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Bildung ist mehr als Schule

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Bedeutung und Chance der Musikausbildung Fachtagung zu "Ganztagsschulen" wird gefordert
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Hannover. Der DTKV Niedersachsen hat sich zur aktuellen problematischen Situation zu „G8 und Ganztagsschule“ mit einem Statement an das Ministerium für Wissenschaft und Kultur (MWK) und das Kultusministerium (KM) in der Landeshauptstadt gewandt und außerdem bei der Mitgliederversammlung des Landesmusikrates einen Antrag auf Organisation einer Fachtagung „Ganztagsschule“ mit weiteren betroffenen außerschulischen Bildungsträgern gestellt, um Lösungen zu finden, wie außerschulische Bildung in der veränderten Schulsituation garantiert werden kann.

So wird mit Sorge vom DTKV festgestellt, dass sich die Zeit für Unterricht an einer Musikschule oder bei einem freiberuflichen Musikpädagogen durch G8 und Ganztagsschule immer mehr in den Abend (von 15.30 bis 19.30 Uhr oder später) verschiebt. Schüler werden durch die Schule immer mehr in Anspruch genommen. Natürlich mit der Folge, dass die Schüler müde, nicht mehr aufnahmefähig, teilweise regelrecht blockiert sind! So erscheinen Schüler, die zum Beispiel wegen anstehender Klassenarbeiten zeitweise gar nicht üben können. Sowohl die Planung als auch die Durchführung des Unterrichtes artet für die Pädagogen in eine ständige Herausforderung aus. So entsteht die Frage, ob es in einer Ganztagsschule die Möglichkeit geben wird, mit dem qualifizierten Einzelunterricht instrumental oder vokal in Schulen zu gehen. Sind dafür die Bedingungen (z.B. Instrument und Raum) auch erfüllt? Oder werden Zeitfenster geschaffen, in denen Schüler ihre außerschulischen Musikunterricht nachgehen können?
Zukunft der Musikpädagogen
Die Zukunft der freischaffenden Musikpädagogen sehen wir sehr bedroht. Es werden in Zukunft immer mehr Lehrer sein, die freischaffend arbeiten müssen, da es kaum Stellen an den Musikschulen gibt.
Anm. d. Red.: In vielen Ausgaben der nmz und des DTKV-Bundesverbandes wurden in den letzten Monaten zahlreiche Beiträge veröffentlicht, die die grundsätzliche und sich wirtschaftlich verschlechterte Situation der freiberuflichen Musikpädagogen bis hin zur Existenzgefährdung darstellten (siehe ver.di-Umfrage).
Das „Musikland Niedersachen – Wir machen die Musik“ fördert mit seinen Projekten zwar den Gruppenunterricht in Schulen, aber andererseits kann der wichtige, langfristig angelegte Musikunterricht an der Schule längst nicht flächendeckend gegeben werden. Den freiberuflichen Musikpädagogen bleibt die Möglichkeit versagt, sich unmittelbar in diesen Projekten einzubringen.  Anders als zum Beispiel in Hamburg verhandelt unser Ministerium nur mit Musikschulen. Diese Tatsache stellt eine zusätzliche Härte im Vergleich zu Musikschulpädagogen dar. Bleibt hier die Frage, ob daran gedacht ist, den freiberuflichen Mitgliedern des DTKV zukünftig die direkte Durchführung von Projekten im Rahmen von „Musikland Niedersachsen – Wir machen die Musik“ zu ermöglichen.
Trotz aller Bemühungen der sehr interessierten, begabten und fleißigen Schüler fehlt es ihnen an Zeit, vernünftig zu üben, um ein gutes Niveau zu erreichen. Mit einem Praxisbeispiel eines Braunschweiger Schülers (8. Klasse, 36 Wochenstunden, also quasi Ganztagsschule) belegen wir das. Zu seinem Plan kommen dazu: die Improvisations-AG, Konfirmandenunterricht und Jugendfeuerwehr. Dieser Schüler tut, was er kann, um zu üben, der Unterricht kann erst um 19.15 stattfinden! … Beide Eltern sind  voll berufstätig, eine engagierte Großmutter macht manches möglich! Dieses Kind würde an einer Schule, die um 13 oder 14 Uhr endet, besser zurechtkommen. Und von diesen Familien gibt es mehr, als die öffentliche Meinung vermuten lässt! Als Frage steht hier: Ist in unserer zukünftigen Schullandschaft ein Platz für außerschulisch stark interessierte Kinder und ihre Familien, die das stemmen können und die ohne Ganztagsschule besser zurechtkommen? Nach Umhören unter Kollegen sind das in unserer Zielgruppe immerhin bis zu zwei Drittel!
Gravierende Folgen spürbar
Beginnen wir mit Beispielen: Das Jugendsinfonieorchester der Braunschweiger Musikschule klagt über fehlenden Nachwuchs. Gewohnte Orchesterwerke auf hohem Niveau (wie Brahms, Bruckner und Beethoven) können nicht mehr gespielt werden. Das Landesjugendsinfonieorchester muss mit (studentischen) Aushilfen spielen, weil motivierte und leistungsfähige Schüler aus schulischen Gründen an den Arbeitsphasen nicht mehr teilnehmen können. Auch die Hochbegabtenförderung (Iffler) leidet bereits. Belegt ist auch die Tatsache, dass beim „Jugend musiziert“-Wettbewerb landesweit ein erheblicher Rückgang der Teilnahme besonders in höheren Altersgruppen zu verzeichnen ist. Das Betreiben der Musik auf hohem Niveau erfordert höchstes Engagement von Jugendlichen! Gerade dieses darf durch den Schulalltag nicht verhindert werden. Die Stimmung ist, wohin man sieht, weitgehend gedrückt. Die Lage ist desolat. Es handelt sich häufig um hoch motivierte Pädagogen und Schüler. Unsere mitteleuropäische, unglaublich reichhaltige Kultur ist tatsächlich in ihrer Existenz bedroht. Es ist bekannt, dass Schulen, Kirchen, Sportverbände und weitere außerschulische Bildungsträger die gleichen Probleme haben. Doch unsere Arbeit ist nicht nur Freizeitbeschäftigung für unsere Schüler. Es geht um vertieftes Lernen, oft um Vorbereitung auf Studium und Beruf. Musikhochschulen, allgemein bildende Schulen, Orchester und Chöre sind auf unsere Arbeit angewiesen. Wir sind diejenigen, welche die Grundlagen für niveauvolles Beherrschen eines Instrumentes oder des Gesanges legen. Unsere Arbeit ist von einer hohen gesellschaftlichen Bedeutung!
Antrag an Landesmusikrat
Der Antrag an den LMR lautete: Das Präsidium des LMR wird mit der Organisation einer Fachtagung „Ganztagsschule“ beauftragt. Ziel dieser Tagung, die mit anderen Betroffenen (siehe oben) gemeinsam veranstaltet werden soll, muss es sein, ein gemeinsames Bildungskonzept von Schule und außerschulischen Bildungsträgern zu entwickeln. Denn die außerschulische Bildung muss in ausreichendem Maße gewährleistet werden können.
Erfreulicherweise wurde dieser Antrag vom LMR einstimmig angenommen! Diese Fachtagung wird unter dem Motto „Mehr Zeit für Musik“ im Herbst 2013 stattfinden, der Landesvorstand des DTKV bittet seine Mitglieder darum, ihm Anregungen zum Thema, insbesondere Modelle und Beispiele gelungener Kooperation (Drehtürmodell im Internat Salem, Beispiele aus dem Ausland, Waldorfschulen o.ä.) von Schulen und Instrumental/Vokal-Unterricht zu schicken.
Auch im MWK ist uns die Hoffnung gemacht worden, einen Weg zu finden, Projekte unserer DTKV-Mitglieder im Rahmen von „Musikland Niedersachsen – Wir machen die Musik!“ unterzubringen. Dazu muss der Landesvorstand wissen, wie stark der Wunsch danach ist! „Wir bitten Sie darum, uns Ihr Interesse für das nächste Schuljahr mitzuteilen“, äußerte die 1. Landesvorsitzende Friederike Leithner.
Gunter Sokolowsky

Statement und Antrag sind auf unserer Homepage veröffentlicht. 

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