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Warnstreik der GEMA-Mitarbeiter in Berlin. Der GEMA-Vorstand will die Belegschaft zukünftig in „Gutleister“ und „Schlechtleister“ unterteilen.
Warnstreik der GEMA-Mitarbeiter in Berlin. Der GEMA-Vorstand will die Belegschaft zukünftig in „Gutleister“ und „Schlechtleister“ unterteilen.
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Ein Gema-Klima-Schock

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Es ist, als würden Halbmond samt Stern über dem Kölner Dom gehisst: Die Gema wird bestreikt, unsere monumentale Solidar- und Inkassogemeinschaft musikalischer Schöpfer und deren Vervielfältiger. Zwar handelt es sich noch um die warnende Vorstufe einer Arbeitsniederlegung. Doch haben sich nach Auskunft von ver.di etliche hundert Betriebsangehörige den Protestveranstaltungen angeschlossen, die in Form einer Widerstandstournee von Berlin über Hamburg, Hannover, Dortmund, Stuttgart und Wiesbaden bis zur Münchener Zentrale stattfanden.

Vorausgegangen war die Kündigung des seit vierzig Jahren funktionierenden Haus-Tarifvertrages durch den Gema-Vorstand mit dem Ziel, leistungsbezogene Kriterien in die Vergütungsverträge einzubasteln und den Kündigungsschutz zu lockern. Alles im Rahmen des Zeitgeistes, könnte man kommentieren. Freilich hat sich der Gema-Vorstand bislang jeglichem Gespräch mit ver.di als Arbeitnehmer-Vertretung verweigert. Das entbehrt nicht einer gewissen Komik, da ver.di ein knappes Jahr zuvor, als man um urheberfreundliche Regelungen beim sogenannten „Korb 2“ politisch heftig rang, noch einen vom Gema-Vorstand liebevoll umworbenen Partner abgab. Jetzt droht als Klima Permafrost. Die Mitarbeiter in den beiden Zentralen und in den Bezirksdirektionen klagen über Motivationsschwund und Angst. Außerdem sieht die Belegschaft – angesichts einer im Jahr 2006 stolz präsentierten Ertragssteigerung um knapp sechs Prozent im vergangenen Jahr – nicht ein, weshalb sie plötzlich schlechter gestellt werden soll. Offensichtlich ein Kommunikations- und damit ein Managementproblem.

Der alte Spruch vom besser kehrenden neuen Besen scheint sich als alter Zopf zu entlarven. Vor allem wenn der Besen seine letzte Baustelle nur teilgereinigt hinterließ. Harald Heker, als Hoffnungsträger vom in dringend nötiger Renovierung befindlichen „Börsenverein des Deutschen Buchhandels“ zur Gema-Vorstandsetage transferiert, sendet in Sachen Unternehmensreform und Neuorientierung – flankiert von einem aufwändigen Beraterstab aus großteils Börsenvereins-Zeiten – allenfalls undeutliche Signale aus. In Politikerkreisen kursiert als häufige Charakterisierung von Gema-Vorstands-Auftritten das Adjektiv „arrogant“.

Bei einer Anhörung der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ zum Thema „Kollektive Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandter Schutzrechte“ musste sich die Gema vom Rechtsexperten Martin Vogel (Mitglied der Beschwerdekammern und der Großen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts) unter anderem mangelnde Transparenz und teils ungerechte, vor allem aber undurchsichtige Verteilungsmechanismen vorwerfen lassen. Von einer fragwürdigen Dreiklassen-Gesellschaft innerhalb ihrer Mitglieds-Struktur bei besonderer Bevorzugung ertragsstarker Partner ganz zu schweigen. Dabei steht die Gema unter intensiver Beobachtung der Brüsseler Wettbewerbs-Hüter, denen die Monopolstellung der deutschen Verwertungsgesellschaft längst ein Dorn im Auge ist. Wichtigstes Argument, solche Alleinstellung zu rechtfertigen, wäre eine Kultur-orientierte Ausrichtung der Gema mit einem Förderpotential ähnlich der französischen Schwestergesellschaft SACEM, die sich so einer rein wirtschaftlichen Betrachtungsweise entzieht.

Diesem Zustand rückt man kaum näher, indem man sich mühsam zur Mitbewirtschaftung der Kampeter/Neumann-Million durchringt, einer vor allem dem Musikexport und der Pop-Nachwuchsförderung zugedachten schmalen Gnadengabe (Weshalb die deutsche Musikwelt angesichts dieses Sümmchens – für die Filmwirtschaft machte Neumann 60 Millionen Euro locker – in ein speichelleckerisches Dauer-Kotau-Koma verfällt, sei andernorts diskutiert).

Hilfreich wäre vielmehr ein klares Bekenntnis zur Förderung der Kreativen in der bundesrepublikanischen Musikkultur – und ihres Umfeldes. Hierzu gehört – neben musikwirtschaftlichen Strukturhilfen – unbedingt auch die Förderung aller Belange der musikalischen Bildung. Und die Schaffung von Transparenz samt demokratischen Strukturen.
An Herausforderungen für den neuen Gema-Vorstand mangelt es offensichtlich nicht. Dass er seine Kräfte darauf zu bündeln scheint, innerbetrieblich Großindustrie-konforme Standards zu „implementieren“, kann nur all jenen Gerüchtemachern Vorschub leisten, die in der künftigen Gema ein major-affines Digital-Rights-Management wähnen, dem die Interessen des einzelnen „Schöpfers“ verhältnismäßig egal sind. Vielleicht folgt 2008 dann ja ein Komponisten-Generalstreik…

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