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Klangkollektiv Düsseldorf. Foto: Florian Kaiser-Winter
Klangkollektiv Düsseldorf. Foto: Florian Kaiser-Winter
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Barrierefreie „Pausengespräche“

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Das Klangkollektiv Düsseldorf verbindet Kammermusik und Schauspiel in zwei Programm-Variationen
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Drei Wochen noch, dann soll die Hochzeit sein. Perfekt muss sie werden, vom Feinsten sein das Ambiente, das Menü und natürlich auch die Musik. Weshalb Clarissa, gut betucht, klassisch gebildet und très frankophil, ihren Verlobten Marc zur Auswahl derselben ins Konzert entführt.

Das Programm heißt „À Paris“, und gespielt werden Werke von französischen Komponisten – für Klavier und Gesang und für Klavier solo. Clarissa kennt sich aus mit Fauré, Ravel, Debussy und Poulenc; für ihren Liebsten ist diese Musik eher fremd, aber er lässt sich darauf ein. Nur, was machen die impressionistischen Klänge mit Jenny und Devid? Marcs Schwester und ihr Freund sind zwar herzensgut, aber herzlich unbefangen in Sachen Kammermusik. Mit Basecap, Leggings und Turnschuhen scheinen sie nicht in die Welt der Arpeggien und Koloraturen zu passen, der rhythmischen Finessen und transparenten Harmonien, der „accents“ und „liaisons“, der Künstlerleben, so weit entfernt vom Hier und Jetzt. Doch der Eindruck trügt. Jenny und Devid verstehen sehr wohl. Weil sie hören, weil sie spüren.

Was zu beweisen war. Und zwar Schritt für Schritt in einem Programm, das auf unterhaltsam-kluge Weise einen niederschwelligen Zugang zur klassischen Musik zu eröffnen vermag. „Pausengespräche“ heißt das neue Konzertkonzept des Klangkollektivs Düsseldorf. Es setzt jeweils ein stimmiges musikalisches Programm in einen erzählerischen Rahmen, der das Publikum an die Hand nimmt. Wie bei dieser spielerischen Reise ins Paris des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Und wie bei der Annäherung an die Schnittstelle zwischen Romantik und Moderne unter dem Titel „Aufbruch 1900!“. Diese zweite Programm widmet sich Werken etwa von Richard Strauss, Alban Berg oder Karol Szymanowski.

In fünf Konzerten hat das Klangkollektiv seine „Pausengespräche“ Ende 2022 präsentiert. Der Pianist Max Philip Klüser, die Sopranistinnen Xenia von Randow und Lisa Katarina Zimmermann bieten Oper und Konzert „für Schwimmer und Nichtschwimmer“ an, gestalten also im besten Sinne inklusive Programme, die den Connaisseur ebenso bedienen wie die vermeintliche Kulturbanausin. Häufig arbeiten die drei im Verein mit dem Schauspielerpaar Johanna von Gutzeit und Alex Friedland, das gewissermaßen stellvertretend fürs Publikum Fragen aufwirft, um sie dann mit Musikern und Musikerinnen auch zu beantworten.

Das Klangkollektiv biete das, „was die Konzertlandschaft vielleicht gerade braucht“, schlussfolgerte der „Tonart“-Beitrag auf WDR 3 im vorigen Jahr nach dem Besuch des Kunstlied-Slams, dargeboten beim „Neuland.Lied-Festival“ des Heidelberger Frühlings und beim Düsseldorf Festival. Mit diesem Format schickt das Ensemble Komponistinnen und Komponisten in eine heitere „Battle“. Die Gäste im Saal entscheiden, welche Vertonungsvariante eines Gedichts die möglicherweise beste ist. Ein ebenso motivierender wie erhellender wie kommunikativer Ansatz.

„Unsere Formate setzen auf Nähe; sie entstehen im Dialog“, sagt Max Philip Klüser. Der Austausch ist Prinzip: miteinander, mit dem Publikum, in anderen Konstellationen. Denn sämtliche Beteiligte sind selbstredend in unterschiedlichen Zusammenhängen engagiert. Der Pianist zum Beispiel als „Kopf“ des Ábo Klavierquartetts, als Solist bei Orchesterkonzerten, als kammermusikalischer Partner, als Lehrer an der Musikhochschule Düsseldorf, als Meisterschüler von Jacques Rouvier am Mozarteum in Salzburg… Xenia von Randow arbeitete als Solistin unter anderem am Theater Koblenz, Theater Duisburg und an der Deutschen Oper am Rhein. Lisa Katarina Zimmermann hat ein Engagement als Sopranistin an der Oper Köln und ist freiberuflich vor allem im Bereich Liedgesang tätig. Düsseldorf ist für die Klangkollektivisten das verbindende Element, denn hier, an der Robert-Schumann-Hochschule, haben alle drei ihr Studium erfolgreich beendet.

Ihr Austausch mit Johanna von Gutzeit und Alex Friedland ist andauernd und eng. Klüser: „Wir sind immer in einem gewissen Arbeitsmodus.“ Das Schauspielerpaar lebt in Berlin und arbeitet vorrangig im Bereich der Filmsynchronisation. Die intensivere Zusammenarbeit mit dem Ensemble aus Düsseldorf ergab sich beim Konzeptionieren eines Trailers für das „Strauss-die-Maus“-Programm des Klangkollektivs. Dabei entstand die Idee, Alt und Jung, zumal auf verschiedenen gesellschaftlich-sozialen Ebenen, interagieren zu lassen. Das war die Geburtsstunde von Charakteren wie Devid und Jenny und ihrem älteren Paar-Pendant aus dem Seniorenzentrum. Und so folgte auf den knappen Spot die Entwicklung eines abendfüllenden Programms: „Pausengespräche“, mit einem Plot und in der Inszenierung des Hamburger Regisseurs und Autors Peter Thiers. Alex Friedland und Johanna von Gutzeit spielen darin gekonnt mit der Illusion, dass im Konzertsaal nicht nur Clarissa und Marc, sondern auch Devid und Jenny und damit gleich vier Protagonisten parlieren: über das Leben an und für sich und über die Schönheit, Tiefe und Weite der Musik.

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