgend möglich, sollte es gar ein zweiter „Rosenkavalier“ werden. Doch „Arabella“ blieb weit davon entfernt. Wie auch der Erfolg der beiden Opern. „Rosenkavalier“ wurde 1911 ein Renner, „Arabella“ führt seit 1933 vergleichsweise ein Schattendasein. Beide Werke kamen seinerzeit in Dresden heraus, wo insgesamt bekanntlich neun der 15 Strauss-Opern uraufgeführt worden sind. Seither gelten Semperoper und insbesondere die Sächsische Staats-(damals noch Hof-)kapelle als Strauss-Orchester par excellence.

Gemeinsam mit ihrem Chefdirigenten Christian Thielemann bestreitet die traditionsreiche Kapelle seit vorigem Jahr die 1967 durch Herbert von Karajan mit den Berliner Philharmonikern gegründeten Salzburger Osterfestspiele. Stand 2013 logischerweise Richard Wagner im Mittelpunkt dieses Elitefestivals, so bildet dieses mal Richard Strauss das künstlerische Zentrum. Auf die „Arabella“-Premiere vom Samstag werden unter anderem noch Orchesterkonzerte mit Tondichtungen wie „Don Juan“, „Don Quixote“ und „Zarathustra“ folgen, „Letzte Lieder“ und „Metamorphosen“ sowie Mozarts „Requiem“ und dessen C-Dur-Klavierkonzert KV 476, dies alles gepaart mit Werken des aktuellen Dresdner Capell-Compositeurs Wolfgang Rihm.

Selbstredend wurde „Arabella“ – wie im Vorjahr der „Parsifal“ – vom Künstlerischen Leiter der Osterfestspiele geleitet, der ja sowohl als ausgewiesener Wagner- wie als Strauss-Experte gilt. Christian Thielemann, einst Assistent von Karajan, hat damit nach seinen langjährigen Bayreuth-Meriten eine weitere Festwiese gefunden, auf der er seine ureigenen Qualitäten auszubreiten versteht. Er setzt dabei auf namhafte Besetzungen, denen er mit der außerordentlich inspirierten Kapelle einen wunderbaren Klangboden zu weben versteht. Bei diesem Strauss besteht der aus so samtigen wie auch schrundigen Streichern, aus sauber schmetterndem Blech wie aus fein ziselierendem Holz. Zu Recht gab es dafür lautstark Beifall vom Premierenpublikum.

Doch in der Pause nach dem ersten Aufzug gab es schon erste Grantler zu hören, die da meinten, ob Thielemann etwa auch die Inszenierung besorgt hätte? Allzu deutlich waren die Sängerinnen und Sänger auf den Dirigenten fixiert, wagten kaum eine Geste aus dessen Gesichtsfeld, schon gar keine Interaktionen, die glaubhaft dem Handlungsverlauf folgten und echte, also glaubhafte Personenbeziehungen vollzogen hätten.

In Wirklichkeit lag die Regie allerdings – laut Programmbuch – in Händen von Florentine Klepper. Die hat gemeinsam mit ihren Ausstatterinnen Martina Segna (Bühne) und Anna Sofie Tuma (Kostüme) das laut Partituranweisung im Jahr 1860 spielende Stück um rund ein halbes Jahrhundert nach vorn verlegt. Mithin eine vorsichtige Aktualisierung, die in einer Ära des Abschiednehmens, des drohenden Zerfalls, der Werteverschiebung agiert. Das Hotel, in dem die Familie von Arabella und Zdenka Zuflucht gefunden haben, hat bessere Zeiten gesehen, zeigt den Charme des Morbiden, könnte – wie die gesamte Personage – vor einem rasanten Absturz stehen. Ein Vulkankegel als Tanzboden. Man bewahrt noch die Etikette, ist deutlich darum bemüht, die Absteige nicht als Abstieg erkennen zu lassen, doch das Bemühen trägt angestrengte Züge.

Die ersten Bilder funktionieren wie ein Verschiebebahnhof. Das Hotelzimmer als Suite, die von den Seitenbühnen aus nach links und rechts verschoben werden kann. Das gibt den Blick frei mal in die Szene von Gräfin Mutter, die sich die Karten für die Zukunft legen lässt, mal in die Schlafräume, wo beide Schwestern logieren. Gut möglich, dass da schon an die Umsetzung der „Arabella“ nach Dresden gedacht worden ist, wo die Neuproduktion im November herauskommen wird. Da die Portalbreite der Semperoper um einige Meter schmaler ist als die im Großen Festspielhaus, ist derart Variabilität durchaus von Vorteil.

Der spätere Handlungsort im Foyer und/oder Ballsaal des Hotels bietet sehr poesievolle Variationen. Da schweben Wände und Fahrstuhl zur Seite und in die Höhe, bis in der Luft ein gedoppeltes Liebespaar verharren wird. Kaum haben Arabella und Mandryka ihre Liebe einander erkannt, bahnt sich schließlich schon deren Gefährdung an. Schuld daran ist – in der Festspielstadt ganz offenbar Thema Nummer eins – das Geld. Und natürlich die aus diesem Thema resultierende menschliche Niedertracht, Falschheit und Habgier, Grundlage für mancherlei Missverständnis.

Denn Leutnant Matteo, unsterblich in Arabella verliebt, wird von deren vermeintlichem Bruder Zdenko im Glauben gelassen, die auch von drei anderen Grafen begehrte Schöne würde ihn lieben. Dabei ist es Zdenka, die sich ihrerseits in Matteo verguckt hat. Diese Selbstverleugnung kennt Arabella nicht. Sie will die eine, wahre Liebe, meint, sie in der Zufallsbegegnung mit Mandryka gefunden zu haben und lässt sich ganz darauf ein. Bald tanzen Komödie und Tragödie Hand in Hand, bringt eine hübsche Farce den Vulkan mächtig zum Brodeln. Mandryka mutmaßt ein Schäferstündchen Arabellas mit Matteo, der auch selbst davon ausgeht, weil er nicht kapiert hat, dass er bei Schwester Zdenka lag. Arabella selbst weiß natürlich von nichts, wähnt sich im siebenten Himmel und sieht sich plötzlich vor dem tiefsten Abgrund. Bevor es da hineingeht, hilft nur eins, die mühsam gewahrte Fassade einzureißen – Zdenka offenbart sich als Frau, Matteo (an)erkennt ihre Liebe, Arabella und Mandryka besinnen sich auf das gemeinsame Glücksversprechen und wollen es auch mit den Kratzern der Realität leben. Die Welt von gestern ist damit perdu.

Der Bombast in dieser Oper trifft ganz bestimmt so manche Publikumserwartung. Man will nochmal schwelgen und träumen, will sich delektieren am Schicksal der zwei Schwestern und ihrer Familie. Vor allem aber will man große Namen!

Mit Renée Fleming in der Titelpartie und Thomas Hampson als Mandryka bekommt man die auch geboten. Beide geben ein schwärmerisch starkes Liebespaar ab, singen hingabevoll und übertünchen gekonnt so manchen Spitzenton, dem es an Eleganz gemangelt hat. Die eigentliche Entdeckung sind Hanna-Elisabeth Müller als Zdenka und Daniel Behle als Matteo gewesen, die ihre Partien kraftvoll und mit enormer Klarheit singen und dabei emotionsbetont agieren. Ein glaubhaftes Abbild verwirrter Gefühle.

Ganz wienerisch stolz umwerben die drei Grafen ihre Arabella, fein gezeichnete Charaktere von Benjamin Bruhns als Elemer, Derek Welton als Dominik und Steven Humes als Lamoral, die allesamt auch vokal sehr überzeugen. Die Fiakermilli beim großen Ball wird von Daniela Fally mit köstlichen Koloraturen versehen, spielerisch und treffsicher. Und das nicht mehr ganz junge Ehe- und Elternpaar wandelt auf dem schmalen Grat des Abstiegs – Gabriela Benacková sorgt sich als Gräfin Adelaide um ihre Töchter und barmt mit warmem Sopran, Albert Dohmen hingegen als Rittmeister a.D. scheint schon alles egal zu sein, er will nur spielen. Um Geld, versteht sich. Auf der Bühne gibt er einen am Stock gehenden Hallodri, mit dem wohl keiner im teuer ausverkauften Festspielhaus gern tauschen mag.

Salzburger Aussichten 2015

2015 werden Christian Thielemann und die Sächsische Staatskapelle ihren dritten Jahrgang an der Salzach angehen. Dann ist das alles schon Tradition und es steht einmal kein Komponistenjubiläum an. Was also tun? Flucht in die Italianità, denn das geht immer. Und funktioniert ganz gewiss auch in Salzburg, wo Pietro Mascagnis „Cavalleria rusticana“ mit Ruggero Leoncavallos „I Pagliacci“ kombiniert werden soll. Musikalische Leitung, nicht überraschend, Christian Thielemann, für Inzenierung und Bühnenbild sorgt dann Philipp Stölzl. Es wird zudem Orchesterkonzerte mit Werken von Peter Tschaikowsky (das 1. Klavierkonzert b-Moll, die 6. Sinfonie „Pathétique“) und Dmitri Schostakowitsch (das 1. Violinkonzert a-Moll und die 10. Sinfonie) geben, zudem wieder das „Konzert für Salzburg“ und im Chorkonzert diesmal Giuseppe Verdis „Messa da Requiem“. Als Novum wird die satirische Collage „Fräulein Tod trifft Herrn Schostakowitsch“ in einer Koproduktion mit den Internationalen Schostakowitsch-Tagen Gohrisch produziert werden (wo dieses Musik und Literatur verbindende Stück schon im Herbst 2014 herauskommt). Gestaltet wird es von der Schauspielerin Isabel Karajan, die in Salzburg 2015 obendrein in Prokofjews „Peter und der Wolf“ mitwirkt. Neben Christian Thielemann wird Nikolaj Znaider dirigieren, der auch als Solist verpflichtet worden ist; ebenso wie Maria Agresta, Jonas Kaufmann, Arcadi Volodos und weitere Künstlerinnen und Künstler.

  • Termine: „Arabella“ in Salzburg am 21.4.2014, in Dresden ab 7.11.2014
  • Osterfestspiele 2015: 28.3.-6.4.2015

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