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Den Zugang zu zeitgenössischer Musik eröffnen

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Erfolgreicher Abschluss des ersten Berufsbegleitenden Lehrgangs für Neue Kammermusik
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Feierstimmung Anfang Juli in der BAK Trossingen: Doris Froese, Mitglied im Vorstand des VdM, gratulierte 15 Musikpädagoginnen und -pädagogen zum erfolgreichen Bestehen des ersten Berufsbegleitenden Lehrgangs „Ensembleleitung Neue Kammermusik“. Ein Novum in der Erfolgsgeschichte der VdM-Fortbildungen: Erstmals stand im Zentrum eines Berufsbegleitenden Lehrganges die Unterrichtung zeitgenössischer Musik.

Mit dem Besuch der vier jeweils einwöchigen Akademiephasen und dem erfolgreichen Abschluss der praktischen und theoretischen Prüfungen erwarben erstmals Lehrkräfte die Qualifikation zur Leitung eines Ensembles mit neuer Kammermusik im Rahmen einer Weiterbildungsveranstaltung nach §12 des Hochschulrahmengesetzes.

Die Initialzündung für dieses Projekt geht zurück auf den Musikschulkongress 1999 in München. Dort stand die Situation der zeitgenössischen Musik an unseren Musikschulen im Mittelpunkt einer Podiumsdiskussion mit Komponisten, Verlegern und Musikschulpädagogen. Musikschulen, so der allgemeine Tenor, müssen als verantwortliche Träger unserer Musikkultur Schülern neben Altbewährtem auch verstärkt den Zugang zu zeitgenössischer Musik eröffnen. Eine einseitige Festlegung auf Tradition, Jazz- und Popmusik oder sogar ein „Entweder-Oder“ von tradierter und zeitgenössischer Musik entspräche nicht den Erziehungsidealen der Musikschulen.

Im Rahmen der daraufhin im Jahre 2000 vom VdM ins Leben gerufenen Initiative „Neue Kammermusik für Musikschulen“ und deren Praxiserprobungen zeitgenössischer Kompositionen beklagten Ensembleleiter/-innen einen Mangel an Weiterbildungen zur musikschulspezifischen Methodik und Didaktik der zeitgenössischen Musik. Dieses Interesse verwundert kaum: Engagierte Pädagoginnen und Pädagogen stehen bei der Vermittlung zeitgenössischer Musik im Ensemble vor einer Vielzahl von Aufgaben, für die sie meistens nicht explizit ausgebildet wurden. Setzt die Vermittlung eines zeitgenössischen Werkes im Einzelunterricht schon ein spezialisiertes Wissen des Lehrers voraus, so potenzieren sich die Anforderungen für die Einstudierung einer modernen Kammermusik um ein Vielfaches.
Der VdM nahm sich des Problems an und entwarf mit Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung eine Konzeption für einen vierphasigen Berufsbegleitenden Lehr-gang zur „Ensembleleitung Neue Kammermusik“. Als weitere Partner für diesen Modellversuch wurden die Bundesakademie für musikalische Jugendbildung in Trossingen und die Robert Schumann Hochschule Düsseldorf gewonnen.

Unter der Federführung von Prof. Dr. Wolfgang Rüdiger (Robert Schumann Hochschule Düsseldorf) und Reinhard Gagel (Rheinische Musikschule Köln) starteten im April 2003 20 Pädagoginnen und Pädagogen in die erste Akademiephase. Die vier einwöchigen Akademieeinheiten in Trossingen erstreckten sich über 15 Monate mit jeweils drei dazwischenliegenden Praxisphasen, in denen die Teilnehmer/-innen das Neuerfahrene mit Schülerensembles daheim erprobten.

Neben den Grundlagen des Ensemblespiels, elementaren Dirigiertechniken, Tipps zur Aufführungspraxis, wurden den Notationsformen und Spieltechniken anhand ausgesuchter Werke breiter Raum gewährt. Aber auch die Hinführung von Schülerinnen und Schülern an zeitgenössische Musik mittels Improvisationen erfuhr ein großes Interesse. Die Improvisation wurde als musikalische Basisarbeit entdeckt, um die Klangwelt Neuer Musik spielerisch zu erfahren.

Gastdozentinnen und -dozenten bereicherten die Lehrgangsphasen: Komponist Mathias Spahlinger (Musikhochschule Freiburg) referierte in der zweiten Akademiephase über das „Spannungsfeld Komposition – Improvisationen“ und anhand seiner „128 erfüllten Augenblicke“ wurde das Synergiefeld zwischen Konstruktionsidee und der Freiheit der Interpretation erfahrbar. Für die dritte Akademiephase konnte der VdM Armin Köhler, Chef der Redaktion „Neue Musik“ beim Südwestfunk und künstlerischer Leiter der Donaueschinger Musiktage, gewinnen, der seine innovativen Konzepte zur Konzertvermittlung vorstellte und über die Geschichte und Gegenwart der Neuen Musik dozierte. Matthias Kaul, Mitglied des Ensembles „L’Art pour L’Art, führte moderne Perkussionstechniken vor und gab mit seinem Projekt „Komponieren mit Kindern“ den Lehrgangsteilnehmerinnen und -teilnehmer zahlreiche Anregungen, solche Projekte auch in VdM-Schulen zu initiieren. Aber auch die letztjährige Weikersheimer Stadtkomponistin Charlotte Seither war zu Gast in Trossingen: Nicht zuletzt deshalb, da ihr Stück „Coq-à-l’ane“ zu den meist gespielten Werken der VdM-Praxiserprobung 2001 gehörte. So erfuhren die Ensembleleiterinnen und -leiter von der Komponistin persönlich, wie denn genau die Wurzelbürste, der Kuckkucksrufer, der Brummtopf oder das Geschirrtuch in ihrem oben genannten Werk einzusetzen sind. Wie „Coq-à-l’ane“ standen aber auch die 70 anderen Kompositionen der beiden VdM-Auswahlisten zur Neuen Kammermusik (Praxiserprobungen 2001 und 2003) im Blickpunkt des Lehrganges. Anhand dieser Werke, die speziell von einer Lektorenkonferenz für die Unterrichtung von Neuer Musik an Musikschulen ausgewählt wurden, konnten die Lehrgangsteilnehmer/-innen ihre Konzepte im Rahmen von Lehrproben ausprobieren, diskutieren und verfeinern. Schon die ersten Rückmeldungen der Pädagoginnen und Pädagogen zeigen, wie motivierend die Impulse eines solchen Lehrganges für den Unterrichtsalltag sind. Interessierte können sich davon anstecken lassen, wie spannend und belebend Neue Musik in der Musikschule sein kann. Zum Ende des Jahres erscheint im VdM-Verlag eine neue Publikation zur „Neuen Kammermusik“, die die erfolgreichen Konzepte der Lehrgangsabsolventen vorstellt.

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