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Ein Komponist mit Liebe für Akkordeon und Saxophon

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Zum 50. Todestag von Wolfgang Jacobi am 15. Dezember 2022
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Viele unserer älteren Mitglieder werden sich an den renommierten „Internationalen Wolfgang-Jacobi- Wettbewerb für Kammermusik der Moderne“ des DTKV an der Münchner Musikhochschule erinnern, der von 2000 bis 2003 viermal erfolgreich stattfinden konnte, dann jedoch wegen fehlender finanzieller Zuschüsse eingestellt werden musste. Hier konnten Teilnehmer*innen und Zuschauer*innen nicht nur das anspruchsvolle Niveau der Musiker*innen erleben, sondern insbesondere auch einen Einblick in das Werk des Komponisten nehmen. Dr. Ulrich Jacobi, der Enkel des Komponisten, hat jedoch seitdem viele erfolgreiche Aktivitäten zur weiteren Erforschung der Musik seines Großvaters unternommen – durch viele Konzerte, weitere Wettbewerbe, Kooperationen mit Musikverbänden sowie Publikationen und Vorträgen.

Wolfgang Jacobi war ein wahrer „Tonkünstler“, einer, der nicht unbedingt „Neue Musik“ kreieren wollte. Sein Bestreben lag in der Vermittlung von Kunst- und Amateurmusik – ein großer Teil seiner umfassenden Werkliste führt Kompositionen für Akkordeon auf: Stücke für Akkordeon solo, mit weiteren Melodie-Instrumenten, besonders aber Kammermusik sowie Sinfonien für Akkordeon-Orchester, um dem bis dahin als Volks­musikinstrument geltenden Klangkörper ein neues Profil in der Konzertszene zu verschaffen. Dieses, und auch die Bevorzugung des Saxophons als Soloinstrument im klassischen Konzertsaal, waren mutige Unterfangen.

Aber Mut zu haben, gehörte notgedrungen zu Jacobis Leben: als Sohn des Rechtsanwalts und Notars Oskar Jacobi am 25.10.1894 geboren, wuchs er in gebildetem Umfeld in Bergen auf Rügen auf. Nach der Gymnasialzeit in Stralsund  meldete er sich freiwillig zum Kriegsdienst im 1. Weltkrieg. In französischer Gefangenschaft infizierte er sich mit Tuberkulose und wurde in ein Sanatorium ins schweizerische Davos geschickt. Hier begegnete er dem Musikgelehrten Paul Collaer, der ihn für die Musik von Ravel, Debussy und weiteren Komponisten begeisterte, die ihn zu eigenen Kompositionsversuchen inspirierten. Nach dem Krieg ging er nach Berlin, um  an der Musikhochschule zu studieren. Hier konnte er bald als Lehrer für Musiktheorie an der Hochschule und am Klindworth-Scharwenka-Konservatorium Fuß fassen, sowie als Mitarbeiter in der „Berliner Funkstunde“ des Rundfunks weitere Kontakte schaffen. Durch das Engagement in der Arbeiterchorbewegung – er komponierte das Werk „Der Menschenmaulwurf“ ( 1932) wurden die Nationalsozialisten auf ihn aufmerksam und verhängten 1933 Berufs- und Aufführungsverbot, zudem wurde er, wegen der Herkunft seines Vaters, als „Halbjude“ eingestuft. Zunächst wanderte Jacobi mit Frau Kindern nach Italien aus, kehrte bereits 1935 nach Deutschland zurück und ließ sich in München nieder, musste jedoch weiter als verfemter Komponist achtsam sein.

Nach Kriegsende erhielt er jedoch umgehend einen Lehrauftrag für Harmonielehre und Kontrapunkt an der Münchner Musikhochschule, der bereits 1949 zur Professur wurde. Jacobis Ambitionen, mit musikalischer Bildung und hochwertigen, amateurgerechten Kompositionen die Gesellschaft für alle Sparten der Musik zu begeistern mündete zunächst in der Gründung des ersten „Studio für Neue Musik“ gemeinsam mit Hans Mersmann 1946, der ältesten bestehenden Kammerkonzertreihe für zeitgenössisches Musikschaffen. 1951-1961 wurde er Vorsitzender des Münchner sowie des Landes-Tonkünstlerverbandes, zudem hatte er 1958-1961 den Vorsitz im Dreierkollegium mit Ernst-Lothar Knorr und Dietrich Sloverock. 1960 ernannte ihn der Münchner Tonkünstlerverband  zum Ehrenmitglied.

Jacobis Werkverzeichnis weist Kompositionen aller Sparten auf: Orchesterwerke, Kammermusik, Solowerke, Werke für Saxophon, für Akkordeon, für  Chor- und Sologesang sowie Werke für Schüler, u.a. eine Schuloper, zwei Ballettsuiten und eine kleine Sinfonie für Streichorchester, Klavier und Schlagzeug.

Vieles über das Leben und Wirken des Komponisten und Hochschullehrers ist noch zu erfahren; eben aus diesem Grund hat Ulrich Tadday in der Reihe „Musik Konzepte“ der „edition text+kritik“  einen Band über Wolfgang Jacobi herausgegeben.

ieses „Musik-Konzepte“-Heft 195 widmet sich mit sechs musikwissenschaftlichen Texten dem Leben und Schaffen Jacobis und liefert neue Forschungsergebnisse im Hinblick auf seine Biografie und die Hintergründe seines kompositorischen Schaffens.

 

 

 

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