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An den Grenzen der Selbstverwirklichung

Untertitel
Pop-Stern Christina Aguilera im Oktober in der Festhalle Frankfurt
Publikationsdatum
Body

Der große Stuhl, auf den die zierliche Frau gebunden ist, wackelt. Schonungslos bestrahlt eine Scheinwerfer-Phalanx jedes Zucken des jungen Körpers. Aber das Mädchen kämpft mit den Fesseln, hat den Schlüssel für die Handschellen unter der Zunge versteckt. Schließlich kommt sie frei. Erst mal weg mit den Klamotten, weg mit dem T-Shirt. Es folgt ein Augenaufschlag des Sieges und die raunende Stimme: „So here it is… Just me – stripped“. Die Befreiung von der Fremd-bestimmung des Showbusiness ist passiert. Zumindest in diesem kurzen Filmchen, das die Show von Christina Aguilera einleitet.

Dann fällt die Leinwand, und der Blick auf die Bühne ist freigegeben. In diversen Gestängeaufbauten (Schiffsrelinge, Schwimmbadsprungtürme?) tummeln und räkeln sich Tänzerinnen und Tänzer, irgendwo sind auch Musiker versteckt. Aus dem Gewimmel schält sich der Star: „Stripped“. So heißt die Show, so lautet der Titel ihres aktuellen, ihres zweiten Albums. Ein früher Hit wie „Genie In A Bottle“ wird modifiziert eingebettet: „Xtina“, wie sie sich zur Zeit gern nennen lässt, zeigt sich noch einmal gefesselt (an ein großes Sado/Maso-X-Gestell), bedrängt von aufgegeilten Tänzern, befreit sich aber erneut mit einer haareschüttelnden Hardrock-Version des Songs.

Eigentlich sollte es doch einfach nur so laufen wie bei Madonna früher: Aus dem Püppi schlüpft der Prachtfalter – schlau, selbstbewusst, erfolgreich und schön. Britney Spears hat’s auch schon probiert, aber Christina Aguilera will es glaubwürdiger machen. Das komplette Konzert wird davon bestimmt: „Sorry if I don’t fake it, sorry I come too real“, hieß es ebenfalls im Intro. Aguileras aktuelle Lieder haben Titel wie „Underappreciated“, „Can’t hold us down“ oder „Fighter“ und der Einsatz für das emanzipierte Selbst wird durch exzessives Tanzen verdeutlicht.

Vielleicht meint sie es wirklich ernst. Vielleicht ist das, was wir zu sehen und zu hören bekommen, wirklich Christina Aguilera pur und mehr als das plakative Gedöns und Gedröhns, das gerade mal als Empfehlung für die dritte Reihe des Broadway reicht, ist da eben nicht. Im Verlauf des Konzertes hat man häufiger den Eindruck, die 22-Jährige hangele sich dauernd an ihren Grenzen entlang. Die Gesangkoloraturen schaffen es so gerade in die Höhen, die Tanzschritte klappen so eben noch. Und wenn sie eine kleine Ansprache hält, in der sie noch einmal betont, wie sehr sie doch auf ihre eigenen Instinkte vertraut, dann bringt sie ein liebevoller Zuruf aus dem Publikum beinahe aus dem Konzept. Somit eignet sie sich tatsächlich als Idol für die unzähligen Super- und Popstars in den Casting-Shows dieser Welt.

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