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Adieu an einen musikalischen Botschafter

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Richard Jakoby verlässt die internationale Verbindungsstelle
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Selbst Paul Hindemith fand sich seiner Zeit nicht zu schaden, als Berater für andere auf Reisen zu gehen, so mehrfach nach Ankara, um für den Aufbau des türkischen Musiklebens Vorschläge zu entwickeln. Da verbanden sich sicherlich ebenso musikalische Anliegen wie außer- und kulturpolitische Interessen der Auftraggeber.

Selbst Paul Hindemith fand sich seiner Zeit nicht zu schaden, als Berater für andere auf Reisen zu gehen, so mehrfach nach Ankara, um für den Aufbau des türkischen Musiklebens Vorschläge zu entwickeln. Da verbanden sich sicherlich ebenso musikalische Anliegen wie außer- und kulturpolitische Interessen der Auftraggeber. Nicht viel anders verstehen sich jene Touren, auf die sich Richard Jakoby rund um den Globus schicken ließ. Wenn er, weiland Präsident, jetzt Ehrenpräsident des Deutschen Musikrates und derzeit (noch) Leiter dessen Verbindungsstelle für Internationale Beziehungen, sich zum Beispiel in die Mongolei oder nach Vietnam aufmachte, bei Konferenzen der Internationalen Gesellschaft für Musikerziehung, des Internationalen Musikrates oder bei anderen musikalischen Events als deutscher Repräsentant auftrat, dann ging es um die Weitergabe ähnlicher Anregungen und Erfahrungen: Strukturberatung, Einsatz für zeitgenössische Musik, künstlerischer Austausch als Export wie Import, – solcher Art sind die Vokabeln auf seinen Spielkarten bei all seinen Kontakten. Seine Präsenz draußen wie am Schreibtisch versteht sich als Stück auswärtiger Kulturpolitik, aber mit den eigenen Mitteln musikalischer Diplomatie. Und mit einer Nachhaltigkeit, auf die das Musikland Deutschland stolz sein könnte, wenn es dafür noch so liquide wäre wie sein guter Ruf.

Seit 14 Jahren betreut und verantwortet Richard Jakoby für den Deutschen Musikrat und zugleich im Auftrage des deutschen Auswärtigen Amtes diese Mittler- und Gutachterstelle. Dieses Minibüro in Bonn wirkt zwar nach Leitlinien und finanziert mit wenigen – zunehmend wackeligen – Millionen aus Budgetmitteln des Bundes, jedoch in eigener fachlicher Kompetenz. Und gerade die kann man dem Spiritus Rector dieser Schaltstelle, Jakoby, nicht absprechen, der alle Phasen musikalischer, pädagogischer, wissenschaftlicher, publizistischer und kulturpolitischer Berufe, verbandlicher Gremien und Instanzen einschließlich vieler Nuancen ärgerlicher Verwaltungsbürokratie brillant erfahren und erfolgreich unter Beweis gestellt hat.

Denn da galt es im Bonner Büro alljährlich einige hundert Projekte zu beurteilen, aus seiner Allroundkenntnis abzuwägen und zu ermöglichen: Auslandstouren von repräsentativen Ensembles der Profi- wie Amateurszene, Entsendung und Empfang von Musikern und Fachkräften, internationale Begegnungen im jugendkulturellen Feld. Da waren bilaterale Regierungsverträge und Rahmenvereinbarungen mit Partnerländern sinnvoll mit Inhalten zu füllen, aber auch zu nutzen für freundschaftliche und musikfachliche Kontakte gerade in jenen Zeiten, als sich die politische Diplomatie in ihrem Transfer mit dem Jenseits des „Eisernen Vorhangs“ noch nicht ganz leicht tat. Um all das abzustimmen und Anregungen entgegenzunehmen, lud ihn die Kulturabteilung des Auswärtigen Amtes in ihren Beratungsausschuss, das Goethe-Institut in seinen Musikbeirat. Das war nicht nur Routine. Er kämpfte auch Jahr für Jahr erneut um Erhalt und Erweiterung dieser allzu kostbaren kulturellen Verfügungsmasse. Als sich aber mit Öffnung der Ostgrenzen auch der kulturelle Fluss hin und her belebte, selbstverständlicher wurde, sich hohe Erwartungen, Wünsche und Bedürfnisse vieler Partner nicht nur zwischen St. Petersburg und Skopje einstellten und zu befriedigen waren, da haben sich Jakobys Hoffnungen nicht im erforderlichen Maße erfüllt, nämlich „dass der seit der Wiedervereinigung anhaltende negative Trend der Etatentwicklung angehalten und wieder mehr Geld für die auswärtige Kulturpolitik zur Verfügung gestellt wird“ – so Jakoby noch vor vier Jahren im nmz-Interview.

Es mag mehrere Gründe geben, dass sich Jakoby mit Ende dieses Jahres aus der ihm anvertrauten Leitung der Verbindungsstelle zurückzieht. Das Alter dieses Jungsiebzigers ist es gewiss nicht. Eher eine gewisse Resignation über diesen anhaltenden Abrutsch der Dispositionsmittel für Projekte musikalischer Auslandsarbeit. Das muss Spaß, Freude und sein jahrelang freiwilliges Engagement für die Sache verleiden. Dazu das Diktum, dass just besagte Verbindungsstelle für internationale (musikalische) Beziehungen, die sich fast ein halbes Jahrhundert lang im Dienst der Bundesregierung und des Deutschen Musikrates segensreich zu Gunsten unserer gesamten musikalischen Landschaft einsetzte, in ihrer Selbstständigkeit begraben wird, verschmolzen wird mit dem seit Jahresfrist bereits vereinigten Goethe Institut Inter Nationes. Die Generalversammlung des Deutschen Musikrates tut gut daran, Dienst-Ende und Abschied ihres musikalischen Botschafters für Auswärtiges mit einem gehörigen Dankeschön leichter zu machen.

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