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Neun Thesen zur alternativen Kulturfinanzierung, Teil I · Von Olaf Zimmermann
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Stellt man die Frage nach der Kulturfinanzierung, stehen die Kultureinrichtungen in öffentlicher Trägerschaft beziehungsweise die von der öffentlichen Hand unterstützten Kulturinstitutionen im Mittelpunkt des Interesses. Im Zuge der Wiedervereinigung zu Beginn der 90er-Jahre fand eine rege Debatte zur Kulturfinanzierung statt. Hintergrund war der Erhalt sowie der Aufbau von Kultureinrichtungen sowie die Etablierung von Kulturverwaltungsstrukturen in den neuen Ländern und in deren Gemeinden. Im Mittelpunkt der Diskussion stand damals die Frage, wie eine dauerhafte Finanzierung der Einrichtungen im Osten Deutschlands nach dem Vorbild der West-Bundesländer aufgebaut werden kann.

Das kulturelle Leben in der Bundesrepublik ist durch das Zusammenwirken der Kulturwirtschaft, dem privaten Engagement in Vereinen und den in öffentlicher Trägerschaft befindlichen oder von der öffentlichen Hand geförderten Kultureinrichtungen geprägt. Alle drei Bereiche sind eng miteinander verflochten und stehen in enger Wechselbeziehung. Stellt man die Frage nach der Kulturfinanzierung, stehen die Kultureinrichtungen in öffentlicher Trägerschaft beziehungsweise die von der öffentlichen Hand unterstützten Kulturinstitutionen im Mittelpunkt des Interesses. Im Zuge der Wiedervereinigung zu Beginn der 90er-Jahre fand eine rege Debatte zur Kulturfinanzierung statt. Hintergrund war der Erhalt sowie der Aufbau von Kultureinrichtungen sowie die Etablierung von Kulturverwaltungsstrukturen in den neuen Ländern und in deren Gemeinden. Im Mittelpunkt der Diskussion stand damals die Frage, wie eine dauerhafte Finanzierung der Einrichtungen im Osten Deutschlands nach dem Vorbild der West-Bundesländer aufgebaut werden kann. Mitte der 90er-Jahre stand das Sponsoring im Rampenlicht des Interesses bei der Frage der Kulturfinanzierung. Von den Gegnern, die bei Sponsoringmaßnahmen einen zu großen Einfluss der Geldgeber fürchteten, bis zu jenen, die unermessliche Chancen für Kultureinrichtungen sahen, spannte sich die Diskussion. Heute wird das Sponsoring vor dem Hintergrund der tatsächlich gesponserten Mittel wesentlich nüchterner gesehen.

Seit dem Ende der 90er-Jahre werden die Diskussionen über die Kulturfinanzierung unter dem Blickwinkel des bürgerschaftlichen Engagements geführt. Am Anfang dieser Debatte stand die Diskussion um ehrenamtliches Engagement in Kultureinrichtungen wie zum Beispiel Bibliotheken. Zur Zeit wird über die Spende von Zeit (Ehrenamt) und von Geld (Spende, Stiftungen) gesprochen. Im bürgerschaftlichen Engagement wird eine der Chancen gesehen, um weitere Mittel zur Finanzierung von Kunst und Kultur zu gewinnen.

Ein großes Handikap bei der Diskussion um die Kulturfinanzierung ist, dass keine verlässlichen vergleichbaren Daten zu den geleisteten Anteilen an der Gesamtfinanzierung von Kunst und Kultur vorliegen. Der Arbeitskreis Kulturstatistik in Bonn bemüht sich zwar um den Aufbau einer Datenbasis, doch gibt es aufgrund der nach wie vor unterschiedlichen Abgrenzungen von Bund, Ländern und Gemeinden keine verbindliche Kulturstatistik und damit auch keine vergleichbare Datenlage. Auf der Basis der derzeit verfügbaren Daten kommt der Arbeitskreis Kulturstatistik zu folgender Aussage: Betrachtet man die öffentliche Kulturfinanzierung [1], so tragen nach der Analyse der derzeit zur Verfügung stehenden Daten (1995) die Länder die Hauptlast der Finanzierung, nämlich 50 Prozent der Kulturausgaben insgesamt oder auch 6,56 Mrd. Mark. Die Gemeinden verfügen über eine Etatsumme von 5,61 Mrd. Mark und stellen damit 43 Prozent der Etatsumme. Der Bund steuert mit 0,85 Mrd. Mark 7 Prozent zu den Kulturausgaben bei. Insgesamt beläuft sich die Gesamtsumme für Kultur auf 13,0 Mrd. Mark. Als Bemessungsgrundlage wählte der Arbeitskreis Kulturstatistik die Förder- und Zuwendungssummen der Gebietskörperschaften. Eigenbetriebe oder Regiebetriebe wurden also ausgeklammert.

Aus dieser Vorgehensweise ist erklärlich, weshalb bei dieser Datenzusammenstellung der Anteil des Bundes an der Kulturfinanzierung relativ hoch ist und der der Länder ebenfalls. Generell wird ansonsten davon ausgegangen, dass die Gemeinden die Hauptlast bei der Kulturfinanzierung tragen, danach die Länder und zum Schluss der Bund [2].

Die höhere Verantwortung und Ausgabenlast der Gemeinden für die Kulturfinanzierung ist sicherlich einer der Gründe dafür, dass in den Gemeinden mit der Einführung neuer Steuerungsmodelle, der Umwandlung in Eigenbetriebe und anderem mehr die Handlungsspielräume für Kultureinrichtungen erweitert wurden. Die Übertragbarkeit von Haushaltsmitteln in das Folgejahr ist seither möglich geworden, die gegenseitige Deckungsfähigkeit von Haushaltstiteln gehört dazu und auch die Deckungsfähigkeit von Personal- und Sachmitteln wird erprobt. Das bedeutet für die Kultureinrichtungen eine größere Verantwortung aber auch mehr Spielräume für wirtschaftliches Handeln im betriebswirtschaftliche Sinne.

Beliehene Unternehmer

Die Länder erproben ebenfalls, das Korsett des Haushaltsrecht zu lockern. So hat das Land Niedersachsen beispielsweise der Landesarbeitsgemeinschaft soziokultureller Zentren den Status als „Beliehene Unternehmen" gegeben, so dass die vom Land zur Verfügung gestellten Mittel für Soziokultur jetzt von dieser Institution vergeben und geprüft werden.

Betrachtet man die aus dem Etat des Beauftragten der Bundesregierung für die Angelegenheiten der Kultur und der Medien gezahlten Zuwendungen und Zuschüsse nach dem Einzelplan 0405 des Bundeshaushaltes, so wurde bei einzelnen Institutionen zwar auch die Übertragung der Haushaltsmittel erlaubt und können Zuwendungen zur Selbstbewirtschaftung zugewiesen werden, doch zeigt sich in der Verwaltungspraxis, dass die positiven Ansätze der Haushälter von den Bewilligungsbehörden nicht immer entsprechend umgesetzt werden.

Die unzureichende Ausschöpfung der haushaltsrechtlich möglichen Handlungsspielräume, ein vielfach bestehendes Misstrauen gegenüber Zuwendungsempfängern, die fehlende Verbindung zwischen den Fach- und Bewilligungsbehörden, starres Festhalten an Haushaltsplänen führen dazu, dass den Kultureinrichtungen der Atem für die Verwirklichung ihrer tatsächlichen Aufgaben genommen wird. Überspitzt könnte dies heißen, dass Einrichtungen zwar Geld für ihr Personal haben, aber keine Mittel für Telefon, Briefmarken, Papier und ähnliches.

Nicht verkannt werden darf bei der Debatte um Möglichkeiten alternativer Kulturfinanzierung, dass auch die Kultureinrichtungen selbst im Laufe der Jahre der öffentlichen Verwaltung ähnlichen Strukturen aufgebaut haben. Anders gesagt: Verwaltung produziert Verwaltung. Auch in diesen Einrichtungen sind also Umstrukturierungen erforderlich, wenn in größerem Umfang andere Finanzierungsquellen zur bisherigen öffentlichen Finanzierung hinzutreten sollen.

Bei der Debatte um alternative Kulturfinanzierung ist der Ausgangspunkt demnach stets die öffentliche Kulturfinanzierung. Alternative Finanzierungsformen werden gesucht aufgrund: knapper öffentlicher Kassen, der Zwänge des öffentlichen Haushaltsrechts, die wirtschaftliches Handeln im unternehmerischen Sinne kaum erlauben, und des Bestrebens der Bürgerinnen und Bürger sich zu engagieren. Die Diskussion um alternative Kulturfinanzierung braucht einen neuen Anfang. Die vorherigen Debatten müssen dafür genutzt werden.

Das Ziel sollten Finanzierungsstrukturen sein, die:

  • eine Grundsicherung gewährleisten,
  • Experimente ermöglichen,
  • privates Engagement herausfordern,
  • wirtschaftliches Handeln zulassen,
  • auf Mischfinanzierungen basieren,
  • einen geringstmöglichen Verwaltungsaufwand erfordern,
  • partnerschaftlichen Umgang voraussetzen,
  • den Dritten Sektor in seiner Selbstbestimmung stärken.

Wenn diese Grundvoraussetzungen stimmen, werden die Probleme der Kulturfinanzierung zu lösen und mehr Bürgerinnen und Bürger zu größerem Engagement zu gewinnen sein. Gewinnen können in diesem Prozess alle:

  • die öffentliche Verwaltung, da sie sich auf ihre Kernaufgaben konzentrieren kann,
  • die Kultureinrichtungen, weil sie Handlungsspielräume gewinnen und ihre Energie in kulturelle Projekte umsetzen kann,
  • die Bürgerinnen und Bürger durch eine Stärkung des Dritten Sektors und damit mehr Selbstbestimmung.

Die Debatte um das Stiftungsrecht in den vergangenen zwei Jahren hat gezeigt, dass von Seiten des Bundes, der Fraktionen der im Bundestag vertretenen Parteien und des Dritten Sektors Handlungsbedarf zur Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements gesehen wird. Die endlich vollzogene Abschaffung des Durchlaufspendenverfahrens ist ein Signal für mehr Vertrauen in Kulturorganisationen des Dritten Sektors. Weitere Schritte, insbesondere an der Schnittstelle von öffentlicher und privater Finanzierung, sind erforderlich.

1. Die Kulturfinanzierung ist eine Pflichtaufgabe des Kulturstaats. Private Kulturfinanzierung entbindet die öffentliche Hand nicht von dieser Verpflichtung

Die Kulturfinanzierung in der Bundesrepublik Deutschland steht in der Tradition feudaler Kulturfinanzierung. Der Erhalt sowie die Ausstattung von Theatern und Museen war immer auch ein Teil des Repräsentation feudaler Herrschaft. Auch wenn ein hoheitliches Verständnis von Staat und Verwaltung gegenüber Kultureinrichtungen nicht mehr zeitgemäß und angemessen ist, kann die gewachsene Verantwortung der Finanzierung von Kunst und Kultur nicht abgestritten werden. Private Finanzierung von Kunst und Kultur hat in Deutschland ebenfalls eine Tradition. Die zur Verfügung gestellten Volumina liegen jedoch stets weit unter den Anteilen der Öffentlichen Finanzierung. Das verstärkte Hinzutreten privater Finanzierungsformen und die Umwandlung von Kultureinrichtungen entbinden den Staat jedoch nicht von seiner historisch gewachsenen Verantwortung.

2. Transparenz hinsichtlich der Gewährung und Verwendung öffentlicher Mittel ist erforderlich. Die an der Entwicklung von Finanzierungsstrukturen Beteiligten dürfen sich ihrer Verantwortung nicht entziehen.

Es ist ein im Kulturbereich sehr verbreiteter Irrtum zu meinen, die öffentliche Hand nähme als Zuwendungsgeber keinen Einfluss auf Entscheidungen der Mittelzuweisung und -verwendung. Zuwendungsnehmer öffentlicher Mittel sollten Rechenschaft über erhaltene und verausgabten Mittel ablegen. Zuwendungsgeber sollten sich zu ihrer Verantwortung für die von ihnen geschaffenen Finanzierungsstrukturen bekennen.

3. Private Kulturfinanzierung wird zunehmend auch dort notwendig sein, wo heute noch die öffentliche Hand tätig ist.

Aufgrund der ökonomischen Handlungszwänge der Öffentlichen Hand werden private Finanzierungsformen zum Erhalt und der Weiterentwicklung von Kultureinrichtungen an Bedeutung gewinnen. Private Finanzierungsformen werden ergänzend zur öffentlichen hinzutreten, mitunter die öffentliche Finanzierung ersetzen.

4. Private Finanzierungsmodelle werden künftig auch für große Kultureinrichtungen mit und ohne Unterstützung durch die öffentliche Hand entwickelt werden müssen.

Auch große Kultureinrichtungen, die in beträchtlichem Maße Zuwendungen erhalten, werden sich privaten Finanzierungsformen öffnen müssen. Gerade die großen Einrichtungen binden erhebliche Teile der Kulturetats. Um in den Kulturetats wieder Raum für neue Projekte zu schaffen und den Einrichtungen Chancen zur Weiterentwicklung zu geben, müssen Modelle für private Finanzierungsformen gerade großer Kultureinrichtungen entwickelt werden.

5. Private Kulturfinanzierungsinstrumente sind in Form der Rechtsformen Verein, Stiftung und GmbH vorhanden. Die Entwicklung neuer Rechtsformen erscheint überflüssig.

Betrachtet man Organisationsformen privater Kulturfinanzierung ist zu unterscheiden, ob sie zusätzlich zur öffentlichen Finanzierung hinzutreten sollen, etwa durch Gründung eines Fördervereins oder ob sie die in öffentlicher Trägerschaft befindliche Einrichtung in die private Trägerschaft überführen sollen, also zum Beispiel durch Gründung einer GmbH. Das Schaubild zeigt für die unterschiedlichen Rechtsformen Handlungsmöglichkeiten hinsichtlich der Einwerbung von Spenden, wirtschaftlichem Handeln et cetera auf.

[1] Daten nach Arbeitskreis Kulturstatistik. Dabei erfolgte die Abgrenzung nach dem Statistischen Jahrbuch in Theater, Musikpflege, Museen, Denkmalpflege, Naturschutzpflege, sonstige Kulturpflege, kirchliche Angelegenheiten, Kulturverwaltungen. Quelle: http://www.kulturpolitik.de Abfrage 12.02.2000.

[2] Der in der Relation gesehen geringe Bei- trag des Bundes in der Kulturfinanzierung liegt u.a. darin begründet, dass der Bund nur für Einrichtungen mit gesamtstaatlicher Bedeutung Verantwortung übernehmen will.

Teil II folgt in der nmz April 4/2000

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