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Porträt „Musikunternehmer“: die Internationalen Musikverlage Hans Sikorski und ihr Profil
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nmz 2000/10 | Seite 1
49. Jahrgang | Oktober

Musikwirtschaft

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Porträt „Musikunternehmer“: die Internationalen Musikverlage Hans Sikorski und ihr Profil

Ein Familienunternehmen im besten Sinne ist der Verlag Sikorski: in der zweiten und seit einigen Jahren auch in der dritten Generation werden die Geschicke des Unternehmens durch direkte Nachfahren des Firmengründers Hans Sikorski (mit)bestimmt. Erst im 20. Jahrhundert ins Leben gerufen und damit nicht zu den altehrwürdigen Traditionsverlagen gehörend zählen die Internationalen Musikverlage Hans Sikorski heute doch zu den wichtigsten in Deutschland und in der Welt. Der Romanist und Ökonom Hans Sikorski gründete 1935 mit dem „Neuen Theater Verlag“ sein eigenes Verlagshaus. Kriegswirren und Berufsverbot durch die Nazis konnten ihn nur bis 1946 an der Weiterführung hindern; dann folgte die Neugründung in Hamburg. Die Hansestadt ist auch heute noch Firmensitz des Verlags, genauer: das repräsentative vierstöckige Haus aus der Gründerzeit, das gleich nach dem Krieg bezogen wurde. Für die inzwischen zirka 50 Mitarbeiter ist das Gebäude freilich zu klein geworden; deshalb wurde eine Brücke zum Nachbarhaus geschlagen, in dem sich nun weitere Verlagsräume befinden.

Schwerpunkt des Verlagsproramms war in den ersten Jahrzehnten die leichte Muse: Editionen für Tanz- und Unterhaltungsmusik bildeten den „Stock“ – und auch heute noch gehört Sikorski zu den wenigen Verlagen, die „U“ und „E“ unter einem Dach vereinigen. Vorbehalte oder Berührungsängste gegenüber dem „U“-Bereich stoßen im Hause Sikorski auf Unverständnis. Die Unterscheidung zwischen den Sparten sei schon gerechtfertigt, meint Axel Sikorski, Enkel des Verlagsgründers und seit 1997 im Unternehmen, dürfe aber nicht dazu führen, dass man nur das eine oder das andere betreibt. „Es geht um die Freude an der Musik und darum, dass man dafür das ganze Spektrum nutzt“. In diesem Sinne nimmt sich das Unternehmen seit vielen Jahren eines weiteren Bereichs an, der, wenn auch weniger umsatz- oder gar gewinnträchtig, dennoch zu den aus Verlagssicht förderungswürdigen gehört: der Neuen Musik. Es ist ein bewusster Entschluss, zeitgenössische Komponisten zu unterstützen, ihnen Aufführungsmöglichkeiten und damit auch ein Einkommen zu beschaffen. Dabei gehören etablierte Namen wie Sofia Gubaidulina oder Peter Ruzicka ebenso ins Programm wie junge unbekannte Autoren, die sich erst noch entwickeln müssen. Die Verlegerseele hänge an diesem Thema, so Axel Sikorski, der sich in seiner Dissertation mit dem schwierigen Thema „Musikwirtschaft und Neue Musik“ beschäftigt hat. Die wenigsten zeitgenössischen Autoren führen zu einem nennenswerten wirtschaftlichen Erfolg. Diese Erfahrung muss auch der Verlag Sikorski machen: nicht zuletzt aufgrund der Zurückhaltung von Veranstaltern, die die mit neuer Musik verbundenen GEMA-Gebühren ebenso fürchten wie das Wegbleiben des Pub-likums.

Geschäftsführer des Verlags sind heute die beiden Kinder des Gründers, Dagmar und Hans W. Sikorski. Beide bestimmen wie schon ihr Vater über das eigentliche Verlagsgeschehen hinaus das deutsche Musikleben mit: so hat Hans Sikorski die Deutsche Stiftung Musikleben mit aus der Taufe gehoben, sein Sohn ist stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der GEMA, die Tochter Dagmar Vorstandsmitglied des Bühnenverlegerverbandes und der VG Musikedition – um nur einige der Engagements zu nennen. Die Kooperation mit Verbänden und Institutionen dient dem Verlag als Instrument, einer Entwicklung entgegenzusteuern, die durch den Rückgang und den Abbau der musikalischen Bildung in Deutschland gekennzeichnet ist. Daneben ist der Verlag weltweit tätig und stolz darauf. Die Sikorski-Gruppe umfasst inzwischen mehr als 30 Verlage in Europa und den USA.

Die rasante Entwicklung der neuen Medien hat Sikorski durchaus im Blick, auch wenn sich der Verlag nicht als Vorreiter, sondern eher als aufmerksamer Beobachter dieses Bereichs versteht. Der Web-Auftritt des Verlags dient zur Zeit – anders als bei vielen Wettbewerbern – einzig der Promotion der Produkte. Neben ausführlichen Werkkatalogen wird der Besucher der Seiten regelmäßig über Verlags-Neuheiten und -neuigkeiten sowie Aufführungen informiert. Von einer Bestellmöglichkeit im Netz hat man bisher bewusst Abstand genommen, um den traditionellen Vertriebsweg, den Musikalienhandel nicht zu übergehen. Mit den derzeitigen Modellen des Verkaufs im Internet habe man sich noch nicht anfreunden können, so Axel Sikorski – obwohl auch er zugeben muss, dass sich im Musikalienhandel einiges geändert hat: Sortimenter im eigentlich Sinne gebe es kaum noch, in den meisten Fällen werde die Werbearbeit vorher getan, der Händler leite lediglich Bestellungen weiter. An die Zukunft des Handels glaubt der Verlag jedoch fest – nur müssten auch die Händler sich auf die neuen Gegebenheiten einstellen. Auch das Urheberrecht sieht Sikorski durch das Internet, das schließlich „kein rechtsfreier Raum“ ist, nicht grundlegend gefährdet. Die ersten Urteile gegen Verwerter, die gegen das Urheberrechtsgesetz verstoßen haben, könnten in diesem Bereich optimistisch stimmen.

Last not least hat Sikorski seit einigen Jahren einen weiteren Schwerpunkt für sich entdeckt. Sei es Zufall oder Fügung: Anfang der 70er-Jahre kam ein Betriebswirtschaftler als As-sistent der Geschäftsleitung in den Verlag. Sein Name: Rolf Zuckowski. Dass er sich zu einem der erfolgreichsten Kinderliedermacher im deutschsprachigen Raum entwickeln würde, war damals nicht abzusehen. Auch nachdem er sich für eine künstlerische Laufbahn entschieden hatte, blieb er dem Verlag treu. Seine Liederbücher sind alle bei Sikorski verlegt und tragen heute zum wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens bei. Um dieses herum gruppiert sich ein ansehnliches Kindernotenprogramm, das ständig erweitert wird.

Gibt es eine Firmenphilosophie des Hauses Sikorski? Keine geschriebene jedenfalls, aber doch eine unausgesprochene, die die gesamte Arbeit prägt: Freude an der Musik vermitteln und Musik allen zugänglich machen: Ziele, die einem jung gebliebenen Verlag gut zu Gesicht stehen.

Sikorski im Internet: www.sikorski.de

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