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Das Fach Musik und die Problemschüler

Untertitel
Gravierende Defizite in der Musikausbildung von Sonderschullehrern
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Unter „Problemschülern“ sind die zirka fünf Prozent aller Schüler, die eine Sonderschule für Geistig-, Sprach-, Lern-, Körper-, Sinnesbehinderte oder Verhaltensauffällige besuchen sowie eine immer größer werdende Zahl von verhaltensauffälligen Schülern der Regelschule zu verstehen. Die Legitimation des Faches Musik bestünde in seinem Beitrag zur Bewältigung der Probleme der Schüler, wobei die generelle Frage der Integration, das heißt des gemeinsamen Lebens und Lernens aller Schüler, zunächst zweitrangig erscheint. Der Beitrag des Musikunterrichts besteht darin, daß die Probleme der Schüler meist in ihrer Bewegungs-, Wahrnehmungs-, Ausdrucks- und Kommunikationsfähigkeit deutlich werden und daß diese Fähigkeiten von Musik in besonderer Weise angesprochen und gefördert werden können. Die Wirkung musikalischer Tätigkeit auf die allgemeine Bewegungs-, Wahrnehmungs-, Ausdrucks-und Kommunikationsfähigkeit und auf die Aufmerksamkeit ist zwar nicht durch wissenschaftliche Untersuchungen, jedoch durch Erfahrungen von Musiklehrerinnen und -lehrern belegt. Die jüngsten Untersuchungen zur Situation des Musikunterrichts an Sonderschulen wurden im Rahmen eines Forschungsprojekts des Verbands Deutscher Schulmusiker 1991/92 durchgeführt. Dabei wurden gravierende Defizite in allen den Musikunterricht beeinflussenden Bereichen - in der Lehrerausbildung und - fortbildung, in der Entwicklung von Konzepten , Lehrplänen und Unterrichtsmaterialien und in der Ausstattung von Schulen festgestellt. Man mußte davon ausgehen, daß der Musikunterricht an Sonderschulen zu zirka einem Drittel ganz ausfällt und daß es zu wenige musikalisch ausgebildete Musiklehrer gibt. Es gibt kaum Anzeichen für eine Besserung. Im Rahmen des oben genannten Forschungsprojektes ist der VDS 1991 mit einem Memorandum an die Öffentlichkeit gegangen, in dem die folgenden (auszugsweise zitierten) Forderungen zur Verbesserung der Situation aufgestellt werden. 1. Allgemeine Forderungen * Es ist eine länderübergreifende Institution zu schaffen, die Erfahrungsaustausch, Kooperation und Koordination bei der Entwicklung von Lehrplänen und Materialien, der Durchführung von Forschungsprojekten und Modellversuchen, der Entwicklung und Durchführung von Maßnahmen in der Lehrerausbildung und Lehrerfortbildung ermöglicht. * Im Hinblick auf die Bedeutung der Musik im Leben der Schüler und auf die besonderen Fördermöglichkeiten durch Musik sollen in allen Sonderschulformen und -stufen zwei Wochenstunden Musik erteilt werden. * Die Schulen müssen sach- und fachgerecht mit Musikräumen, Instrumenten, Medien und Materialien ausgestattet werden. * Zur Entwicklung, Durchführung und Evaluierung von Unterrichtskonzepten, -materialien und Förderprogrammen sollen Modellversuche durchgeführt werden. 2. Lehrerausbildung an Universitäten * Es müssen vermehrt Studienplätze für das Fach Musik an Sonderschulen zur Verfügung gestellt werden. * An Hochschulen, die den Studiengang Sonderpädagogik anbieten, muß das Fach „Musik in der Sonderpädagogik“ durch hauptamtlich Lehrende (Hochschullehrer und wissenschaftliche / künstlerische Mitarbeiter) vertreten werden. * Auch für Studierende, die das Fach Musik nicht studieren, sollen Veranstaltungen zur Praxis der elementaren Musik- und Bewegungserziehung verpflichtend gemacht werden. 3. Ausbildung in der zweiten Phase * Es sollen selbständige Fachseminare „Musik an Sonderschulen“ eingerichtet und sachgerecht ausgestattet werden. 4. Lehrerfortbildung und -weiterbildung * Da eine Verbesserung der Situation durch die Lehrerausbildung nur langfristig zu erreichen ist, müssen vermehrt zentrale, regionale und schulinterne Angebote der Lehrerfortbildung gemacht werden. * Die Angebote der Fort- und Weiterbildung müssen auf die Unterrichtssituation an den verschiedenen Sonderschulen und auf die besonderen Fördermöglichkeiten durch Musik bezug nehmen. 5. Richtlinien und Lehrpläne * Die Lehrpläne müssen im Hinblick auf die veränderte Schülerpopulation, auf das veränderte musikalische Verhalten der Schüler, auf die unterschiedlichen Behinderungsarten und Behinderungsgrade, auf die besonderen Förderungsmöglichkeiten durch Musik und im Hinblick auf den aktuellen Stand der musikdidaktischen Diskussion revidiert werden. * Lehrpläne müssen durch Handreichungen und Materialien konkretisiert und ergänzt werden. Franz Amrhein Der Autor ist Professor für Musikpädagogik an der Hochschule für Musik und Theater Hannover Dossier · Klassik Komm. und die „Aktion Musik“ Klassik Komm. +++ weitere Texte zum Thema +++

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