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Auf den Leib geschrieben

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Deutsche Ensemble Akademie: Nachwuchsforum
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„Musik und Sprache“: An dem Thema des mittlerweile siebten Nachwuchsforums der Gesellschaft für Neue Musik und des Ensemble Modern in der Deutschen Ensemble Akademie haben sich schon Generationen von Philosophen, Wissenschaftlern und nicht zuletzt von Komponisten abgearbeitet. Denn die Konjunktion ist unterschwellig auch eine Gleichung: Musik ist Sprache, nämlich ihre eigene und als solche erst einmal sich selbst genug. „Das Verhältnis zum Text“, wie Arnold Schönberg seinen epochalen Aufsatz im „Blauen Reiter“ überschrieb, war in der Deutschen Ensemble Akademie an diesem ereignisdichten, wissenschaftlich und künstlerisch hochwertigen Wochenende demnach auch nur einer von vielen tatsächlich zur Sprache und zu Gehör gekommenen Aspekten. Insgesamt erfreute das durchweg erkennbare Problem- mitunter sogar wieder Krisenbewusstsein der vortragenden Musikologen und aufgeführten Werke sehr: Glückwunsch an die Auswahlgremien. Die Ausnahme von der Regel war Axel Baunis Referat über das zeitgenössische Klavierlied. Der Nachfolger Aribert Reimanns auf dem Berliner Lehrstuhl für Liedinterpretation und Kurator des großen Liedstrahl-Projekts der Expo 2000 enttäuschte mit läppisch kommentierten Hörbeispielen. Auf welchem Niveau das Thema tatsächlich reflektiert werden kann, zeigte die Doktorandin Annika Lindemann (Bonn) mit ihrer Analyse des phonetischen Materials in György Ligetis Semantik-Nonsemantik-Klassiker „Aventures“, vor gut 40 Jahren entstanden. Bestens dazu passte das Gesprächskonzert mit dem griechischstämmigen Franzosen Georges Aperghis. Dessen Ein-Frau-Oper „Récitations“, in der Sprache in Musik umgewandelt wird, läuft gerade mit ziemlichem Erfolg in Darmstadt. Robin Hoffmann schrieb einem Interpreten Musik tatsächlich und nicht nur sprichwörtlich auf den Leib in seiner „An-Sprache“ für Bodypercussionisten.

Ältere Semester konnten sich bei Olga Rajewas „Intermezzo“ für Klarinette, Violoncello und Klavier nostalgisch freuen. Was wie eine instrumental improvisierte Publikumsbeschimpfung mit Fragmenten aus der Mao-Bibel schien, war indes ein streng durchkonstruierter Rekurs auf Texte von Wladimir Sorokin. Die 1971 geborene Komponistin schafft es in der Tat, Wortlaut und Wortbedeutung ständig in der Schwebe zu halten – Narrheit, narrativ. Steingrimur Rohloffs „Pont du monologue“ für Frauenstimme, Gitarre und elektronische Klänge am letzten Konzertabend kontrastierte dazu mit lyrischen Überlagerungen, computertechnischen Klangerweiterungen, Raumsimulationen und vor allem in der frappant ins Ohr springenden Instrumentation und Balance zwischen elektronischer Bearbeitung und deren Mutterklängen im Saal. Musik und Sprache war hier die Rückführung der Musik auf ihren vokalen und wohl auch rituellen Ursprung.

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