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Warten vor dem Konzert: „Bachs Erben“ im Köthener Spiegelsaal. Foto: Vincent Julien Piot
Warten vor dem Konzert: „Bachs Erben“ im Köthener Spiegelsaal. Foto: Vincent Julien Piot
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Alte Musik zwischen den Welten

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Erfahrungen vom ersten Musiktheaterprojekt des Jugendbarockorchesters Michaelstein
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Was aus der Anfrage von Olaf Nachtwey, Vertreter des Hallenser Kulturvereins Methode 21, werden sollte, konnte sich die Landesmusikakademie Sachsen-Anhalt im traditionsreichen Kloster Michaelstein (Blankenburg/Harz) zu Anfang nicht so recht vorstellen. Seit 2006 trägt sie ein Jugendorchester, „Bachs Erben“, mit dem Fokus auf Barockmusik, und dies sollte Bestandteil von „Alcina – Fragmente einer Sprache der Liebe“ zu den Händelfestspielen 2008 werden.

Als dann im November 2007 die ersten Vorgespräche stattfanden, umgab das Projekt noch den oft typischen Dunstschleier avantgardistischer Musiktheaterprojekte. Junge Initiatoren mit vielfältigem Background, gemixt mit Managementerfahrungen und kulturellem Idealismus, hatten eine Idee: Händels „Alcina“, im Original eine wunderschöne Oper von drei Stunden Dauer und Paradestück seiner Gattung, ohne Verlust der Botschaft für ein junges Publikum zu adaptieren. Es sollte mehr sein als eine leicht verdauliche Variante eines opulenten Mahls und im besten Sinne multimedial. Das Premierenpublikum im Hallenser Volkspark war dann in der Tat im Schnitt deutlich jünger, wie auch sehr gemischt, und fand in den verschiedenen Ebenen der Inszenierung seine Entsprechung: Montierte Fotosequenzen, projiziert auf gut sichtbare Leinwände, schwebten über der faszinierenden Choreographie (und Ausführung), die in Korrespondenz mit einer Auswahl der schönsten Arien die Visualisierung der Händel’schen Musik vornahmen. Brückenelemente von Synthesizer oder historischer Laute fügten die Arien und Tänze für das Orchester nahtlos zusammen. So dicht, dass den jungen Musikern des Jugendbarockorchesters so gut wie keine Pause blieb. Die Rolle, die ihm dabei zugedacht war, war mehr als das schmückende Beiwerk handgemachter Musik. Die Arbeit mit Lorenzo Ghirlanda, Absolvent der Schola Cantorum, mit dem Lautenisten Luca Pianca und vor allem dem Geiger Riccardo Minasi, der zugleich als Konzertmeister fungierte, brachte „Bachs Erben“ ganz neue Erfahrungen: Nach zwei Einstudierungsphasen im Frühjahr 2008 setzte das italienische Temperament dieser Musiker in der Arbeitswoche vor der Premiere sämtliche Energien frei: Das Orchester erhielt hörbar den meisten Applaus.

Nur wenige Wochen später trafen sich die „Erben“ wieder in Michaelstein zur jährlichen Sommerphase, diesmal unter dem Titel „Bach zieht um: 300 Jahre Bach in Weimar“. 1708 war Bach von Mühlhausen nach Weimar gezogen, und das Orchester nahm sich Werke, die Bach in seiner Weimarer Zeit als Vorlage dienten, Concerti von Vivaldi und Marcello vor. Dozenten waren, wie schon in den beiden Jahren zuvor, Musiker der „Akademie für Alte Musik Berlin“, die oft bis in die Nacht mit den 33 jungen Musikern probten. Nicht nur die Werke für die Konzerte, auch ein Kammermusikprogramm stellten sie auf die Beine, eine ideale Möglichkeit, die individuellen Facetten der Barockmusikbegeisterung auszuleben. Die Arbeit mit professionellen Sängern, die sich schon 2006 in der allerersten Probenphase bewährt hatte, gab auch diesem Programm mit Bachs Kantate „Himmelskönig, sei willkommen“ eine besondere Note.

Drei Konzerte bestritt das Orchester im Anschluss an die Arbeitsphase: In Michaelstein, in dem der Förderverein Michaelsteins den „Eitelfriedrich-Thom-Preis“ an Raphael Alpermann als Anerkennung seiner engagierten Arbeit mit den Jugendlichen verlieh, in Weimar, wo sich das Konzert in die Reihe „300 Jahre Bach in Weimar“ einfügte und in Grebenstein im Rahmen der Jugendorchesterkonzertreihe des Kultursommers Nordhessen. „Dieses Konzert war“, so Klaus Voigt, der als Mitarbeiter der Landesmusikakademie „Bachs Erben“ von Anfang an betreut, „eines der besten des Orchesters“. Eine Meinung, der sich auch die „Hessische Allgemeine“ anschloss: „Was die Jugendlichen boten, war weit mehr als eine Zufallsleistung. Das Spiel brauchte den Vergleich mit Profiformationen nicht zu scheuen.“

Und im Herbst warten schon wieder neue Aufgaben auf „Bachs Erben“: Im Jugendmusikfest Sachsen-Anhalt, einem landesweiten Festival in der Regie des Landesmusikrates, wird das Sommerprogramm wiederholt, und im Oktober begleitet das Orchester als musikalischer Botschafter eine Delegationsreise des Landes Sachsen-Anhalt: nach China.

2009 sind vor Pfingsten und Anfang August die Hauptarbeitsphasen, die Sommerkonzertreise wird voraussichtlich nach Dresden gehen. Interessenten können sich auf der Website des Orchesters über Zugangsvoraussetzungen informieren. Und der Terminkalender füllt sich.

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