Banner Full-Size

Die GEMA, das unbekannte Wesen

Untertitel
Die wichtigsten Informationen für Komponisten (Teil 1)
Publikationsdatum
Body

Jeder schimpft auf sie. Und kaum jemand weiß Bescheid über sie. In der ab dieser Ausgabe erscheinenden Artikelreihe wird erklärt, was die GEMA ist und welche Informationen für Komponisten und Veranstalter wichtig sind. Ich bin selbst einerseits als Komponist und andererseits als Veranstalter von Konzerten für den Tonkünstlerverband Augsburg-Schwaben mit der GEMA verbunden. Somit sehe ich beide Seiten, und vielleicht kann ich gerade dadurch nachvollziehen, was für Schwierigkeiten viele, auch Komponisten, mit diesem Unternehmen haben.

Was ist die GEMA?

Zuerst einmal: Die GEMA ist ein Inkasso-Unternehmen, das Komponisten (unter anderem Richard Strauss) gegründet haben, weil die Wahrnehmung der mit dem Urheberrecht verbundenen Vergütungsansprüche durch den einzelnen Komponisten schlicht undurchführbar ist. Die GEMA arbeitet ausschließlich im Auftrag der in ihr zusammengeschlossenen Komponisten sowie Textautoren und Verleger! Sie ist demokratisch organisiert, denn alle Entscheidungen trifft die Mitgliederversammlung. Die Entscheidungen unterliegen dort, wo es um wesentliche Dinge der Verteilung des eingenommenen Geldes geht, rigiden Verfahrensregeln: Sie müssen mit 2/3-Mehrheit beschlossen werden! Das garantiert, dass nicht zufällige knappe Mehrheiten über Fragen entscheiden können, die oftmals die Existenz ganzer Berufsgruppen substantiell beeinflussen würden. Es bedeutet aber auch, dass sich die GEMA manchmal nur so langsam wie ein Supertanker bewegt. Die laufenden Geschäfte führt ein bezahlter, hauptberuflich tätiger Vorstand. Aber dieser wird kontrolliert von einem Aufsichtsrat, in dem wieder nur Vertreter der Mitglieder sitzen, also Komponisten, Textdichter und Verleger.

Was unterscheidet das
„Kleine“ und „Große“ Recht?

Die gesetzliche Grundlage für die Tätigkeit der GEMA ist das Urheberrecht. Dieses Recht garantiert jedem Urheber einer geistigen Leistung den Schutz dieser Leistung und den Anspruch auf Vergütung, wenn diese Leistung genutzt wird. Somit entspricht die Nutzung von Musik in etwa der Nutzung eines Patents. Wie bei einem Patent endet auch bei der Musik einmal die Schutzfrist, nämlich 70 Jahre nach dem Tod des Komponisten. 

Das Urheberrecht setzt keine Gebühren fest, denn ein Honorar für die Nutzung geistigen Eigentums wäre eigentlich Verhandlungssache, also das Ergebnis eines privatwirtschaftlichen Vertrags. Das wäre allerdings für alle Beteiligten mühsam bzw. schlicht undurchführbar, und es könnte dann sein, dass ein Komponist einem bestimmten Musiker oder Veranstalter keine Erlaubnis zur Aufführung eines seiner Werke geben würde (das dürfte er ohne Begründung!) bzw. von einem ihm genehmen Veranstalter weniger verlangen würde als von einem ihm nicht genehmen usw. Bei ganz großen Werken, z.B. Opern, wird das auch tatsächlich zwischen Komponist, Librettist, Verleger und Theater so gemacht (das nennt man das „große Recht“), hier mischt sich die GEMA nicht ein. Aber alle kleineren Nutzungsarten (das sogenannte „kleine Recht“) sind vom Aufwand her für beide Seiten (Komponisten und Veranstalter) auf diese Weise nicht zu bewältigen. Daher gibt es ein Tarifwerk, das für die Masse der alltäglichen Nutzungen nicht verhandelbare Vergütungssätze vorsieht. Diese sind somit für alle Veranstalter im Prinzip gleich; nur für „Großkunden“ wie z.B. Rundfunkanstalten oder die Kirchen gibt es Pauschalverträge, die individuell verhandelt werden. So ist gewährleistet, dass weder ein Veranstalter noch ein Komponist von der jeweils anderen Seite unter Druck gesetzt werden kann. Vor der GEMA sind alle gleich.

Welche Beträge
erhält ein Komponist?

Die GEMA ist eine echte Solidargemeinschaft. Sie setzt für alle Werkgattungen nach Besetzungsgröße und Aufführungsdauer gestaffelte Beträge fest, die einem Komponisten (ggf. auch einem Textdichter oder Verleger) immer zustehen, gleichgültig, wo das betreffende Werk gespielt wird.

So bekommt man also für ein Streichquartett von 15 bis 20 Minuten Dauer zum Beispiel etwa 85 Euro (wenn es verlegt ist, wird dieser Betrag zwischen Komponist und Verleger aufgeteilt), gleichgültig ob das Stück in der Philharmonie in Berlin oder in einem Avantgarde-Kellertheater in einer Kleinstadt gespielt worden ist. Wie oft ein solches Streichquartett dann in der gesamten Lebenszeit des Komponisten aufgeführt werden müsste, damit dieser für seine Arbeit einen Stundenlohn erreicht, der in etwa dem eines Erntehelfers entspricht, kann man sich unschwer ausrechnen, wenn man vorher noch die Kosten für die Materialherstellung aufgeschlagen hat …

Bei Orchesterstücken ist es noch extremer: Für ein Orchesterstück von etwa 10 bis 15 Minuten Dauer erhält man rund 300 Euro pro Aufführung. Wenn man für die Herstellung des Orchestermaterials etwa 1.500 Euro gezahlt hat (das wäre eine sehr preisgünstige Quelle, meistens zahlt man deutlich mehr!), dann würde erst die 5. Aufführung dieses Stückes die Materialherstellungskosten decken, ohne dass der Komponist für seine eigene Arbeit auch nur einen Cent bekommen hätte! Glücklicherweise kann man aber bei Orchesterwerken in den meisten Fällen vom Orchester als Materialgebühr pro Aufführung noch einmal etwa 300 Euro (oder vielleicht sogar noch etwas mehr) bekommen. Wenn das Stück verlegt ist, erhält der Verlag die Materialleihgebühr und außerdem 40 Prozent der Tantiemen; aber dafür hat der Komponist nicht selbst die Materialherstellungskosten getragen. Somit muss das Stück mindestens zweimal gespielt werden, bis man die technischen Ausgaben einigermaßen wieder hereingeholt hat. Erst ab der dritten Aufführung würde man in die Phase eintreten, in der die eigentliche kompositorische Arbeit vergütet wird. Aber wie wenige Orchesterstücke erreichen heutzutage überhaupt eine dritte Aufführung! Viele schaffen nicht einmal eine zweite. Und dann müsste man dieses Einkommen umlegen auf etwa mindestens 200 Stunden Arbeit an diesem Werk. Bei der 3. Aufführung bekäme man also erst etwa 1,50 Euro pro Arbeitsstunde … Welche andere Berufsgruppe nimmt bei diesen Bedingungen überhaupt ihr Arbeitswerkzeug in die Hand?

Die GEMA ist eine
Solidargemeinschaft

Natürlich nimmt die GEMA bei einem großen Konzertsaal wie der genannten Philharmonie mehr Gebühren ein als bei dem beispielhaft genannten Kellertheater mit vielleicht 100 Plätzen, denn die Gebühren für die Veranstalter sind nach Saalgröße und Eintrittspreisen gestaffelt. Aber man möchte, dass der Komponist für sein Werk entlohnt wird und nicht für das Umfeld, in dem er zufälligerweise gespielt wird. Um das zu erreichen, wird das gesamte Aufkommen zusammengezählt, zu den abgerechneten Spieldauern in Beziehung gesetzt, daraus ein Punktwert errechnet ... Auf diese Weise geben also Komponisten, die oft in großen Sälen aufgeführt werden, solidarisch sozusagen etwas ab an Kollegen, die das große Publikum (noch) nicht erreichen. Das ist sehr edel, macht das Abrechnungssystem aber auch für die Komponisten selbst oft nur mit äußerster Mühe durchschaubar. 

Nur in extremen Fällen findet das direkte Weiterreichen von Einnahmen ohne Solidarausgleich (wie es bei manchen Verwertungsgesellschaften in anderen Ländern immer üblich ist) auch bei der GEMA statt, nämlich dann, wenn die Vergütungen extrem vom Durchschnitt abweichen, etwa bei öffentlichen Generalproben (ohne Eintrittsgeld), Aufführungen in Krankenhäusern oder Altenheimen, in Schulen während der Unterrichtszeit, bei Happenings etc. Solche Veranstaltungen gehen nicht in die allgemeine Punktwertberechnung ein, sondern in diesen Fällen findet die sogenannte „Netto-Einzelverrechnung“ statt.

(In der März-Ausgabe der nmz folgen „U- und E-Musik“ und „Die wichtigsten Informationen für Veranstalter“. Alle Teile dieses Fortsetzungsartikels werden auf der Web-Site des Tonkünstlerverbandes Bayern stehen.)
 

Print-Rubriken
Unterrubrik