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Ausgefallene Persönlichkeit, überzeugende Provokation

Untertitel
Kammermusik von Humperdinck, Grieg und Brahms, Klaviermusik von Bach und Schubert
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Engelbert Humperdinck: Streichquartette, Klavierquintette. Diogenes Quartett +++ Something almost being said. Bachs Par­titen 1 & 2, Schuberts Impromptus op. 90. Simone Dinnerstein +++ Johannes Brahms: Klarinettenquintett h-Moll, Edvard Grieg: Streichquartett g-Moll. Jörg Widmann, Klarinette; Hagen Quartett

Engelbert Humperdinck: Streichquartette, Klavierquintette. Diogenes Quartett. cpo/jpc 777 547-2

Engelbert Humperdincks Kammermusik ist früh, vor seiner Assistentenzeit in Bayreuths Parsifal-Werkstatt 1882, entstanden. Lediglich sein dreisätziges Streichquartett in C-Dur schob er 1920, fast vier Jahrzehnte nach Wagners Tod, sozusagen verspätet, nach und blieb in ihm seiner Traditionsmaxime treu. Der musikalische Avantgardismus seiner Zeit hatte ihn ohnehin nie beeindruckt. Die auf dieser CD versammelten Ensemblestücke (Streichquartett, Klavierquintett) reflektieren dank regelhaft durchgearbeiteter, klanglich stimmiger Musik eine beherzt persönliche Aussage mit Beharrlichkeit als Quintessenz. Das Diogenes Quartett begegnet dieser von feinem Ästhetizismus getragenen Repertoire-Literatur mit ausgefeilter Handwerklichkeit und einer warmen künstlerischen Ausstrahlung. Das Sondergebiet des hochbeliebten, in mancher Hinsicht auch verkannten Komponisten kommt authentisch zur Geltung.

Something almost being said. Bachs Par­titen 1 & 2, Schuberts Impromptus op. 90. Simone Dinnerstein. Sony 88697998242

Die 40-jährige Amerikanerin Simone Dinnerstein, die nicht mehr zur Jugendgruppe zählt, scheint sich im hektischen Musikbetrieb nicht verschleißen zu wollen. Als pianistischen Kompetenz-Beweis kann sie gelungene Aufnahmen, vor allem mit Werken Bachs, vorweisen. Beachtung verdient ebenso ihre neueste CD, deren Inhalt das Spezialisierte ihrer künstlerischen Arbeit akzentuiert – erstmals auch mit Schubert. Die Schülerin Peter Serkins setzt auf Durchdachtheit und auf eine extrem sensible Detailbeflissenheit: Alle Gestaltungsmomente erscheinen liebevoll ausdifferenziert und werden prozessartig in ein übergeordnetes Bild gefügt. Simone Dinnerstein spielt bis zur Ausgefallenheit persönlich und oft erstaunlich frei, verlässt aber nie den übergeordneten Rahmen der vom jeweiligen Werk vorgegebenen Erzählweise. 

Johannes Brahms: Klarinettenquintett h-Moll, Edvard Grieg: Streichquartett g-Moll. Jörg Widmann, Klarinette; Hagen Quartett. myrios classics (harmonia mundi) MYR007

Von seinen drei Quartettansätzen brachte Grieg nur das g-Moll-Werk zur Vollendung. Trotzdem fristet es ein Dasein am Repertoirerand. Als Fast-Verurteilung mag sich ihm gegenüber immer noch die diskreditierende Meinung behaupten, es sei plan gedacht und ebenso gemacht. Das Hagen-Quartett widerspricht dem mit seiner Aufnahme energisch. Hat man Griegs Quartett jemals so gerafft, den Hörer schier überfahrend gehört? Nationalromantische Substanz in klassizistisch ausgewogener Darstellung – so läuft der Vortrag bei den Künstlern aus Salzburg nicht. Sie gehen auf Tempo, brennen mit dieser Musik, setzen angeschärfte Akzente, schneiden Kontraste heraus, provozieren. Überzeugend gepaart wird es auf dieser CD mit Brahms’ Klarinettenquintett. Der Klarinettist Jörg Widmann, ein Sensibilist eigenster Prägung und ausgestattet mit einem Höchstmaß subtilster Musikalität, gibt mit seinem Vortrag zu Brahms’ Quintett eine dezidierte Meinung ab: er betrachtet es wie von innen, trägt diese tiefempfundene Haltung nach außen und bleibt dabei so introvertiert-gelassen wie nur möglich. Werk und Wiedergabe als rarer Sonderfall in jeder Beziehung!

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