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Die große Gefahr droht aus vielen kleinen Krisen

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Weshalb ist die Gründung der Initiative „Pro Klassik“ notwendig? &#183
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Verantwortung übernehmen statt zu verzagen, Initiative ergreifen! Das hat der Bundespräsident seinem Volk gerade hinter die Ohren geschrieben. Er hat sich in seiner Amtszeit besonders für die klassische Musik eingesetzt. In der Initiative „Pro Klassik e.V.“ vereinen sich Komponistinnen und Komponisten zum gleichen Zweck.

Warum gründet man eine Initiative „Pro Klassik?“ Was will sie erreichen? Jeder, der in der Musikszene tätig oder an ihr interessiert ist, kennt die Antwort. Wir alle wissen, dass sich die E-Musik in einer Phase größter Bedrohung befindet. Eine Bedrohung, die verschiedene Gesichter hat, aber immer denselben Effekt: die Beschädigung eines der größten und wertvollsten historisch gewachsenen Kulturschätze.

„Pro Klassik e.V.“ hat ein Ziel: sich mit aller Kraft gegen jede Entwertung der E-Musik zur Wehr zu setzen und ihr jenen Stellenwert zu erhalten, den sie beanspruchen darf und muss. Unsere Initiative will die Kräfte von Komponisten und Verlegern bündeln, um an einer breiten gesellschaftlichen Front gegen den Kahlschlag im Musikleben anzugehen. Längst haben wir es ja nicht mehr mit marginalen Kürzungen zu tun, über die man diskutieren könnte, sondern mit einer Grablegung. Mit der Grablegung des grundsätzlichen Konsens, dass E-Musik einen unterstützten und geschützten, von der öffentlichen Hand mitfinanzierten Raum haben muss, damit sie entstehen, aufgeführt und gehört werden kann. Leider gibt es Kräfte, die diesen gesellschaftlichen Konsens lieber heute als morgen zu Grabe tragen wollen. Hinzu kommen die „Zeichen der Zeit“: allgemeine Sparwut, gesellschaftliche Depression, Zukunftsangst, wirtschaftliche Zwänge, Missbrauch neuer technischer Möglichkeiten.

Folge sind schwerste Erosionen unseres Kulturlebens und, damit verbunden, zurückgehende Einnahmen der E-Musikurheber. Opernhäuser sind von Schließung bedroht, Orchester schrumpfen, werden zusammengelegt oder gleich aufgelöst. Immer seltener werden geschützte Werke aufgeführt, vor allem in ländlichen Regionen, in denen die Kommunen immer weniger Geld für ihre Kulturinstitutionen haben. Der Musikalienhandel steckt in einer tiefen Krise. In Rundfunk und Fernsehen gibt es weniger und immer schlechtere Sendezeit für Klassiksendungen. Durch all dies haben immer weniger Menschen die Chance, E-Musik kennen zu lernen und sich für sie zu interessieren, CDs und Noten zu kaufen, Konzerte zu besuchen.

Den schlimmsten, weil nachhaltigen Schaden richtet der fehlende Musikunterricht an den allgemein bildenden Schulen an. Es ist ja bekannt, dass in manchen Bundesländern bis zu achtzig Prozent des Musikunterrichts ausfallen oder fachfremd unterrichtet werden. Nicht jedes Elternhaus kann diesen Mangel ausgleichen. Woher soll denn die Liebe zur Musik kommen? Wie soll ein Kind die Wunderwelt der Musik entdecken, wie soll es deren Genuss und Wertschätzung lernen? Woher soll das Empfinden für den Schaden kommen, den illegale Downloads anrichten?

Es ist die Summe der oben beschriebenen Phänomene, die uns größte Sorge bereitet und die wir zum Anlass genommen haben, neben vielen anderen Aktivitäten den Verein „Pro Klassik“ mit zu initiieren. Gemeinsam ist uns die Überzeugung, dass es hier nicht um „bessere“ oder „schlechtere“ Musik geht. Gemeinsam ist uns allerdings der Glaube an eine Kunst, die abseits von banalen Zwecken, von Quoten und Funktionalität als geistiger und emotionaler Reflex der Zeit ihren Wert hat. Nicht allein die jedermann verständliche Popmusik ist, wie manche glauben, die „adäquate Ausdrucksform unserer Zeit“, ihr Erfolg spiegelt eher den legitimen Wunsch nach Einfachheit und Verständlichkeit wider, die viele Menschen in unserer Welt vermissen. Es muss aber Musik geben, die von solchen Erfahrungen unserer Welt spricht, die mit unterhaltsamem Wohlklang oder unmittelbar verständlichen Mitteln nicht zu formulieren sind. Musik, deren Komponisten viele Jahre in ihre Ausbildung investieren, um über formale und stilistische Mittel zu verfügen, die solchen komplexen Inhalten angemessen sind. Wir wollen, dass Menschen, die solche Musik im Radio oder im Konzert hören wollen, dazu die gleichen Möglichkeiten haben wie jene, die Pop- oder Rockmusik bevorzugen. Das ist aber nicht gegeben, wenn diese Sendungen ins Nachtprogramm verbannt und kurzerhand gestrichen werden – „Pro Klassik“ will dafür eintreten, dass E-Musik wieder „hörbar“ wird.

Manche tun so, als gehe es bei der geschützten E-Musik um ein paar Werke von Individualisten, die niemand versteht und niemand hören will. Das ist natürlich Unsinn. Wir reden bei urheberrechtlich geschützten Werken, für die wir eintreten, von einem zwar höchst anspruchsvollen, aber weltweit verbreiteten Repertoire. Von Strauss, Stravinsky, Orff und Hindemith bis Henze, Pärt und Rihm. Wir reden von einem Repertoire, das auf der ganzen Welt, von Musikern aller Nationalitäten gespielt und geliebt und über alle Sprachgrenzen hinaus verstanden wird. Von Werken, die den Ruf Deutschlands als einer Kulturnation rechtfertigen. Und reden wir nicht auch von Kunstwerken, deren Studium Generationen von Popmusikern ein taugliches Ausbildungsfundament gegeben hat?

Die umfangreiche Produktion von zeitgenössischer E-Musik hat übrigens auch dazu geführt, dass Deutschland als Heimat der weltweit besten Spezialensembles gilt. Sie sind kulturelle Leuchttürme wie unsere Opern- und Orchesterlandschaft, und man sollte sich sehr gut überlegen, ob Deutschland darüber hinaus noch genügend Attraktionen hat, um sich leisten zu können, unsere Kultur weiter ernsthaft zu beschädigen.

Noch bevor die Initiative „Pro Klassik“ aktiv in Erscheinung treten und ihre Ziele vorstellen konnte, wurde ihr schon unterstellt, sie wolle eine Art Gegentrupp zum „Composers Club“ sein. Um es ganz klar zu sagen: „Pro Klassik e.V.“ soll und wird keine Art „GEMA-Aufsichtsratswahlverein“ sein. Allerdings spielen GEMA-Versammlungen insofern für uns eine bedeutende Rolle, als die GEMA eine wichtige Institution unserer Gesellschaft ist und „Pro Klassik“ dort kontinuierlich und nachhaltig, wie auch in anderen Bereichen des Kulturlebens, für die E-Musik und ihre Urheber eintreten wird. Das wird ein Aktionsfeld sein – aber sicher nicht das einzige.

Die Überzeugung, dass Kunstwerke wie die der E-Musik ein schützenswertes und förderungswürdiges Gut sind, muss Konsens jeder Kulturgesellschaft sein. Aber nur solidarisches Handeln ermöglicht Kreativität, deren Wert sich nicht unmittelbar in Heller und Pfennig niederschlagen muss. Dies alles muss auch die Basis unserer gemeinsamen Arbeit in einer Verwertungsgesellschaft für alle Urheber sein. Die GEMA ist eine seit 100 Jahren bewährte Solidargemeinschaft, die nur funktioniert, wenn sich alle Mitglieder solidarisch verhalten und Einvernehmen über Ziele und Werte besteht. Das Gegenteil von Solidarität ist Egoismus, etwa in der Form, dass das Verteilungssystem ausgenutzt und der Verteilungsplan missbraucht wird. Die Erfüllung des Auftrages einer Verwertungsgesellschaft bemisst sich ganz wesentlich nach der Schutzfunktion, die sie für solche Werke ausübt, die diesen Schutz benötigen und verdienen. Und noch etwas kommt hinzu: Die über Jahrhunderte bewährte E-Musik bildet für ein starkes Urheberrecht eine ganz andere Basis als die vielen Eintagsfliegen in Form von Chartbreakern oder Werbejingles. Von einem starken Urheberrecht aber profitieren alle Urheber. Und starke Urheber sind, auch davon sind wir überzeugt, die beste Gewähr für ein vitales, vielfältiges, zukunftsoptimistisches Musikleben.

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