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Ein musikalischer Sommernachtstraum

Untertitel
Cavallis Barockoper „La Calisto“ in München neu inszeniert
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Elf Jahre ist es nun her, dass in München ein Opernboom besonderer Art begann. Mit Händels Giulio Cesare stürzte der neue Intendant Peter Jonas über Nacht die Münchner Hausheiligen Mozart, Wagner und Strauss von ihrem Podest: eine neue Ära brach an. Während sich konservative Opernbesucher im grellbunten Licht des neuen Brit-Pop verdutzt die Augen rieben, wurde die Neuakzentuierung des Musikrepertoires stürmisch, aber konsequent vorangetrieben.

Neben schrillem Outfit und einer manchmal penetrant und gewollt wirkenden Aktualisierung der Stücke tat sich aber auch Bedeutendes im Orchestergraben. Mit dem englischen Dirigenten Ivor Bolton an der Spitze gelang der Umbau des Münchner Staatsopernorchesters zu einem Barockensemble der Extra-Klasse.

Ob Monteverdis Orfeo oder Händels Ariodante: Frühe Musik der Renaissance und des Barock genoss fortan Kultstatus. Mit der Produktion von Francesco Cavallis Oper „La Calisto“ hat das Team Jonas/Bolton zusammen mit dem Hausregisseur David Alden seinen Zenit erreicht, sind Regie und musikalische Aufführung an ihrem endgültigen Höhepunkt angelangt.

Aufwendig war es bereits, die notwendigen Voraussetzungen, sprich geeignetes Material für die Aufführung, zu beschaffen. Da der überlieferte Notentext der venezianischen Tradition des 17. Jahrhunderts folgend, nur einige wesentliche Stimm- und Notenführungen enthielt, wurde für den Münchner Calisto eine eigene Partitur nachschöpferisch von Alvaro Torrente erstellt – im Bärenreiter Verlag mustergültig ediert –, der schon mal auf Wunsch des Regisseurs ein paar neue Zwischenmusiken dazu komponiert hatte. Weiteres Novum für München: Es wird ausschließlich auf barocken Instrumenten gespielt, bei den Streichern unter Verwendung alter Bögen. Dabei gelingt es den achtzehn Spitzenmusikern jedoch immer, das große Rund des Münchner Opernhauses mit ihrer gehaltvollen Präsenz auszufüllen.

Die Sage um die schöne Diana-Begleiterin Calisto hat David Alden als poppige Musikrevue im Vaudeville-Stil inszeniert, die mit ihren Ränkespielen und sexuell ausschweifenden qui pro quo vielfach an Shakespeares „Ein Sommernachtstraum“ erinnert. Ob Oberon/Titania oder hier Jupiter und Juno, die Fallkonstellationen ähneln sich – und doch kommt es dem quirligen Regisseur nur oberflächlich darauf an: seine Manier ist die des Musicals und der muss sich alles unterordnen.

Dass der Abend für das Münchner Haus ein großer Erfolg wurde, ist aber vor allem auch den bezwingend schönen Tierkostümen von Buki Shiff zu verdanken, die mit ihren Flügelpferden, Faunen oder grell geilen Satyrböcken eine atmosphärisch märchenhafte Zauberwelt schuf.

Das Sängerensemble wird angeführt von der hinreißend agierenden Sally Matthews (Calisto), die sich im Laufe des Abends zu akrobatischer Gesangsartistik steigerte. Umberto Chiummo (Giove) und Guy de Mey (Linfea) gelang der Spagat zwischen stimmlicher Musikakrobatik und revuehafter Unterhaltungskomik. Manieristisches hat also Tradition in München und so darf man gespannt sein, wie die Ära Jonas in ihrer letzten Spielzeit zu Ende geht.

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