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Johann Adolf Hasse: Sinfonia op. 3 Nr. 3, Salve Regina A-Dur, Sinfonia F-Dur op. 3 Nr. 5, Motette „Chori angelici laetantes“, Fuga & Grave g-Moll, Salve Regina a due voci Es-Dur; Barbara Bonney (Sopran), Bernarda Fink (Mezzosopran); Musica Antiqua Köln, Leitung Reinhard Goebel DG/Archiv Prod. 453 435-2 Es ist faszinierend zu beobachten, welche Schätze der nimmermüde Repertoire-Hunger der eigentlich übersättigten Tonträgerindustrie bisweilen zu Tage fördert. Bei der traditionsreichen Archiv-Produktion setzt man seit einigen Jahren erfolgreich auf die Musik des Dresdner Hofes, die nach der spektakulären Wiederentdeckung des Komponisten Heinichen jetzt auch mit einer Hasse-CD vertreten ist. In einer sinnvollen Zusammenstellung finden sich drei geistliche Werke ergänzt mit drei Instrumentalstücken, darunter die Ouvertüren zu den beiden Opern „Cleofide“ und „Asteria“. (Von ersterer existiert übrigens eine hervorragende, bei „Capriccio“ erschienene Gesamtaufnahme unter William Christie). Reinhard Goebel als Leiter seiner „Musica Antiqua Köln“ legt in der „Cleofide“-Ouvertüre gleich zu Beginn seinen bekannt virtuosen Drive vor und liefert ein temperamentvolles Kunststück spätbarocken Musizierens. Er setzt heftige Akzente, forciert die Tempi und formt kernige, jedoch metallisch-kühle Klänge. Von scharfen, gleichsam „hausgekitzelten“ Kontrasten lebt auch die Sinfonia op. 3 Nr. 5 (Ouvertüre zu „Asteria“), ein ansonsten etwas manieriertes Beispiel des ausgehenden Barock. Besondere Highlights sind die drei Vokalwerke in der Interpretation der argentinischen Mezzosopranistin Bernarda Fink, verstärkt von Barbara Bonney im zweiten „Salve Regina“. Die klanglich trockene, bisweilen ruppig-rauhe Orchesterbegleitung ist überzogen mit dem sphärenhaft weichen Timbre der Solistin und läßt eine eigentümliche Polarität entstehen (auffällig bereits in Goebels Händel-Marienkantaten mit Anne Sofie von Otter). Bernarda Finks durch alle Register ausgeglichene, auch in den Koloraturen immer geschmeidige Stimme ist der eigentliche Glanzpunkt dieser CD. Leider wird das Orchester nicht immer so im Zaum gehalten, daß die Solistin wirklich durchdringt. Obwohl sie von der Tontechnik schon weit nach vorn gezogen wurde, verschwimmt nicht nur das tiefere Register in den Koloraturen des Motetten- „Alleluja“. Noch deutlicher wird dies bei der weniger stimmgewaltigen Barbara Bonney, die sich in den Duetten und ihrer einzigen Sobarie „Eja ergo“ nicht wirklich durchsetzen kann. Richtig entfesselt zeigt sich Goe-bel im rasenden „Fuga & Grave“ g-Moll, einem gewaltig brodelnden polyphonen Meisterstück. Ob diese zehn turbulenten Minuten allerdings wirklich von Hasse (oder Franz Xaver Richter) stammen, ist laut Goebel nicht nur ungeklärt, sondern auch irrelevant: Die „Fuga concertata“ sei ein „allgemeines Feld“, ein „wenig persönlicher Ausdrucksbereich“. Soviel Ungezwungenheit überrascht angesichts Goebels sonst so akribischer editorischer und interpretatorischer Arbeit. Sein Booklet-Essay „Hasse und Dresden“ ist jedenfalls amüsant wie informativ und weckt Interesse an musikalischen Expeditionen ins Elbflorenz.

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