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Ein Ort zum Verweilen und Schmökern

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Unternehmer-Poträt: Cantus 139 macht den Berliner Musikalienhändlern Konkurrenz
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„Wie schön, dass Ihr wieder da seid!“ Das ist ein Satz, den Regina Steinhäußer und ihre Mitarbeiter fast täglich von Kunden hören, die ihr Berliner Geschäft in der Kantstraße 139 betreten. „Cantus 139“ heißt die Musikalienhandlung, die die ehemalige stellvertretende Leiterin des renommierten Ladengeschäfts von Bote & Bock zusammen mit ihrem neuen Partner, Olaf Enderlein, im September diesen Jahres eröffnet hat. Im März hatte Bote & Bock zum Entsetzen vieler Kunden endgültig seine Tore geschlossen. Boosey & Hawkes, die das Verlagshaus Bote & Bock vor einigen Jahren übernommen hatten, zeigten kein großes Interesse am Direktverkauf: eine Gleichgültigkeit, die in diesem Jahr mit der Schließung der Handlung endete.

„Wie schön, dass Ihr wieder da seid!“ Das ist ein Satz, den Regina Steinhäußer und ihre Mitarbeiter fast täglich von Kunden hören, die ihr Berliner Geschäft in der Kantstraße 139 betreten. „Cantus 139“ heißt die Musikalienhandlung, die die ehemalige stellvertretende Leiterin des renommierten Ladengeschäfts von Bote & Bock zusammen mit ihrem neuen Partner, Olaf Enderlein, im September diesen Jahres eröffnet hat. Im März hatte Bote & Bock zum Entsetzen vieler Kunden endgültig seine Tore geschlossen. Boosey & Hawkes, die das Verlagshaus Bote & Bock vor einigen Jahren übernommen hatten, zeigten kein großes Interesse am Direktverkauf: eine Gleichgültigkeit, die in diesem Jahr mit der Schließung der Handlung endete. Regina Steinhäußer, die dem Geschäft 30 Jahre lang die Treue gehalten hatte, wollte sich weder mit der Arbeitslosigkeit abfinden, noch sich in einem anderen Betrieb einer neuen Geschäftsführung unterordnen. Der Besuch des Stammkunden Enderlein in den letzten März-Tagen gab den Ausschlag. „Das geht doch nicht“, fanden beide und beschlossen, sich die entstehende Chance zu Nutze zu machen und den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen. Nicht weit entfernt von dem ehemaligen Ladenlokal in der Hardenbergstraße fanden die beiden Räumlichkeiten in bester Lage. Nur wenige Schritte vom Savignyplatz entfernt und noch erreichbar für Studenten und Lehrer der Hochschule der Künste haben sie gute Chancen, die „verwaisten“ Kunden wieder an sich zu binden. Auch, wenn die Konkurrenz in der Zeit des Vakuums nicht geschlafen hat. Der große Wettbewerber, die Musikalienhandlung Riedel, beäugte die Neugründung misstrauisch. Und auch das Kulturkaufhaus Dussmann hätte vom Wegfall eines Konkurrenten profitieren können. Aber Konkurrenz belebt das Geschäft. In einer (Kultur-) Metropole wie Berlin ist das Nebeneinander von drei Großen wirtschaftlich mehr als tragbar, und der Kunde kann davon nur profitieren.

Der Weg von der Hardenberg- in die Kantstraße war allerdings steiniger als zunächst angenommen. Die ausgeguckten Räume, seit mehreren Jahren leerstehend und total heruntergekommen, mussten von Grund auf renoviert werden. Das Existenzgründerdarlehen, das die beiden GmbH-Gründer aufgenommen hatten, wurde nicht zuletzt durch die Baumaßnahmen aufgezehrt. Baupläne existierten nicht, so dass erst sehr spät ein besonderes Schmankerl zu Tage trat, das dem Ladengeschäft heute ein ganz besonderes Gesicht gibt: große Rundbögen, die die beiden nebeneinander liegenden, vorher durch eine Mauer getrennten Lokalitäten miteinander verbinden. Die so entstehende anheimelnde Atmosphäre wird durch gediegene Holzmöbel und eine geschickte Raumausnutzung noch verstärkt: ein Ort zum Verweilen und Schmökern.

Die Schwerpunkte des Bote & Bock-Programms haben die „Cantus“-Eigentümer beibehalten. Zwar werden keine Instrumente mehr verkauft, und das Lager ist notgedrungen kleiner geworden. 105 Quadratmeter Ladenfläche zwingen zu gewissen Einschränkungen. Aber das Musikbuch-Programm ist nach wie vor umfassend, auch fremdsprachige Bücher gehören ins Sortiment. Stark ist „Cantus 139“ nach wie vor im U-Musik-Bereich, wobei gerade hier die Kunden die „neuen Alten“ erst wieder entdecken müssen. Ein wichtiger Kundenstamm ist Regina Steinhäußer trotz der Pause von immerhin sechs Monaten, treu geblieben: die Berliner Bibliotheken, die vorher in der Hardenbergstraße orderten. Ein Pfund, das die Konkurrenz sicher gerne übernommen hätte.

Das neue Team besteht neben den Geschäftsführern aus drei ehemaligen Bote & Bock-Kollegen. Diese garantieren zusammen mit Regina Steinhäußer, der gelernten und erfahrenen Buch- und Musikalienhändlerin, die Kontinuität des Unternehmens. Für Olaf Enderlein, den Musikwissenschaftler, ist der Musikalienhandel zunächst noch eine neue Welt. Allerdings verhilft ihm das Aufbaustudium Kulturmanagement, das er absolviert hat, dazu, einen großen Teil der betriebswirtschaftlichen Aufgaben zu übernehmen.

Die Frage, ob es in einer Zeit, in der der E-Commerce den Ladenhandel in allen Bereichen immer mehr zu vertreiben droht, überhaupt noch opportun sei, ein Musikgeschäft zu betreiben, gar eines neu zu eröffnen, gehen die beiden Inhaber gelassen an. Gerade Noten und hochwertige Bücher wollen die Kunden nach wie vor in die Hand nehmen, durchblättern, bevor sie sich zum Kauf entscheiden.

Wesentlich ist die Beratungsdienstleistung: bei einer Flut von Verlagskatalogen und -angeboten sei das Wissen des Händlers gefragt, der die Bedürfnisse des fragenden Kunden erkennt und befriedigen kann, so Olaf Enderlein.

Die Gefahr sieht er eher bei den Verlagen: die Möglichkeiten des Direktverkaufs über das Netz könne eine veränderte Rabattpolitik gegenüber den Händlern nach sich ziehen. Zur Zeit halten die Verlage in ihren Verlautbarungen jedoch an der Bedeutung der herkömmlichen Vertriebswege fest. Zumindest gibt Enderlein der Branche des Musikalienhandels noch etwa 20 Jahre Zeit. „Aber was danach kommt, wage ich heute nicht zu prognostizieren.“

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