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Ein Widerspruch in sich

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Zu „Belcanto im Kunstlied“, nmz 2/06, S. 29
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Den Artikel „Belcanto im Kunstlied“ (nmz 2/06) halte ich für Platzverschwendung. Schon die Überschriften sind ein Widerspruch in sich: „Belcanto im Kunstlied – Neue Wege der Liedinterpretation“. „Belcanto“ ist eine Bezeichnung für historische gesangspädagogische Methoden, die heute keine Bedeutung mehr haben sollten, es sei denn, man will angehende Sänger in ein unzeitgemäßes Konzept einzwängen und sie damit methodologisch zum Scheitern verurteilen. Zum Vergleich stellen Sie sich doch bitte vor, Ihnen würden statt moderner medizinischer Methoden historische vorgeschlagen werden (ohne Virologie, Bakteriologie, keine Narkose, …). Die Rückwärtsgewandtheit, die sich im mystischen Herausstellen des „Belcanto“ oder der „altitalienischen Gesangstechnik“ darstellt, kann keinen neuen Weg darstellen. Auch die Spekulation es gäbe eine „deutsche“ und im Gegensatz dazu eine „altitalienische Gesangstechnik“ zeigt, dass die Autorin zu wenig Informationen bezüglich der Physiologie der Stimme hat, als dass sie darüber schreiben sollte. Es mag wohl sein, dass es eine Physiologie der Stimme gibt, aber da die Stimme immer ein individueller Prozess ist, muss es also so viele Methoden geben, wie es Sänger gibt. Daher gibt es keine „deutsche“ und keine „altitalienische Gesangstechnik“.

Des Weiteren benutzt die Autorin ein große Menge undefinierter Begriffe, wie zum Beispiel „Register“, „Falsett“, „Passaggio“, „Vokalausgleich“, „Vordersitz“, „Natürlichkeit“ und so weiter. Unter diesen Begriffen darf sich jeder vorstellen, was er will. Verfolgt man die Begriffe in der gesangspädagogischen Literatur, in Rezensionen und anderen Schriften, die sich mit dem Phänomen „Stimme“ befassen, stellt man fest, dass die verschiedenen Autoren genau das machen. Deswegen kann ich nur empfehlen, wenn man etwas vermitteln will, Begriffe zu verwenden, deren Bedeutung möglichst eindeutig ist. Alles andere nenne ich „Blabla“.

In einem Punkt kann ich die Autorin unterstützen: Die Aufführungsqualität im Kunstlied kann deutlich verbessert werden. Dies kann geschehen, wenn die Sänger ihre stimmlichen Möglichkeiten den Kommunikationserfordernissen des Singens anhand objektiver Maßstäbe anpassen. Und nicht subjektive Maßstäbe anlegen, wodurch der Sänger seine Stimme nur zu dem entwickeln kann, was andere oder auch er selber in seiner Stimme sehen/sieht. Das – mit Verlaub – ist ein neuer Weg.

Peter Hechfellner, via E-Mail

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