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The „Unknown Quartet“ aus Berlin mit Schlagzeuger Joshua Reinfeld (19), Bassist Sidney Werner (22), Tenorsaxophonist Niko Zeidler (18) und Trompeter Arvid Maier (18). Foto: Petra Basche
The „Unknown Quartet“ aus Berlin mit Schlagzeuger Joshua Reinfeld (19), Bassist Sidney Werner (22), Tenorsaxophonist Niko Zeidler (18) und Trompeter Arvid Maier (18). Foto: Petra Basche
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Begegnung oder Wettbewerb

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Harte Juryworte bei der 13. Bundesbegegnung „Jugend jazzt“ in Potsdam
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Sie spielen auf wie erfahrene Profimusiker, die beiden Hauptpreisträger der diesjährigen Bundesbegegnung „Jugend jazzt“. Das Trio „First Circle“ aus Hessen erhält den Studiopreis des Deutschlandfunks. Die Band, bestehend aus Saxophonist Victor Fox (14), Bassist Roger Kintopf (16) und Schlagzeuger Felix Ambach (16), wird im Kammermusiksaal des Deutschlandfunks in Köln eine eigene CD produzieren. Der ŠKODA Jazzpreis 2015 geht an The „Unknown Quartet“ aus Berlin. Trompeter Arvid Maier (18), Tenorsaxophonist Niko Zeidler (18), Schlagzeuger Joshua Reinfeld (19) und Bassist Sidney Werner (22) dürfen sich auf einen Workshop und ein anschließendes Konzert mit Jazztrompeter Rüdiger Baldauf vorbereiten.

Beide Formationen, die jüngere wie die ältere zeigten sich nicht nur technisch hochversiert, sondern auch als Ensemble balanciert, kraftvoll, das Risiko nicht scheuend. Beide Ensembles stachen definitiv heraus aus dem Feld der 12 Gruppen, die nach Potsdam kamen, um sich zu „begegnen.“ Dabei waren andere Ensembles teilweise nur minimal weniger gut aufgestellt, weniger im Zusammenspiel differenziert, weniger mutig oder: zu mutig. Aber manchmal sind es die kleinen Unterschiede und Malheurs, die den Unterschied ums Ganze ausmachen. Mainstream war Mangelware – und das ist gut so. Fast durchweg spielten sie eigenes Material. Die Combos waren unvergleichlich im besten Sinn des Wortes. Sie hatten maximal 30 Minuten Zeit, ihre Fähigkeiten vor der fünfköpfigen Jury unter Beweis zu stellen und das ab 9 Uhr morgens. Der Deutschlandfunk hat die Auftritte live mitgeschnitten: Sicher eine der sinnvollsten Leistungen von „Jugend jazzt“.

Damit kommen wir auch schon zu den Problemen der Unternehmung „Jugend jazzt“. Man sollte sich fragen, ob die Gestaltung der viertägigen Bundesbegegnung wirklich sinnvoll ist. Alle Veranstaltungen sind zwar öffentlich und kostenlos, die Anzahl der Besucher blieb trotzdem gering. Insbesondere das Preisträgerkonzert am Sonntag um 11 Uhr bevölkerten vor allem die Musiker selbst und ihre Begleiter. Als zum Schlussbild alle Teilnehmer auf der Bühne standen, war daher der Saal fast leer.

Was heißt hier Konzert?

Überhaupt: Was heißt hier Konzert? Da gab es eine Abfolge von Ansprachen von Veranstaltern, Sponsoren und anderen Förderern. Dann eine schier endlos wirkende Perlenkette von Urkundenvergaben und minimale Informationen zur Preisvergabe selbst, dazwischen irgendwie auch Musik (im Programmheft kann man nachlesen, dass die beiden besten Bands die Veranstaltung musikalisch begleiten, das sagt alles). Ein attraktives Konzert sieht anders aus. Auch würde man sich die Jury-Begründungen mal im Detail ansehen wollen. Aber sie sind nicht öffentlich. Mit der Wortsalbe des Jury-Vorsitzenden Marko Lackner: „Die Mitglieder der Jury waren von der Qualität der teilnehmenden Bands begeistert.  Vor allem dieser Umstand ist ein Beleg, dass der Jazz heute wie auch in Zukunft durch immer neu heranwachsende musikalische Talente, eine lebendige, die Gesellschaft bereichernde Kunstform ist“, ist wenig genug gesagt.

Dass nur eine einzige Frau als Musikerin in einer Combo im Wettbewerb auszumachen war, wirkte eigenartig, wenn man weiß, wie viele Frauen mittlerweile Jazz studieren oder in Schul-BigBands mitspielen. Vielleicht hat es aber Ursachen, die zu ergründen nützlich wäre.

Mit den Entscheidungen der Jury waren nicht alle Teilnehmer so glücklich, so wenig wie mit den Beratungsgesprächen nach den Wertungsspielen. Der Jury-Vorsitzende Marko Lackner entschuldigte sich später für manches „harte“ Wort. Aber: Ist diese Jury überhaupt adäquat besetzt für diese Aufgabe? Während die einen Teilnehmer positive Ideen aus den Gesprächen zogen, ließen andere doch Zweifel an der Objektivität der Bewertung aufkommen.

Preisstruktur

Auch bei der Preisstruktur ist einiges überdenkenswert. Viele Konzertauftritte wurden als „Preise“ verteilt, wissend, dass sie teilweise ohne Honorar und nur mit Spesenpauschalen bedacht sind. Oder sie liegen wie der „Konzertpreis des Live-Musik Esslingen e.V.“ in ferner Zukunft (Sommer 2016). Pyrrhus-Preise könnte man solche Preise nennen und sie wirken ein bisschen wie „passend gemacht“ – zum Beispiel, wenn die jüngste Teilnehmer-Band aus Salzwedel „FaTiKo“ einen Konzertauftritt beim mit 400 Euro Honorar und Reisekosten ausgestatteten Jugendmusikfest Sachsen-Anhalt erhält – Auftritt dann im Kulturhaus Salzwedel am 29. September 2015. Ein Schelm, wer … naja. Die Stimmung innerhalb der jungen Jazzer dagegen war sehr gut und auch das Wetter spielte mit. Viele Kontakte und Freundschaften wurden geschlossen.

Man würde sich mehr Beachtung für die jungen Musiker durch die Szene und Mitmusiker mit größerer und längerer Erfahrung wünschen. Eigentlich müssten die älteren Kollegen Schlange stehen, um hie und da mit Hilfe, Rat und vielleicht auch Mitspielfreude zur Seite zu stehen – sofern die es überhaupt wollen. Dann nämlich könnte sich der Jazz über den Wettbewerb hinaus begegnen.

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