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Dirk Hewig. Foto: DTKV
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Die Ziele Franz Liszts sind auch heute noch aktuell

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Interview mit Dirk Hewig, dem neuen Präsidenten des Deutschen Tonkünstlerverbandes
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Mitte März wählte die Delegiertenversammlung des Deutschen Tonkünstlerverbandes (DTKV) ihr neues Bundespräsidium. Bei den Wahlen wurden der Jurist und ehemalige Musikreferent im Bayerischen Kunstministerium Dr. Dirk Hewig als Präsident, die Flötistin und Musikwissenschaftlerin Dr. Adelheid Krause-Pichler als 1. Vizepräsidentin und der Festivalleiter und Buchautor Dr. Franzpeter Messmer als Schriftführer neu gewählt, der Violoncellist und Musikpädagoge Ekkehard Hessenbruch als 2. Vizepräsident und der Verleger und Universitätsdozent Wilhelm Mixa als Schatzmeister bestätigt. Hewigs Vorgänger, der langjährige Präsident, der Komponist Prof. Rolf Hempel, wurde zum Ehrenpräsidenten gewählt. Dirk Hewig war 21 Jahre Referatsleiter Musik am Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst, unter anderem war er Präsident der Deutschen Mozart-Gesellschaft, stellvertretender Vorsitzender der Neuen Bachgesellschaft Leipzig und Mitglied im Präsidium des Bayerischen Musikrats. Hewig leitete sechs Jahre den Bayerischen Landesverband und war während dieser Zeit schon teilweise Vizepräsident des DTKV, so dass er den Verband und die Probleme, die dort anstehen, gut kennt. nmz-Chefredakteur Andreas Kolb traf sich mit dem neuen Präsidenten zum Gespräch.

neue musikzeitung: Bleibt der Bundesverband auch künftig in München?

Dirk Hewig: Der Sitz wird weiterhin München bleiben. Unsere Präsenz in Berlin haben wir dadurch gestärkt, dass Frau Krause-Pichler, die Vorsitzende des Berliner Tonkünstlerverbandes, zur 1. Vizepräsidentin gewählt wurde.

nmz: Gibt es eine Föderalismus-Debatte innerhalb des Verbandes?

Hewig: Die föderale Struktur kommt bei uns dadurch zum Ausdruck, dass der Verband in Landes-, Orts- und Regionalverbände gegliedert ist. Wichtige Bereiche wie Mitgliederbetreuung und -werbung werden von diesen Verbänden wahrgenommen, wegen unseres föderalen Bildungswesens darüber hinaus viele Bereiche, die mit Bildung zusammenhängen. Der Bundesverband wird tätig, um die Landesverbände zu koordinieren und Aufgaben wahrzunehmen, die nur zentral wirksam durchgeführt werden können. Ein Problem, das sich nicht sinnvoll auf Landesebene lösen lässt, ist beispielsweise die Ausgleichsvereinbarung Musik mit der Künstlersozialkasse. Ebenso die Frage des Notenkopierens, die eine Verständigung mit der VG Musikedition voraussetzt, ferner Rahmenvereinbarungen mit der GEMA oder mit einzelnen Versicherungen. Solche Absprachen wollen wir zentral für alle Landesverbände schließen. Die Landes-, Orts- und Regionalverbände bilden jedoch die Basis des Deutschen Tonkünstlerverbandes, da sich ein Großteil der Aktivitäten dort vollzieht.

nmz: Prekär wird es, wenn Musikschulen und Musiklehrer rückwirkend ihre Künstlersozialkassenbeiträge bezahlen müssten.

Hewig: Solange wir noch in Verhandlungen sind, wird die Künstlersozialkasse die Rückforderungen bei den freien Musikschulen aussetzen.

nmz: Was hat sich noch verändert im Präsidium?

Hewig: Herr Dr. Messmer ist unser neuer Schriftführer. Er hat federführend die Neugestaltung der Tonkünstlerverbände in der nmz koordiniert. Die Tonkünstlerverbände werden ab Februar 2012 eine eigene Beilage bekommen, in der sich der Bundesverband und die Landesverbände präsentieren können. Wir werden mehr Platz als bisher zur Verfügung haben, den wir für Werbung und unsere Außendarstellung nutzen können.

nmz: Thema Öffentlichkeitsarbeit: Was ist im Franz-Liszt-Jahr geplant? Liszt war ja ein Mitbegründer des DTKV.

Hewig: Der von Franz Liszt 1861 gegründete Allgemeine Deutsche Musikverein hatte sich unter anderem die Pflege und Förderung der Musik sowie die Wahrung und Förderung der Standes- und Berufsinteressen der Tonkünstler zum Ziel gesetzt. Das gilt im Wesentlichen auch heute noch für den DTKV. Um diese Ziele zu erreichen, liegt mir zunächst einmal daran, dass wir unseren Verband sowohl nach innen als auch nach außen stärker profilieren. Dazu dient die Mitwirkung bei Themen, die zum Kernbereich unserer Arbeit gehören. Das sind zum Beispiel die prekären Verdienstverhältnisse der Lehrbeauftragten an Musikhochschulen. Neue Bewegung in die Angelegenheit ist dadurch gekommen, dass sich im Januar erstmals die Lehrbeauftragten an Musikhochschulen in Frankfurt zu einer Konferenz zusammengefunden haben: Sie nennen sich Bundeskonferenz der Lehrbeauftragten an Musikhochschulen (BKLM) und haben sich in ihrer Frankfurter Resolution auf einheitliche Forderungen und ein einheitliches Vorgehen geeinigt sowie zwei Sprecher und vier stellvertretende Sprecher gewählt. Heute habe ich im Senat der Musikhochschule München diese Resolution vorgestellt. Auf unserer Webseite stellen wir zudem ein Forum für den Austausch unter den Lehrbeauftragten bereit.

nmz: Was sind noch wichtige Themen?

Hewig: Das zweite große Thema, dem wir uns widmen wollen, sind die freiberuflichen Musikerzieher. Wir unterstützen die freiberuflichen Musikpädagogen gegenüber den Finanz- und Kultusbehörden bei der Umsatzsteuerbefreiung. Wir stellen Unterrichtsverträge bereit. Mit der GEMA und mit Versicherungen wurden Rahmenverträge abgeschlossen, eine Musiklehrerbörse wurde eingerichtet. Wir haben ein Netz von Erstrechts-Beratungen geschaffen. Hier kann jedes Mitglied bei rechtlichen Schwierigkeiten kostenlos einen bestimmten Anwalt in seinem Landesverband kontaktieren. Erst was über die Erstrechts-Beratung hinausgeht, muss bezahlt werden. Dafür bieten wir Rechtsschutzversicherungen an. Wir geben den Tonkünstlerkalender heraus, der wichtige Informationen enthält und weitgehend auf die Bedürfnisse unserer Mitglieder zugeschnitten ist. Wichtig ist auch ein umfassendes Netz an Fortbildung.

nmz: Der freiberufliche Musiklehrer tut sich immer noch außerordentlich schwer in vielen Bereichen ...

Hewig: Wir sehen das. Deshalb haben wir uns dafür entschieden, dass die nächste von uns veranstaltete D-A-CH-Tagung 2012 dem freiberuflichen Musikpädagogen in all seinen Facetten gewidmet sein wird.

nmz: Der „Jugend musiziert“-Wettbewerb wird 2013 50 Jahre – ein Thema für den DTKV?

Hewig: Der DTKV hat 1963 Pate gestanden, als die Wettbewerbe „Jugend musiziert“ aus der Taufe gehoben wurden. Auch derzeit wirken Mitglieder der Tonkünstlerverbände im Projektbeirat des Deutschen Musikrats, in den Landes- und Regionalverbänden und insbesondere in den Jurys mit. Das 50-jährige Bestehen bietet Gelegenheit, diese Arbeit herauszustellen und weiter zu intensivieren.

nmz: 2009 hat der DTKV in Wildbad Kreuth eine Tagung zum Bologna-Prozess in der Musikausbildung abgehalten. Mit welchem Impetus?

Hewig: Der Bologna-Prozess führt zur größten Veränderung des Studiums an deutschen Hochschulen seit der Humboldtschen Universitätsreform. Hierüber wollten wir informieren und auch wichtige Anstöße geben. Die Tagung in Kreuth war mit hochkarätigen Dozenten aus Österreich, Deutschland und der Schweiz besetzt. Wir haben anschließend eine Dokumentation herausgegeben. Es ist uns wichtig, dass wir den gesamten Verlauf der musikalischen Bildung vom Vorschulbereich bis zur Hochschule mit unserer Fachkenntnis und unserer Fachkompetenz begleiten.

nmz: Gibt es neue Pläne in Sachen Kooperation mit Verbänden?

Hewig: Ich habe bei dem Symposium zum Notenkopieren in Regensburg gesehen, dass es eine Reihe von Verbänden gibt, die die gleichen Anliegen haben wie wir. Ich denke, dass wir auf diesem und auch anderen Gebieten – auch wenn die Interessen manchmal unterschiedlich sind – eng mit dem Verband deutscher Musikschulen (VdM) zusammenarbeiten werden. Es hat immer mal wieder Konfrontationen und Differenzen zwischen dem VdM, der primär die öffentlich-geförderten Musikschulen vertritt, und den privaten, freien Musikschulen gegeben. Wir können aber nur weiterkommen, wenn wir uns abstimmen und gemeinsam vorgehen. Das wird auch eine der Aufgaben des neuen Präsidiums sein, mit dem VdM enger zusammenzuarbeiten.

nmz: Wo wollen Sie in nächster Zeit ganz konkret tätig werden?

Hewig: Unser Verband hat sich in den letzten Jahren sowohl rechtlich, durch eine neue Satzung, organisatorisch, durch die Besetzung unserer Geschäftsstelle, wie auch finanziell stabilisiert und professionalisiert. Wir haben weiterhin Probleme mit unseren Finanzen. Wir müssen auf Dauer so viel einnehmen, wie wir pro Jahr auch ausgeben. Das können wir nur erreichen, wenn wir mehr Mitglieder gewinnen. Vor allem über einen Ausbau unserer Serviceleistungen werden wir neue Mitglieder erreichen. So möchten wir die Musiklehrerbörse weiter publik machen. Wir möchten einen Mitgliedsausweis ausgeben, der nicht nur Ausweis für die Mitgliedschaft ist, sondern auch Vergünstigungen enthält, die man damit in Anspruch nehmen kann. Wir wollen an einer Instrumentenbörse, das heißt Tausch von Instrumenten, aber auch von Instrumentenzubehör, die derzeit vom Deutschen Musikrat angedacht wird, mitarbeiten.

Ein wichtiges Projekt ist das DTKV-Manuskript-Archiv. Darin befinden sich etwa 1.900 nicht verlegte Kompositionen von DTKV-Mitgliedern. Wir möchten dieses Archiv noch mehr qualifizieren. Wir möchten Anreize für Komponisten schaffen, ihre Stücke in unser Archiv zu geben. Wir denken an einen Wettbewerb für die beste Interpretation eines Stückes aus dem Archiv. Wir möchten Preisträgern von Kompositionswettbewerben die Chance geben, ihr Werk kostenlos ins Archiv einzustellen, damit es weiter verbreitet werden kann.

nmz: Service ist also eine wichtige Komponente bei der Weiterentwicklung der Verbandsarbeit.

Hewig: Ja, wir werden aber auch in wichtigen Fragen des allgemeinen Musiklebens mitwirken. Der DTKV ist stark im Musikrat vertreten: im Präsidium, im Aufsichtsrat, in den Bundesfachausschüssen, in Projektbeiräten. Wir wollen bei musikpolitischen Themen verstärkt mitsprechen, wenn es etwa um Fragen der musikalischen Bildung und der Bildungsfinanzierung, des Schutzes von geistigem Eigentum geht. Ich wirke zum Beispiel mit in der von ver.di begründeten Initiative Urheberrecht, der 26 Musikverbände und Verwertungsgesellschaften angehören. Es ist durchaus wichtig, dass wir bei entscheidenden Gesetzesvorhaben, die unsere Mitglieder betreffen, uns zu Wort melden.

nmz: Der DTKV: ein Dreiklang aus Musik, Service und Lobbyismus?

Hewig: Wir sind kein reiner Lobbyverein. Wir sind eine Vereinigung von Künstlern, Komponisten, Pädagogen und Musikwissenschaftlern. Die künstlerisch-musikalische Komponente wird im Präsidium von unserer Vizepräsidentin Adelheid Krause-Pich­ler, die selbst eine renommierte Interpretin und Musikwissenschaftlerin ist, ferner von dem Cellisten und Musikschullehrer Ekkehard Hessenbruch vertreten. Frau Krause-Pichler wird in Berlin einen Wettbewerb durchführen, und wir denken bereits darüber nach, wie wir das ausweiten können. Wir haben stets die großen Musikfeste, die unser geistiger Gründungsvater Franz Liszt in vielen deutschen Städten durchgeführt hat, im Auge. Franz Liszt sagte damals: Ein wichtiges Ziel ist die Pflege und Förderung der Musik. Das war für ihn die zeitgenössische Musik: Berlioz, Wagner, Bruckner und andere. Auch der DTKV widmet sich primär der zeitgenössischen Musik. 1997 hat der DTKV das letzte große Musikfest durchgeführt, ein bundesweites Fest mit 100 Veranstaltungen in 16 Ländern, primär mit Werken zeitgenössischer Komponisten aus der jeweiligen Region. Für derartige Musikfeste fehlt uns derzeit die personelle und finanzielle Kapazität. Deshalb unterstützen wir die Landesverbände dabei, eigene Musikfeste durchzuführen. Einzelne Landesverbände werden auch am Tag der Musik des Deutschen Musikrats vom 17. bis 19. Juni 2011 teilnehmen.

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