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Bewegter Erzählstil

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Georg Friedrich Händel: Die Klaviersuiten
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Georg Friedrich Händel: Die Klaviersuiten; Ragna Schirmer. Berlin Classics/edel 0016452BC

Ragna Schirmer setzt mit ihrem neunten Album für das Label Berlin classics ihre programmatische Tendenz fort, die Funktionalität von in sich geschlossenen oder formal einander nahen Werkkomplexen zu erproben und ihre Erfahrung über Tonträger zu vermitteln. Im Jahr 2000 hatte sie als Schallplattendebütantin mit dem denkbar Schwersten begonnen, mit Bachs Goldberg-Variationen. Ihnen ließ sie Aufnahmen von Schnittkes Klaviersonaten folgen, weiter zwei Haydn-Doppelalben, Chopins Etüden op. 10 mit Fantasien von John Corigliano, Beethovens Violinkonzert in der Klavierfassung, gekoppelt mit Franz Schmidts Beethoven-Variationen für Klavier und Orchester, Mendelssohns Klavierkonzerte sowie eine CD mit Schumanns Sinfonischen Etüden und den vom ihm aufgegebenen Beethoven-Etüden.

Ragna Schirmers CD-Liste verweist auf eine Repertoire-Vorliebe, die sie nun weiter verfolgt: Zeitgerecht zum Jubiläumsjahr Händels präsentiert sie dessen Klaviersuiten. Wann diese genau entstanden sind, ist unsicher. Veröffentlicht wurde eine erste Folge mit acht Suiten 1720 und 1733 eine zweite mit neun. Beide Serien enthalten außerdem verstreute Stücke.

Ragna Schirmer spielt die erste Serie komplett, aus der zweiten hat sie die Suiten 2 und 9 ausgeschieden, dafür aber eine Chaconne berücksichtigt. Ragna Schirmers Vortrag vermeidet jede Spielfreiheit, die der späten Barockzeit nach heutigem Wissensstand unangemessen wäre.
Dagegen geht die Pianistin legitimerweise von ihrem Instrument, dem modernen Konzertflügel, aus. Damit bezieht sie eine Gegenposition zu den Cembalisten, die an die vorauszusetzende Einheitlichkeit der registerfixierten Klangfelder gebunden sind. Auf dem Flügel gestattet dagegen die Modulierfähigkeit des Einzeltons, seine Einbindung in übergeordnete Einheiten und deren zielgerichtete Gestaltung eine breiter gesteckte Unterschiedlichkeit der ästhetischen Annäherungen. Das Anhören wird mithin zum reinen Klaviervergnügen, das Ragna Schirmer durch ihr Spiel freisetzt und zum Vorteil des Hörers auskostet, ohne in verwaschene Pauschalisierungen abzugleiten. Die bei vielen heutigen Pianisten ihrer Generation üblich gewordene, oft zur Schablone erstarrende Geläufigkeitsmechanik ist nicht ihr Ansatz. Ihr geht es um einen bewegten, in sich strikt zu gliedernden Erzählstil mit allen vorstellbaren Nuancierungen in Anschlag, Phrasierung, reichhaltig offener Dynamik, wie Händels vitale musikalische Gestik sie einem Interpreten vorgibt.

Ein zustimmungsfähiges Album von hohem Anspruch, mit exzellenten interpretatorischen Wiedergaben und in ansprechender Ausfertigung ist gelungen.

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